Orban verlangt Rücktritt von EU-Kommissionsvize Jourova

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hat den sofortigen Rücktritt der Vizepräsidentin der EU-Kommission, Vera Jourova, verlangt. In einem heute veröffentlichten Schreiben an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nannte Orban Aussagen der Tschechin, wonach in Ungarn eine „kranke Demokratie“ errichtet werde, als Grund. Jourova habe ihr Mandat verletzt, und Ungarn lege bis zum Rücktritt alle Kontakte mit ihr auf Eis.

„Die Aussagen von Vizepräsidentin Vera Jourova sind nicht vereinbar mit ihrem derzeitigen Mandat, und deshalb ist ihr Rücktritt unausweichlich“, sagte Orban. Er empörte sich insbesondere darüber, dass Jourova gesagt habe, die Ungarn könnten sich keine unabhängige Meinung bilden. Das sei eine „inakzeptable“ Beleidigung des ungarischen Volkes.

Jourova ist als Vizepräsidentin der EU-Kommission unter anderem für das Sanktionsverfahren gegen Budapest zuständig. Die der liberalpopulistischen ANO des tschechischen Ministerpräsidenten Andrej Babis angehörende Politikerin gilt als eines der Schwergewichte der Brüsseler Behörde. Orbans Aufforderung erfolgt kurz vor der Veröffentlichung eines Rechtsstaatsberichts durch die Kommissarin.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stellte sich hinter ihre Vizepräsidentin. Jourova habe das „volle Vertrauen“ von der Leyens, sagte eine Sprecherin. Die Präsidentin arbeite „eng“ mit der Tschechin in der Frage der Rechtsstaatlichkeit zusammen.

Scharfe Kritik aus EU-Parlament

Aus dem EU-Parlament kam deutliche Kritik an dem rechtspopulistischen Regierungschef. Jourova „verteidigt unser Recht, unsere Werte und damit auch unsere Gemeinschaft“, schrieb ÖVP-EU-Abgeordneter Othmar Karas auf Twitter. Die SPÖ-Abgeordnete Bettina Vollath teilte in einer Aussendung mit: „"enn eine Frau in klarer Sprache Missstände aufzeigt, werden autoritäre Machthaber nervös.“

Monika Vana, Delegationsleiterin der Grünen im EU-Parlament, übte ebenfalls scharfe Kritik: „Orban täte gut daran, sich weitere überzogene Wortspenden zu sparen und stattdessen die Kritik aus Brüssel ernst zu nehmen.“ Die Rücktrittsaufforderung Orbans zeige, dass der ungarische Ministerpräsident „seine Gegner am liebsten mundtot macht, anstatt sich mit der Kritik auseinanderzusetzen“, heißt es in einer Aussendung von NEOS-Europaabgeordneter Claudia Gamon.