Vorbereitungen im Fernsehstudio der Wahldebatte
AP/Patrick Semansky
Trump vs. Biden

US-TV-Duell der Gegensätze

Fünf Wochen vor der US-Wahl liefern einander Präsident Donald Trump und Herausforderer Joe Biden Dienstagnacht (Ortszeit) das erste von drei TV-Duellen. Trump dürfte sich wohl einmal mehr als polternder Kritiker des Establishments und „Law and Order“-Präsident inszenieren – Biden hingegen als versöhnender Staatsmann. Tiefschläge sind, nicht zuletzt wegen der Fülle an heiklen Themen und jüngster Enthüllungen, zu erwarten.

Die sechs Themen für das erste TV-Duell in der Stadt Cleveland wurden bereits vor einer Woche festgelegt. Der Bericht der „New York Times“ über die Finanzen des republikanischen Präsidenten Trump, der aktuell die Gemüter erhitzt, dürfte es also eher auf Umwegen in das rund 90-minütige TV-Duell schaffen. Biden nahm bisher nicht direkt Stellung zu dem „NYT“-Bericht.

Allerdings könnte zumindest ein Thema dem demokratischen Kandidaten Gelegenheit bieten, Trump nach seinen geringen Steuerzahlungen und Schulden von 421 Millionen Dollar (etwa 360 Mio. Euro) zu fragen: die persönliche Bilanz der Kandidaten. In nationalen Umfragen liegt Biden seit geraumer Zeit vor Trump.

US-Präsident Donald Trump
Reuters/Tom Brenner
Die Enthüllungen der „New York Times“ zu den Steuerunterlagen von Trump dürften es auf Umwegen in die Debatte schaffen

Biden und Harris veröffentlichen Steuererklärungen

Wenige Stunden vor dem TV-Duell veröffentlichten Biden und seine Kandidatin für das Amt der Vizepräsidentin, Kamala Harris, ihre Steuererklärungen für 2019. Das Wahlkampfteam der Demokraten forderte Trump auf, mit der eigenen Erklärung nachzuziehen. Der Republikaner hält entgegen den Gepflogenheiten in der US-Politik seine Unterlagen seit Jahren unter Verschluss.

Aus der Erklärung von Biden und seiner Ehefrau Jill geht hervor, dass sie für das vergangene Jahr mehr als 346.000 Dollar an Steuern und andere Zahlungen an den Bund abgeführt haben. Das gemeinsame Jahreseinkommen betrug laut Unterlagen fast 985.000 Dollar. Die Bidens beantragten eine Rückzahlung von fast 47.000 Dollar, die sie nach ihrer Darstellung zu viel bezahlt hätten.

US-Wahl: Erste Debatte

Die Enthüllungen der „New York Times“ („NYT“) zu den Steuerunterlagen von US-Präsident Donald Trump bringen zusätzlichen Sprengstoff in die mit Spannung erwartete erste TV-Debatte zur US-Präsidentschaftswahl. Am Dienstagabend stehen die beiden Kandidaten, Trump und sein demokratischer Herausforderer Joe Biden, einander erstmals gegenüber.

Supreme-Court-Nominierung als Streitthema

Nicht weniger umstritten war zuletzt die Neubesetzung am Obersten Gerichtshof, die am Dienstag ebenso ein Thema sein wird. Trump hat die konservative Juristin Amy Coney Barrett als Nachfolgerin der verstorbenen Liberalen-Ikone Ruth Bader Ginsburg nominiert – und ließ die Wogen bei den Demokraten hochgehen. Biden fordert, dass erst der Sieger der Präsidentenwahl am 3. November den Posten besetzt.

Befürchtet wird aufseiten der Demokraten nämlich, dass es zu einem Rechtsruck im Supreme Court kommt und die USA über Jahrzehnte grundlegend verändert werden könnten. Barrett tritt seit langer Zeit als überzeugte Katholikin in Erscheinung und ist damit auch angesehen im christlich-konservativen Lager, einer Kernwählergruppe Trumps. Mit ihr soll eine Juristin ins oberste Gericht einziehen, die sich in der Vergangenheit bereit gezeigt hat, mit bisherigen Auslegungen der Verfassung zu brechen.

US-Präsidentschaftskandidat Joe Biden
Reuters/Leah Millis
Herausforderer Biden liegt in allen landesweiten Umfragen vorne

Entscheidend könnte das werden, sollten bei einer konservativen Mehrheit im Höchstgericht von sechs zu drei Sitzen erneut Verfahren zum Beispiel zur Rechtmäßigkeit von Abtreibungen und gleichgeschlechtlichen Ehen landen. Das oberste Gericht hat in den USA oft das letzte Wort in Grundsatzfragen wie Abtreibung, Einwanderung und Diskriminierung.

CoV-Krise und Rassismus im Fokus

Biden dürfte Trump in der Debatte zudem wegen der verheerenden CoV-Bilanz mit schon mehr als 200.000 Toten zur Rechenschaft ziehen – Trump spielte die Gefahr des Virus lange Zeit herunter.

Nach Darstellung von Bidens Wahlkampfteam bat die republikanische Gegenseite den Moderator der Debatte, nicht die Zahl der Toten durch die Coronavirus-Pandemie in den USA zu erwähnen. Trumps Wahlkampfteam wies das scharf zurück. Das sei „eine Lüge und ist nie passiert“, sagte ein Sprecher.

Poster mit George Floyd während einer Demonstration in Washington
AP/Carolyn Kaster
Gleich mehrere heiße Eisen werden am Dienstag diskutiert, darunter Rassismus und Polizeigewalt

Weitere Themen sind die Sicherheit der Wahl, die Lage der US-Wirtschaft und die Ausschreitungen in Städten am Rande von Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt. Ihre Botschaften dazu haben beide Kandidaten in den vergangenen Wochen bereits oft verbreitet.

Beobachter: Biden könnte von Beleidigungen profitieren

Spannender dürfte daher werden, wie Trump und Biden in dem TV-Duell miteinander umgehen. „Ich erwarte wirklich ein Feuerwerk“, wurde der Politikwissenschaftler David Cohen von der Nachrichtenagentur AFP zitiert. „Das sind zwei Männer, die einander nicht mögen.“

Trump nannte Biden in der Vergangenheit mehrmals „schläfriger Joe“ und „Marionette radikaler Linker“. Er behauptete, dass der 77-Jährige schon zu besten Zeiten nicht besonders schlau gewesen sei, und sorgte für Lacher bei seinen Fans mit dem Spruch: „Er weiß gar nicht, dass er lebendig ist.“ Er sei auf „persönliche Angriffe und Lügen“ eingestellt, sagte Biden dem Sender MSNBC und verglich Trump mit NS-Reichspropagandaminister Joseph Goebbels. „Meine Vermutung ist, dass es ein einziger Frontalangriff wird.“

Medienberichten zufolge vermuten einige in Trumps Wahlkampfteam, dass der 74-jährige Präsident seinem Gegenspieler mit den Beleidigungen einen Gefallen getan hat. Trump ruderte in den vergangenen Tagen zurück: Biden sei ein Profi, der seit Jahrzehnten in Debatten erprobt sei („Im Senat tun sie nichts anderes“). Er dagegen habe eher wenig Erfahrung damit.

Wahlplakate für Biden und Trump
Reuters/Alexander Drago
Gewählt wird am 3. November

Biden schnitt zuletzt besser ab

Bei einer Art Fernduell vor zwei Wochen – Fragestunden, bei denen sich die Kandidaten Fragen von Wählern stellten – machte Biden eine solidere Figur. Er legte mehr Empathie an den Tag und ging konkreter auf die einzelnen Fragen ein, während Trump über weite Abschnitte seine bekannten Positionen abspulte. Seine größere Stärke in den Duellen mit Hillary Clinton vor vier Jahren war allerdings auch eher die Kunst, einen frechen, schlagfertigen Kommentar einzuwerfen.

TV-Hinweis

ORF2 überträgt die erste TV-Debatte in der Nacht auf Mittwoch ab 2.55 Uhr live.

Wie intensiv sich die Kandidaten auf die Debatte vorbereiten, ist unklar. Die Website The Hill berichtete, dass Biden Wortgefechte mit seinem früheren Stabschef Ron Klain in der Rolle Trumps durchspiele. Trump ließ durchblicken, dass er eher allgemein über Antworten zu den Themen mit seinen Beratern spreche.

Den einen oder anderen verbalen Schlagabtausch gab es schon in den Tagen vor dem Duell. „Er weiß nicht, wie man über Fakten debattiert, er ist nicht so smart“, sagte Biden über Trump. Der Präsident forderte mehrfach einen Medikamententest Bidens, weil dessen Verhalten angeblich auf leistungssteigernde Substanzen hinweise. Eine Wahlkampfmanagerin von Biden stichelte schließlich zurück: „Wenn der Präsident glaubt, dass er seine Argumente am besten mit Urin vorbringen kann, braucht er sich keinen Zwang anzutun.“

Politologin: Debatte für Biden wichtiger

„Die Leistung in der Debatte ist für Trump nicht so wichtig wie für seinen Herausforderer“, sagte die Politikwissenschaftlerin Constanze Stelzenmueller im Vorfeld der Debatte in der ZIB2. Immerhin habe auch Clinton 2016 alle TV-Debatten gewonnen, nicht aber die Wahl. Die große Frage sei, ob „Joe Biden gegen den Ansturm der Lügen, der Fehlinformationen“ ankommen könne.

Politologin Stelzenmueller über Trumps Steuerakt und die erste TV-Debatte

Politikwissenschaftlerin Constanze Stelzenmueller (Brookings Institution) sprach im ZIB2-Interview über die Folgen der Enthüllungen der „New York Times“ („NYT“) zu den Steuerunterlagen von Trump und über die anstehende erste TV-Debatte zur Präsidentschaftswahl.

Moderator will so „unsichtbar wie möglich“ sein

Moderiert wird die Debatte vom Fernsehjournalisten Chris Wallace. Der 72-Jährige steht aktuell für den Trump freundlich gesinnten Sender Fox News vor der Kamera, war aber zuvor lange bei NBC und ABC im Einsatz. Sein Ziel sei, so „unsichtbar wie möglich zu sein“, sagte Wallace am Sonntag. Er wolle die Kandidaten dazu bringen, über die zentralen Themen zu diskutieren – „damit die Leute zu Hause ein Gefühl dafür bekommen, warum sie für einen von ihnen stimmen wollen“.

Vorbereitungen im Fernsehstudio der Wahldebatte
AP/Patrick Semansky
Die Bedeutung von TV-Duellen für den Ausgang der Präsidentschaftswahl gilt als eher gering

Die Spannung vor dem TV-Duell ist jedenfalls enorm – und das, obwohl sich das Abschneiden bei Präsidentschaftsdebatten in den USA in den vergangenen Jahrzehnten nur selten auf den Wahlausgang ausgewirkt hat. Auch heuer vermuten viele Fachleute, dass sich ein Gros der Wählerschaft ohnehin schon eine Meinung gebildet habe. Andere heben dagegen hervor, in einem engen Rennen könnten schon wenige Stimmen entscheidend sein – und dass der Kampf um die Unentschlossenen deswegen von großer Bedeutung ist.