US-Präsident Donald Trump bei der TV-Debatte mit Herausforderer Joe Biden
Reuters/Morry Gash
„Proud Boys, haltet euch bereit“

Trumps Kalkül mit dem rechten Rand

US-Präsident Donald Trump hat mit Aussagen über eine rechte Gruppierung namens Proud Boys einem Medienbericht zufolge Begeisterung unter deren Anhängern und Kopfschütteln bei politischen Beobachtern ausgelöst. Laut Kommentatoren zeigte das erste TV-Duell mit seinem demokratischen Herausforderer Joe Biden die tiefe Spaltung der USA.

Die „New York Times“ berichtete am Mittwoch, in privaten Kanälen in Sozialen Netzwerken hätten Proud-Boys-Anhänger Trumps Kommentar als „historisch“ gefeiert. In einem Kanal hätten Mitglieder der Gruppe die Aussage des Präsidenten als stillschweigende Billigung ihrer gewalttätigen Taktiken gewertet. In einer weiteren Nachricht heiße es, die Gruppe sehe bereits eine Zunahme der Zahl „neuer Rekruten“.

Trump hatte sich am Dienstagabend in der TV-Debatte mit Biden vor der Präsidentschaftswahl geweigert, rechtsextreme Gruppen zu verurteilen. „Wen soll ich verurteilen?“, fragte er Moderator Chris Wallace. „Proud Boys, haltet euch zurück und haltet euch bereit!“, sagte Trump danach („stand back and stand by“). Trumps Sohn Donald Trump Jr. sagte im Sender CBS, dass sich sein Vater wohl versprochen habe. Die „New York Times“ zitierte Präsidentenberater Jason Miller, der sagte, Trump habe deutlich gemacht, dass die Proud Boys Gewalt beenden sollten.

Trump verurteilt Rechtsextreme nicht eindeutig

US-Präsident Donald Trump hat sich am Dienstagabend in der TV-Debatte mit seinem Herausforderer Joe Biden vor der Präsidentschaftswahl geweigert, rechtsextreme Gruppen zu verurteilen.

NGO: Gewalttätig, nationalistisch und islamophob

Die US-Bürgerrechtsorganisation ADL stuft die Proud Boys als unkonventionelle Strömung im amerikanischen Rechtsextremismus ein. Die Gruppe könne unter anderem als gewalttätig, nationalistisch und islamophob beschrieben werden, heißt es auf der Seite der ADL. Ihre Anführer wiesen Rassismusvorwürfe aber zurück. Es sei bekannt, dass Mitglieder gewalttätige Taktiken anwenden. Mehrere Mitglieder seien wegen Gewaltverbrechen verurteilt worden.

US-Präsident Donald Trump während der TV-Debatte mit Herausforderer Joe Biden
Reuters/Brian Snyder
Donald Trump und Joe Biden in ihrem ersten TV-Duell

Biden bezeichnete Trump auch als Rassisten – nach der Tötung von George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz Ende Mai habe der Präsident versucht, „rassistischen Hass zu erzeugen, rassistische Spaltung“. Zu den teilweise gewaltsamen Unruhen im Anschluss an den Tod Floyds in Minneapolis sagte Trump, die Regierung habe dort wieder für Ruhe gesorgt, „weil wir an Recht und Ordnung glauben – und du tust das nicht, Joe“, fügte der Präsident hinzu.

Chaos offenbar als Wahlkampfstrategie

Trumps damalige Beraterin Kellyanne Conway hatte erst Ende August im Nachrichtensender Fox News gesagt, Ausschreitungen am Rande von Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt gegen Schwarze würden bei der Wahl am 3. November dem Präsidenten nutzen. „Je mehr Chaos und Anarchie und Vandalismus und Gewalt herrscht, desto besser ist es für die sehr klare Wahl, wer am besten bei öffentlicher Sicherheit und Recht und Ordnung ist.“ Das passt auch zu den liebäugelnden Aussagen von Trump in Richtung rechtsextremer Gruppierungen, gegen die er sich nie offiziell stellt.

Charlottesville gab das Muster vor

So etwa wurde 2017 der Umgang von Trump mit rechtsextremer Gewalt in Charlottesville im In- und Ausland sowie quer durch politische Lager kritisiert und von Trump eine Verurteilung und klare Distanzierung von Rassismus und rassistischer Gewalt gefordert, nachdem dieser klare Schuldzuweisungen vermieden hatte. In Charlottesville hatten Mitglieder rechter Gruppen gegen die geplante Entfernung des Denkmals eines Generals der Konföderierten-Armee demonstriert. Eine 32-jährige Frau wurde getötet, als ein Rechtsextremer sein Auto in die Gegendemonstranten steuerte.

US-Präsident Donald Trump, Melania Trump und Herausforderer Joe Biden mit Ehefrau Jill Biden vor der TV-Debatte
APA/AFP/Getty Images
Melanie und Donald Trump und Jill und Joe Biden

Schließlich beschuldigte Trump „beide Seiten“, die rechtsextremen Demonstranten sowie die friedlichen Gegendemonstranten, der Gewalt. Zuvor hatte es eine Rücktrittswelle seiner Berater als Reaktion auf Trumps Haltung gegeben. Trump bezeichnete zwar den Täter als „Schande für seine Familie und sein Land“. Gleichzeitig sagte er aber, viele Menschen hätten friedlich und „völlig rechtmäßig“ gegen die Entfernung einer „sehr wichtigen Statue“ demonstriert.

Auch bei antirassistischen Demonstrationen gegen Polizeigewalt in den letzten Monaten war das Muster der Reaktion Trumps ähnlich. Auch hier wurden friedliche Demonstranten und Demonstrantinnen mit den Ausschreitungen, die andere Gruppierungen angezettelt hatten, in einen Topf geworfen.

Umfrage: TV-Duell als anstrengend empfunden

Die Fernsehdebatte gilt denn auch in Kommentaren nicht nur wegen der beispielhaften Themen Rassismus, rechte Gewalt und Abgrenzung davon als Ausdruck eines gespaltenen Landes. „Eine absolut grauenhafte Debatte“, titelte CNN. „Die große amerikanische Shitshow“, hieß es bei Buzzfeed News. Als „dreckig“ wurde die Debatte vom „Wall Street Journal“ bezeichnet. Trump habe sich auf der „Debattenbühne“ wie ein Troll aufgeführt, fasste die „Washington Post“ das Fernsehereignis zusammen.

Duellanalyse von Andreas Pfeifer (ORF)

ORF-Auslandsressortchef Andreas Pfeifer analysierte das erste Wahlduell zwischen Donald Trump und Joe Biden.

So wurde das TV-Duell denn auch von einer großen Mehrheit der Befragten vor allem als anstrengend empfunden. In einer Blitzumfrage des Senders CBS sah eine knappe Mehrheit den demokratischen Herausforderer als Sieger. Befragt nach ihrem überwiegenden Gefühl beim Anschauen der Debatte antworteten in der CBS-Blitzumfrage 69 Prozent, die Diskussion habe sie vor allem verärgert. Nur 31 Prozent fühlten sich davon unterhalten. In der Umfrage mit mehreren Antwortmöglichkeiten gaben zudem 19 Prozent an, sie seien nach der Sendung pessimistisch. Lediglich 17 Prozent sagten, die Debatte sei für sie informativ gewesen.

Trumps Ton fiel negativ auf

Den Ton der Diskussion, bei der vor allem der republikanische Amtsinhaber Trump seinem Herausforderer wiederholt ins Wort fiel, empfanden 83 Prozent der Befragten als negativ, nur 17 Prozent als positiv. Auf die Frage, wer die Debatte gewonnen habe, nannten 48 Prozent Biden und 41 Prozent Trump. Rund zehn Prozent bewerteten den Ausgang als unentschieden.

Bis zum 3. November sind zwei weitere TV-Duelle zwischen den Präsidentschaftskandidaten geplant, bei denen sich Trump fangen könnte – auch wenn sich die Forderungen mehrten, die Debatten angesichts der Zerstörungsstrategie des Präsidenten kurzerhand zu streichen. Zugleich haben die Fernsehdebatten nur einen sehr begrenzten Einfluss auf die Wahl: Die meisten Wähler und Wählerinnen haben ihre Entscheidung bereits getroffen, und Trump-Anhänger dürften sich von dem Auftritt Trumps kaum abschrecken lassen.

Deutlich weniger Fernsehpublikum

Die erste TV-Debatte lockte deutlich weniger Zuschauerinnen und Zuschauer an als jene vor vier Jahren. Das Fachblatt „Hollywood Reporter“ berichtete von einem Rückgang um 36 Prozent auf geschätzte 28,8 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer bei den Sendern ABC, CBS, NBC und Fox.

Die erste Debatte im Wahlkampf 2016 zwischen Trump und Hillary Clinton hatten dem Bericht zufolge 84,4 Millionen Menschen bei 13 Sendern verfolgt – ein Rekord in der 60-jährigen Geschichte der Wahlduelle im amerikanischen Fernsehen.