Bildschirm mit der Aufschrift „Rule of Law Report 2020“
Reuters/Olivier Hoslet
Rechtsstaatlichkeit

Bericht der EU-Kommission als Auftrag

Am Mittwoch hat die EU-Kommission erstmals einen Bericht über die Rechtsstaatlichkeit in allen 27 EU-Staaten vorgelegt. Viele heimische EU-Politikerinnen und Politiker sahen in dem Bericht einen „ersten Schritt“ – aber auch einen Auftrag, die Demokratie in Europa zu stärken.

Europa- und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) pocht auch nach der Veröffentlichung des Rechtsstaatlichkeitsberichts der EU-Kommission am Mittwoch auf die „Verzahnung der Rechtsstaatlichkeit und dem Budget der EU“. Die EU müsse „über Mechanismen verfügen, um die Einhaltung ihrer Grundwerte wie Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechte sicherzustellen“, teilte Edtstadler in einer Aussendung mit.

Den Bericht bezeichnete die Europaministerin als einen „wichtigen Schritt und eine Chance zur Einführung eines Instruments das auf Basis gleicher Parameter die Rechtsstaatlichkeit messbar macht“. Weiters meinte Edtstadler: „Die Einhaltung rechtsstaatlicher Spielregeln und unserer Grundwerte durch alle EU-Mitgliedsstaaten ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit.“

„Inakzeptable Attacken“ Orbans

Michel Reimon, Europasprecher der Grünen im Nationalrat, sah in dem Bericht „klar, dass die Entwicklung in Ungarn ein großes Problem ist und in ihrer Dramatik einzigartig in der EU. Die Rechtsstaatlichkeit, die Medienfreiheit und damit auch die Demokratie sind bereits ernsthaft gefährdet“. Orbans Attacken auf Kommissarin Vera Jourova seien „inakzeptabel“.

Reimon thematisierte auch die Defizite, die die EU-Kommission in der Medienvielfalt feststellte: „Dazu gehört auch Österreichs stark konzentrierter Medienmarkt. Im Erhebungszeitraum wurden kritische Medien von der türkis-blauen Regierung teils gezielt von Informationen abgeschnitten, sie sollten auch finanziell an die Leine genommen werden“, so Reimon. „Inzwischen gibt es öffentliche Förderung auch für rein digitale Medien. Die derzeitigen Informationskampagnen zum Coronavirus in reichweitenstarken Medien sollten aber durch stärkere Förderungen für Qualitätsmedien und den nicht kommerziellen Rundfunk ergänzt werden.“

Lob für Kommissionsbericht

Die österreichischen EU-Abgeordneten bewerteten den Bericht über die Lage der Rechtsstaatlichkeit in allen 27 EU-Staaten grundsätzlich als positiv. Othmar Karas (ÖVP), Vizepräsident des Europäischen Parlaments, erklärte am Mittwoch auf Twitter: „Der #RuleOfLaw-Report richtet den Scheinwerfer auf die richtigen Bereiche – Unabhängige Justiz, Korruptionsbekämpfung, Pressefreiheit sowie mehr Kontrolle.“

Der Bericht dürfe jetzt aber nicht in der Schublade verschwinden, „er muss in allen Mitgliedsstaaten diskutiert werden“, so Karas. ÖVP-Europaabgeordneter Lukas Mandl ergänzte: „Der Bericht der Kommission wirft entscheidende Fragen auf und zeigt Verbesserungspotenzial auf. Das ist eine gute Grundlage für die Behandlung im Europaparlament“, so Mandl in einer Aussendung. „Großes Verbesserungspotenzial gibt es aber in etwa einem Viertel der Mitgliedsstaaten.“

„Wichtige Entscheidung der EU-Kommission“

SPÖ-Europaabgeordnete Bettina Vollath zeigte sich ebenfalls erfreut über die Berichte zur Lage der Rechtsstaatlichkeit: „Rechtsstaatlichkeit ist einer der Grundpfeiler unserer europäischen Demokratie – und diese gilt es konsequent gegen autoritäre Entwicklungen zu stärken. Es ist eine wichtige Entscheidung der EU-Kommission, die rechtsstaatliche Lage in allen EU-Ländern breit und fundiert zu beleuchten.“

Die grüne Delegationsleiterin im EU-Parlament, Monika Vana, erklärte, dass die EU-Kommission einige Rechtsstaatsdefizite in den EU-Mitgliedsstaaten „klar benannt“ habe. „Die EU-Kommission muss alle Rechtswege nutzen, um Rechtsstaatlichkeit in der EU durchzusetzen. Die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen die LGBTIQ-freien Zonen in Polen ist überfällig.“ Und sie ergänzte: „Die aktuellen Sanktionsmaßnahmen gegen Rechtsstaatsverletzer und Antidemokraten, wie Viktor Orban, sind unzureichend.“

FPÖ kritisiert „Ungarn-Bashing“

Die FPÖ äußerte sich zwar nicht direkt zum Rechtsstaatlichkeitsbericht. Wie Ungarns Regierungschef kritisierte aber auch die heimische Partei Jourova. Die Aussagen, wonach Orban in Ungarn eine „kranke Demokratie“ aufbaue, „stellen eine völlig inakzeptable Entgleisung dar“, sagte der freiheitliche Nationalratsabgeordnete Christian Hafenecker am Mittwoch in einer Aussendung. Sie betreibe „einseitiges Ungarn-Bashing, das einer Vizepräsidentin der EU-Kommission zutiefst unwürdig ist“.