Moderator Chris Wallace während der TV-Debatte zwischen US-Präsident Donald Trump und Herausforderer Joe Biden
Reuters/Jonathan Ernst
Chaotische US-TV-Debatte

Änderungen möglich, Moderator enttäuscht

„Ich bin ein Profi. So etwas habe ich noch nie durchgemacht“: Moderator Chris Wallace hat sich nach der TV-Debatte zwischen US-Präsident Donald Trump und dessen demokratischem Herausforderer Joe Biden enttäuscht über die Konfrontation gezeigt. Seine gescheiterten Versuche, zwischen den Rivalen zu kalmieren, verband Wallace mit dem Gefühl der Verzweiflung. Nach dem Chaos sollen die TV-Debatten neue Regeln erhalten.

Die Veranstalter der TV-Debatten, die seit jeher hohe Einschaltquoten erzielen, kündigten einige Änderungen am Ablauf an. Bei der Debatte zwischen Trump und Biden wurde klar, dass das Format der verbleibenden Debatten um zusätzliche Strukturen erweitert werden sollte, erklärte die Commission on Presidential Debates, ohne Einzelheiten zu nennen. Damit solle eine „geordnetere Diskussion der Themen“ sichergestellt werden.

Die überparteiliche Kommission organisiert die TV-Duelle seit 1988. Das Wahlkampfteam von Trump kritisierte die Pläne und warf der Kommission vor, „die Regeln mitten im Spiel“ zu ändern. Biden hatte die Hoffnung geäußert, dass man in Zukunft nur das Mikrofon des Sprechenden einschalten werde. Biden und Trump treffen im Oktober noch zweimal aufeinander, ihre Vizes einmal. Die Wahl findet am 3. November statt.

Wallace gegen Mikrofonabschaltung

Die Debatte am Montagabend war außer Kontrolle geraten und konnte von Moderator Wallace nicht mehr „gebändigt" werden. Trump fiel etwa Biden immer wieder ins Wort, Biden sagte zu Trump, er solle doch den Mund halten. „Ich hätte mir nie träumen lassen, dass es so aus dem Ruder laufen würde“, sagte Wallace. Auf die Frage, was er gefühlt habe, als er die Kandidaten zu weniger Unterbrechungen aufforderte, antwortete der Moderator: „Verzweiflung.“ Wallace kommt von Fox News, ist aber als unabhängig respektiert.

Moderator Chris Wallace während der TV-Debatte zwischen US-Präsident Donald Trump und Herausforderer Joe Biden
AP/Olivier Douliery
Wallace hatte die Aversion zwischen Trump und Biden offenbar unterschätzt

Wallace sprach sich gegen Vorschläge aus, den Moderatoren bei den nächsten Debatten zu ermöglichen, den Kandidaten die Mikrofone abzudrehen. „Praktisch hätte der Präsident, selbst wenn sein Mikrofon abgeschaltet gewesen wäre, weiterhin unterbrechen können“, sagte er. Ein solcher Schritt könne außerdem Konsequenzen haben, denn wenn eine Aussage unterbrochen wird, könnte dass bei den Wählern und Wählerinnen zu Irritationen führen. „Zu viele Menschen vergessen, dass diese beiden Kandidaten die Unterstützung von Dutzenden Millionen Amerikanern und Amerikanerinnen haben.“

Er habe einige Kritiken über die Debatte gelesen und verstehe auch, dass sich manche darüber aufregen, dass die Konfrontation ins Chaos gedriftet ist. Am Anfang fand Wallace das Aufeinandertreffen noch „großartig“, weil Trump direkt zu Biden sprach. „Ich fand das großartig – das ist eine Debatte“, sagte er zur „New York Times“. Allerdings ging es ihm später zu weit. Dass er versucht habe einzuschreiten, beweise seine Stimme, die danach heiser war.

Nächste Moderatoren sollten schneller reagieren

Auf die Frage, ob Trump die Debatte zum Scheitern gebracht habe, antwortete Wallace: „Nun, er hat sicherlich nicht geholfen.“ Näher wollte er das allerdings nicht ausführen. „Um den Präsidenten zu zitieren: ‚Es ist, wie es ist‘“, sagte der Moderator. Die überparteiliche Kommission, die die TV-Duelle organisiert, bemühte sich am Mittwoch, Wallace für seine „Professionalität und Geschicklichkeit“ zu loben. Doch selbst der Moderator merkte an, dass er sich zwar der Aufgabe bewusst gewesen sei. Er könne aber nicht sagen, ob er sich je als Herr der Lage gefühlt habe.

Steve Scully von C-SPAN-Network wird die nächste Debatte zwischen Trump und Biden moderieren. Es soll eine Art Rathausformat sein, in dem die Wähler und Wählerinnen im US-Bundesstaat Florida Fragen stellen werden. Kristen Welker von NBC News ist die Moderatorin der Schlussdebatte. Der Ratschlag von Wallace, wenn die Konfrontation wieder aus dem Ruder läuft: „Ich hoffe, dass sie schneller als ich begreifen, was hier vor sich geht. Ich hatte diese Vorwarnung nicht.“

Nach der Debatte flog Wallace laut „New York Times“ am Dienstagabend von Cleveland nach Hause. Auf einem Flughafen dort habe er ein Glas Champagner von Lachlan Murdoch, dessen Familie die Fox Corporation kontrolliert, und Suzanne Scott, der Geschäftsführerin von Fox News, entgegengenommen. Beide waren bei der Debatte anwesend. „Mir war nicht gerade nach Feiern zumute“, sagte Wallace. „Ich habe getan, was ich konnte, also habe ich keine Bedenken. Ich bin einfach enttäuscht von den Ergebnissen und enttäuscht, dass es kein nützlicher Abend für die Zuschauer wurde.“

Nach der Debatte ist vor der Debatte

Trump nutzte am Mittwochabend (Ortszeit) einen Wahlkampfauftritt in Duluth (Minnesota), um vor Anhängern seine Version der Debatte zu schildern und seine Angriffe auf Biden fortzusetzen. „Ich habe Joe Biden für seine 47 Jahre der Lügen, 47 Jahre des Verrats und 47 Jahre des Scheiterns zur Rechenschaft gezogen“, sagte Trump zu Beginn seines Auftritts in Anspielung auf die lange politische Karriere seines Kontrahenten. „Joe Biden ist zu schwach, um dieses Land zu führen“, behauptete Trump.

Anders sah das Biden. Er schrieb auf Twitter: „Letzte Nacht hat untermauert, warum ich in dieses Rennen eingestiegen bin: Wir befinden uns in einem Kampf um die Seele dieser Nation – und es ist ein Kampf, den wir gewinnen müssen.“

Mehr als 73 Millionen Menschen in den USA sahen jedenfalls die erste Debatte. Nach Angaben des Instituts Nielsen vom Mittwochabend (Ortszeit) waren das deutlich weniger Zuschauer und Zuschauerinnen als 2016, als schätzungsweise 84 Millionen Menschen die erste Debatte zwischen Trump und der demokratischen Präsidentschaftsbewerberin Hillary Clinton schauten. Es war die meistgesehene aller bisherigen TV-Debatten zwischen US-Präsidentschaftskandidaten. Bei den diesjährigen Zahlen ist allerdings zu beachten, dass Nielsen nicht alle Onlinedienste erfasst, die die Debatte gestreamt haben.