WIFO-Leiter Christoph Badelt, IHS-Direktor Martin Kocher, Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne)
APA/Hans Punz
CoV-Studie

Warnung vor den sozialen Folgen

Die wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Epidemie haben laut einer Teilstudie zumindest bei Unselbstständigen bisher „abgefedert“ werden können. Grund dafür sei rasches Gegensteuern, so Forscher bei der Präsentation der vom Sozialministerium in Auftrag gegebenen Studie, welche die „sozialen Verwerfungen“ der Krise ermitteln sollte. Es wurde aber auch gewarnt, dass die Arbeitslosigkeit hoch bleibt und existenzielle Nöte für viele Realität sind. Letzteres könnte sich vor allem bei Selbstständigen noch zeigen.

Laut den beiden Wirtschaftsforschern Martin Kocher vom Institut für Höhere Studien (IHS) und Christoph Badelt vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) hat die Krise zwar für eine Explosion der Staatsausgaben, einen starken Anstieg der Arbeitslosigkeit und einen Einbruch beim BIP gesorgt. Die raschen wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Regierung und der Wille, Geld in die Hand zu nehmen, hätten aber die Krisenfolgen „ganz wesentlich abgefedert“, so Badelt bei der Teilpräsentation der Studie, bei der auch Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) anwesend war.

„Die tiefste Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg muss auch zu sozialen Verwerfungen führen“, so Kocher. Er verwies auf das BIP, das gegenüber dem Vorjahr um sechs bis sieben Prozent sinken dürfte. Auch die Beschäftigung sei „massiv eingebrochen“ – das ziehe auch die stärksten sozialen Implikationen nach sich. Bei der Erholung werde es einen langen Atem brauchen: Die Forscher rechnen damit, dass bei der Arbeitslosigkeit das Vorkrisenniveau nicht vor 2024 erreicht wird. Besonders betroffen seien übrigens junge Menschen, die jetzt auf den Arbeitsmarkt kommen und in vielen Fällen große Schwierigkeiten haben, einen Job zu finden.

Frage der „Corona-Arbeitslosen“

Trotzdem konnten die Wirtschaftsforscher auch gute Nachrichten liefern: Eine Simulation der unselbstständigen Haushaltseinkommen habe gezeigt, dass die Auswirkungen der Coronaviruskrise im Gesamtaggregat „nicht massiv waren“. Die Einkommensverluste seien durch staatliche Transferzahlungen in engen Grenzen gehalten worden, das sei eine „sehr positive Nachricht“.

IHS-Direktor Martin Kocher, WIFO-Leiter Christoph Badelt, Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne)
APA/Hans Punz
Badelt (WIFO), Kocher (IHS) und Sozialminister Anschober präsentierten den ersten Teil der Studie

Bei den Unselbstständigen sei es ein „ganz massiver“ Unterschied, ob man durch das Coronavirus arbeitslos geworden sei oder nicht. Höher verdienende „Corona-Arbeitslose“ hätten die größten finanziellen Einbußen erlitten – rund vier Prozent minus im vierten und fünften Einkommensquintil. In der Gesamtperspektive hätten Geringverdiener des ersten Einkommensquintils sogar leicht gewonnen: Insbesondere Menschen, die bereits länger arbeitslos waren, hätten von Transferzahlungen wie der Einmalzahlung für Arbeitslose profitiert.

Allerdings betonte Kocher: „Dies ist kein Widerspruch dazu, dass einzelne Menschen in massive soziale Probleme gekommen sind. Auf die wird man zurückkommen müssen, weil der Durchschnitt bildet nicht die Lebensrealität Einzelner ab.“ Ein weiterer Vorbehalt ist, dass die Studie noch keine Zahlen zu den schwer getroffenen Einpersonenunternehmen liefert, das sollte folgen: „Im Einzelfall befinden sich Menschen an der materiellen Existenz. Das wird sich bei den Einzelunternehmen zeigen“.

Badelt: Staatsausgaben müssen bleiben

„Die Krise trifft nicht jede Bevölkerungsschicht gleich“, so auch Badelt. Er warnte, dass der künftige Umgang mit Arbeitslosen und Menschen in Kurzarbeit entscheidend für den weiteren Verlauf der Krise sei. Ein Zurückfahren der Staatsausgaben sei jedenfalls nicht denkbar. Vielmehr empfahl Badelt, in den Hintergrund gerückte gesellschaftspolitische Probleme wie die Pflege oder die Klimakrise mit der CoV-Wirtschaftspolitik zu verknüpfen.

Grafik zeigt Daten zum Arbeitsmarkt während der Coronaviruskrise
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: AMS/BMAFJ

Badelt lobte, dass durch die Staatsausgaben ein gutes Krisenmanagement gelungen sei: „Wir haben eine einmalige Ausdehnung der Aktivitäten des öffentlichen Sektors, und das ist gut so. Das ist ein Brechen mit allen vorherigen finanzpolitischen Prinzipien.“ Durch die rasche Intervention habe es „massive Ausgaben der öffentlichen Hand“ und eine enorme Steigerung des Defizits gegeben. Während die Einnahmenseite vor allem durch Ausfälle im Bereich Einkommen- und Vermögenssteuer sowie der Umsatzsteuer leide, seien Subventionen nahezu „explodiert“ und die Sozialausgaben enorm gestiegen.

Nach den Maastricht-Kriterien wird beim Staatsdefizit ein Absturz von 0,7 Prozent plus auf zehn Prozent minus prognostiziert – laut Badelt „einmalig“. Die Staatsverschuldung werde um fast 15 Prozentpunkte von 70 auf 85 steigen. Diese Ausgaben seien aber adäquat und hätte die negativen Folgen stark abgemildert, so Badelt.

Auswirkungen auf Sozialversicherung

Beide Wirtschaftsforscher merkten an, dass die Einbrüche auf dem Arbeitsmarkt auch starke Auswirkungen auf die Sozialversicherungen haben. Belastungen durch geringe Beitragseinnahmen stünden gestiegenen Ausgaben gegenüber, zudem sei die Stundung von Sozialversicherungsbeiträgen ein erheblicher Unsicherheitsfaktor. Gleichzeitig würde ein starker Rückgang bei den Krankenständen die Sozialversicherungen aber auch entlasten.

Hohe Arbeitslosigkeit in Österreich

Derzeit haben rund 409.000 Menschen in Österreich keinen Job. Das sind um 74.400 mehr als im Vorjahr. Besonders junge Menschen sind betroffen. Es wird zudem erwartet, dass die Zahlen noch weiter steigen werden.

Wie Österreich am Ende durch die Krise gekommen sein werde, hänge davon ab, wie lange diese noch dauern wird, waren sich die zwei Experten einig. Wenn es 2021 schon bergauf geht, werde es in Österreich gut gelaufen sein, wenn es länger dauere, werde die Lage kritisch, sagte Kocher. Dabei hänge auch viel an der zeitigen Zulassung eines Impfstoffes.

Anschober mahnte einmal mehr, dass aus der Gesundheitskrise keine Wirtschaftskrise und in der Folge eine soziale Krise werden dürfe. Die drei Bereiche seien „unabdingbar miteinander verwoben, ein Bereich hat massive Auswirkungen auf den anderen“. Er mahnte auch zur Einhaltung der Regeln, um das Infektionsgeschehen zu reduzieren. Wer nicht mitmache, gefährde neben der Gesundheit auch die Wirtschaft.