Eriwan und Baku werfen einander Angriffe auf Zivilisten vor

Im Konflikt um die Südkaukasus-Region Bergkarabach haben sich Armenien und Aserbaidschan gegenseitig beschuldigt, gezielt die Zivilbevölkerung unter Beschuss zu nehmen. Der aserbaidschanische Präsidentschaftsberater Hikmet Hadschijew teilte gestern Abend via Twitter mit, armenische Streitkräfte hätten Raketenangriffe gegen „aserbaidschanische Zivilisten und zivile Infrastruktur“ geflogen.

Das armenische Außenministerium wiederum warf den aserbaidschanischen Truppen vor, bei Angriffen auf Stepanakert und weitere Städte „bewusst die Zivilbevölkerung anzugreifen“.

Explosionen in größten Städten

Nach armenischen Angaben bombardierten aserbaidschanische Soldaten gestern erneut die Hauptstadt der selbst ernannten Republik Bergkarabach, Stepanakert. AFP-Reporter berichteten von zahlreichen Explosionen und schwarzen Rauchwolken über der Stadt. Aus Stepanakert und der Stadt Schuscha wurden Tote und Verletzte gemeldet.

Das aserbaidschanische Verteidigungsministerium erklärte, armenische Truppen hätten die zweitgrößte aserbaidschanische Stadt Gandscha bombardiert. Auf Videoaufnahmen waren zerstörte Häuser in der 330.000-Einwohner-Stadt zu sehen. Hadschijew sagte, armenische Streitkräfte hätten darüber hinaus die Industriestadt Mingetschawir und den rund 80 Kilometer von der Hauptstadt Baku entfernten Bezirk Abscheron angegriffen.

Tonfall deutlich schärfer

Eine Woche nach Beginn der heftigen Gefechte um die umstrittene Region Bergkarabach ist der Tonfall zwischen den Konfliktparteien deutlich schärfer geworden. Internationale Vermittlungsversuche blieben bisher erfolglos. Die De-facto-Regierung in Bergkarabach drohte gestern mit einer Ausweitung der militärischen Aktivitäten auf „das gesamte Staatsgebiet Aserbaidschans“.

Russland besorgt

Unterdessen wächst im Ausland die Sorge vor einer weiteren Eskalation des Konflikts. Russland zeigte sich besorgt angesichts steigender Opferzahlen in der Zivilbevölkerung. Es sei eine schnellstmögliche Waffenruhe notwendig, forderte Außenminister Sergej Lawrow. Nach Angaben seines Ministeriums in Moskau telefonierte er gestern Abend mit seinem armenischen Kollegen Sohrab Mnazakanjan.

Armenien sieht Russland als Schutzmacht, während die Türkei der engste Verbündete der öl- und gasreichen Ex-Sowjetrepublik Aserbaidschan ist. Der armenische Ministerpräsident Nikol Paschinjan hatte am Wochenende eine stärkere Rolle Russlands ins Gespräch gebracht.

Über mögliche russische Friedenstruppen sollte in der Minsker Gruppe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) diskutiert werden, schlug er vor. In diesem Format vermitteln Russland, Frankreich und die USA in dem Konflikt.