Wirtschaftsministerin Margarethe Schramböck
APA/Herbert Pfarrhofer
Arbeit

Regierung setzt auf Maßnahmenmix

Die Stärkung des Wirtschaftsstandorts und die Sicherung von Arbeitsplätzen haben für die Regierung nach eigenen Angaben Priorität: Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) stellte am Montag ihre Standortstrategie vor. Neben Investitionen in die Digitalisierung umfasst diese die Investitionsprämie und den Abbau von Bürokratie. „Arbeit wird unser zentrales Thema der nächsten Monate werden", hatte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zuvor gesagt.

Nachdem sich die heimische Wirtschaft im Sommer erholen konnte, „stehen wir jetzt vor den Herausforderungen des Herbstes“, sagte Schramböck. Sie warnte vor einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Entwicklung. Der wöchentliche BIP-Indikator der Nationalbank sei in den letzten beiden Wochen wieder zurückgegangen. Die Erholung bremse sich merklich ein, so die Ministerin.

Ein erster Schwerpunkt der Strategie sei die Digitalisierung – 20 Prozent aus dem Recovery-Fonds der Europäischen Union (EU) sollen in die Digitalisierung fließen. Laut Schramböck sind das 600 Millionen Euro. Knapp die Hälfte aller neu entstandenen Jobs in Österreich seien auf die Digitalisierung zurückzuführen, so Schramböck.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Investitionsprämie, die sich bereits in Umsetzung befindet und zuletzt von einer auf zwei Milliarden Euro erhöht wurde. Investitionen von 5.000 Euro bis maximal 50 Mio. Euro werden mit einer Prämie von sieben Prozent gefördert. Wenn die Investition in Zusammenhang mit Digitalisierung, Ökologisierung, Gesundheit oder „Life Science“ steht, steigt die Prämie auf 14 Prozent. Ausgeschlossen von der Förderung sind klimaschädliche Investitionen sowie Investitionen in unbebaute Grundstücke, in Finanzanlagen, Übernahmen und in aktivierte Eigenleistungen.

Zuversicht bei Fixkostenzuschuss

Außerdem wurden Betriebe aus den Sektoren Wasserstoff, Halbleiter und „Low Carbon Industry“ dazu aufgerufen, ihre Bedürfnisse in Gesprächen mit der Regierung anzugeben und sich an der „Transformation“ der Bereiche zu beteiligen. Abschließend kündigte Schramböck an, Bürokratie abbauen zu wollen.

Beim Fixkostenzuschuss gab sich Schramböck zuversichtlich, dass eine Einigung mit der EU-Kommission gelinge. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager habe ihr bereits eine Obergrenze von zwei Mio. Euro zugesagt, Österreich wolle aber weiter fünf Mio. Euro.

Treffen mit Stelzer

Ihre Pläne für ein „Österreich-Konsortium“ für das MAN-Werk in Steyr wolle sie am Dienstag mit Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) besprechen, kündigte Schramböck an. Zuvor hatte der Bundeskanzler ein Treffen mit Stelzer für Dienstag angekündigt.

Dabei sollen die bereits laufenden Beratungen zwischen der Bundesregierung und der Landesregierung über die Rettung der Arbeitsplätze beim Lkw- und Bushersteller MAN vertieft werden. Der Konzern hatte ja Ende September die Beschäftigungssicherungs- und Standortverträge für die Werke in Deutschland und Österreich (Steyr) aus wirtschaftlichen Gründen gekündigt.

„Jede Infektion potenzielle Gefahr für Standort“

„Jede Neuinfektion ist eine potenzielle Gefahr für den Standort“, warnte die Ministerin auch. Die hohen CoV-Zahlen würden Reisewarnungen auslösen, die in weiterer Folge Arbeitsplätze gefährden. Man müsse alles dafür tun, dass insbesondere die Reisewarnungen Deutschlands und der Niederlande aufgehoben werden, sagte sie.

Sie schloss sich der Forderung des ÖVP-Spitzenkandidaten für die Wien-Wahl, Finanzminister Gernot Blümel, an, der die Vorverlegung der Sperrstunde in Wien auf 22.00 Uhr gefordert hatte. Wien hat sich statt einer Vorverlegung der Sperrstunde für eine Registrierpflicht entschlossen. Auch in Niederösterreich versucht man, mit Gästeblättern in Regionen mit der Ampelfarbe Orange eine frühere Sperrstunde zu vermeiden.

Aus der Wirtschaftskrise dürfe keine soziale Krise werden, so Schramböck. Österreich brauche einen „nie da gewesenen Schulterschluss“ von Politik und Arbeitgebern sowie Arbeitnehmern, so die Ministerin. Betriebsschließungen müssten vermieden werden.

Kurz: „Wir führen einen Dreikampf“

In dieselbe Kerbe hatte Kurz in einer Stellungnahme geschlagen. Er wolle das Thema Arbeit neben der Bekämpfung der Pandemie zum zentralen politischen Thema im nächsten halben Jahr machen. Neben der Gesundheitskrise soll eine anhaltende Wirtschafts- und Arbeitskrise „mit allen Mitteln“ verhindert werden, teilte der Regierungschef der APA mit. „Wir führen einen Dreikampf: den Kampf um jeden Covid-Patienten, den Kampf um jeden Betrieb und den Kampf um jeden Arbeitsplatz“, so Kurz.

Bundeskanzler Sebastian Kurz
APA/Georg Hochmuth
Kurz will Landeshauptleute, Sozialpartner und Wirtschaftsforscher treffen

„Arbeit wird unser zentrales Thema der nächsten Monate werden. Überall, wo Betriebsschließungen drohen oder Abwanderungen ins Ausland angedacht sind, werden wir mit aller Kraft um jeden Arbeitsplatz kämpfen“, sagte der Bundeskanzler. Die Weltwirtschaftskrise stelle auch Österreich vor „enorme Herausforderungen“. „Wir sind ein exportorientiertes Land, und es brechen derzeit wichtige Märkte weg. Ganze Branchen wie der Tourismus kommen zum erliegen.“

„Eine Betriebsschließung bedeutet nicht nur für jeden Unternehmer den Ruin“, sondern gefährde auch die Existenz aller Mitarbeiter und deren Familien, so Kurz. Als Maßnahmen will der ÖVP-Obmann die bestehenden Hilfsprogramme verlängern – „und mit der Arbeitsstiftung sowie der Kurzarbeit gezielte Instrumente einsetzen“. Dazu wolle er in den kommenden Tagen und Wochen eine Reihe von Gesprächen, etwa mit den Landeshauptleuten, Wirtschaftsforschern, Fachleuten und den Sozialpartnern, führen.

Opposition übt Kritik

Nach Ansicht von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sei die Regierung in puncto Hilfen für Arbeitnehmer und Wirtschaft säumig. Dass nun ein Betrieb nach dem anderen Personal abbaue, habe sich schon vor Wochen abgezeichnet. Da sei die Regierung aber noch in ihrem Sommerschlaf gewesen. Gespannt ist Rendi-Wagner darauf, was die Koalition nun in ihrem Budget vorlegt. Dieses sei eine Nagelprobe, denn „das Budget muss die in Zahlen gegossene Antwort auf diese Jobkrise sein und nichts anderes“.

NEOS forderte erneut eine Freeze-Lösung für Branchen, die anders nicht überleben werden können. Kreditraten, Zinszahlungen und Steuern sollen Betrieben für ein Jahr ausgesetzt werden, wenn sie nicht aufsperren. Auch ein Bonus-Malus-System bei der Kurzarbeit fordert NEOS.

„Wirtschaftspolitische Inkompetenz“

„Das Wichtigste ist allerdings, dass die Wirtschaftshilfen auch ankommen“, sagte NEOS-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn, der sich gegen eine Vorverlegung der Sperrstunde aussprach: „Und hier zeigt sich immer mehr, dass das österreichische Hilfspaket etwa deutlich hinter dem deutschen Paket zurückbleibt – die rasche und unbürokratische Hilfe wurde zwar täglich in irgendwelchen Pressekonferenzen angekündigt, hat aber nicht stattgefunden.“

„‚Die Digitalisierung als Impfstoff für die Wirtschaft‘ – mehr wirtschaftspolitische Inkompetenz geht wohl nicht mehr“, sagte FPÖ-Wirtschaftssprecher Erwin Angerer über die Maßnahmen. Die Ministerin solle "erklären, wie eine Digitalisierung bei den gefährdeten oder schon verlorenen Arbeitsplätzen wie etwa bei ATB, MAN Steyr, FACC, Doka, Swarovski oder Casinos Austria helfen soll.“

ÖGB fordert erneut weiteres Konjunkturpaket

Der Gewerkschaftsbund (ÖGB) drängte indes erneut auf ein weiteres Konjunkturpaket. „Wann wenn nicht jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, das zu tun?“, sagte ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian am Montag im Ö1-Morgenjournal. Auf einen genauen Betrag für die Konjunkturspritze wollte sich Katzian nicht festlegen.

Im September hatte er ein Konjunkturpaket in Höhe von „einigen Milliarden“ gefordert. Neben der von der Regierung bereits umgesetzten Mehrwertsteuersenkung und der Investitionsprämie sieht der ÖGB-Chef Bedarf für zusätzliche Investitionen vor allem im Bereich der Gemeinden, im öffentlichen Verkehr, bei Digitalisierung und Bildung, Wohnen sowie Umwelt- und Energiepolitik. Auch mehr Mittel im Sozialbereich, etwa bei der Pflege, wären notwendig. Bei den Arbeitsmarkt- und Konjunkturmaßnahmen der Regierung gebe es „noch Luft nach oben“, so Katzian.

Ende September waren knapp 409.000 Arbeitslose und Schulungsteilnehmer beim Arbeitsmarktservice (AMS) gemeldet, ein Plus von 22 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Dem standen rund 67.000 sofort verfügbare offene Stellen gegenüber. „Es gibt einfach zu wenig Arbeit“, sagte der ÖGB-Chef im Radiointerview.