Wahlkarte zur Wien-Wahl 2020 beim Einwurf in den Postkasten
ORF.at/Zita Klimek
Viele Briefwähler

Schwieriges Hochrechnen bei Wien-Wahl

Die Hochrechnungen am Abend der Wien-Wahl am 11. Oktober dürften mit größeren Unsicherheiten behaftet sein als gewohnt. Der Grund dafür ist einmal mehr das Coronavirus. Wegen der Pandemie ist nämlich mit mehr Briefwählerinnen und -wählern zu rechnen als bei vergangenen Wahlen. Am Sonntag um 17.00 Uhr wird es eine Trendprognose geben.

Sowohl Christoph Hofinger vom Insitut SORA, das am Wahlabend die Hochrechnungen für den ORF erstellt, als auch Franz Sommer von der ARGE Wahlen, die für die APA hochrechnet, verwiesen auf den besonderen Umstand der Wahl. Insgesamt wurden 382.214 Wahlkarten beantragt, das sind so viele wie noch bei keiner Wien-Wahl zuvor. Zum Vergleich: 2015 wurden 203.874 Wahlkarten ausgestellt – mehr dazu in wien.ORF.at.

Hofinger sagte, dass aufgrund der vielen Briefwählerinnen und Briefwähler am Wahlabend eine deutlich größere Stimmenanzahl als üblich noch nicht ausgezählt sein wird, was die Hochrechnungen schwieriger macht: 2015 kamen für 100 Stimmen, die am Sonntag ausgezählt waren, bei der Auszählung am Montag 22 abgegebene Wahlkarten dazu. „Heuer werden es wahrscheinlich 70 oder vielleicht sogar 80 (Briefwahlstimmen, Anm.) sein“, die pro 100 Urnenstimmen dazukommen. Es dürften also am Sonntag nur etwas mehr als die Hälfte der Stimmen ausgezählt werden.

Andere Struktur der Briefwähler möglich

Hofinger rechnet mit einem Anteil an Briefwahlstimmen im Ausmaß von über 40 Prozent. Dazu kommt, dass durch den großen Ansturm das endgültige vorläufige Endergebnis eventuell erst am Dienstag feststehen könnte, da die Wahlkarten erst ab Montag ausgezählt werden und das ob der Fülle an Briefwahlstimmen womöglich an einem Tag nicht zu schaffen sein wird.

Hinweis

ORF.at berichtet am Sonntag laufend über die Wien-Wahl. Um 14.00 Uhr startet der Liveticker in ORF.at.

Die Relation zwischen Urnenstimmen und Briefwahlstimmen bei der Wahl 2015 sei etwa bei 85 zu 15 gelegen, sagte Sommer. „Diesmal ist zu erwarten, dass es ganz anders aussehen wird.“ Man wisse noch nicht, ob der Briefwahlstimmenanteil bei 30 Prozent oder noch höher liegen werde. Die Unsicherheit werde jedenfalls auch nach Vorliegen des Urnenergebnisses wesentlich höher sein als früher.

Wahlkarten zur Wien-Wahl 2020
ORF.at/Zita Klimek
Viele Wähler und Wählerinnen haben schon vor dem eigentlichen Wahltag ihre Stimme abgegeben

Laut beiden Experten wird auch die Struktur der Wählerinnen und Wähler, die über die Briefwahl gewählt haben, eine andere sein als 2015. „Das hat zur Folge, dass man Erfahrungswerte von früher nicht mehr übertragen kann“, so Sommer. Es sei schwer zu schätzen, wie sich die Wähler und Wählerinnen der einzelnen Parteien in Sachen Wahlkarten verhalten werden, sagte auch Hofinger.

Um 17.00 Uhr erst Trendprognose

Eine weitere Schwierigkeit bei der Erstellung der Hochrechnung bei dieser Wahl stellt laut Sommer auch der Umstand dar, dass es aufgrund der zu erwartenden starken Verluste der FPÖ von bis zu 20 Prozentpunkten zu starken Verschiebungen im Kräfteverhältnis zwischen den Parteien kommen dürfte. „Je stärker die Verschiebungen sein werden, desto schwieriger ist es, ein Ergebnis möglichst genau hochzurechnen.“

Bei Wahlschluss um 17.00 Uhr wird jedenfalls noch keine Hochrechnung vorliegen, sondern lediglich eine Trendprognose. Dazu wird eine Wahltagsbefragung veranlasst, aufgrund derer diese erste Prognose dann erstellt wird. Die ersten Hochrechnungen sind gegen 18.00 Uhr zu erwarten, wobei bei diesen wie gewohnt auch eine Schätzung der Briefwahlstimmen enthalten sein wird. Hofinger rechnet damit, dass am Wahlabend selbst nach Vorliegen des Urnenergebnisses die Hochrechnungen noch mindestens eine Unsicherheit von einem Prozentpunkt aufweisen werden.

Christoph Hofinger (SORA)
APA/Herbert Pfarrhofer
Hofinger macht mit dem Institut SORA für den ORF die Hochrechnung am Wahlabend

Relevant werden könnte das am Wahlabend bei besonders knappen Abständen zwischen zwei Parteien – und bezüglich der Frage, ob eine Partei knapp über oder unter der für den Einzug in den Landtag notwendigen Fünfprozenthürde zu liegen kommt. Das könnte laut Umfragen das Team Strache (TS) betreffen, das laut den Erhebungen mit vier, fünf Prozent der Stimmen rechnen kann. Sollte die Hochrechnung inklusive Wahlkartenschätzung etwa für das TS 4,2 Prozent ausweisen, könnte sich durch die Wahlkarten theoretisch noch eine entscheidende Änderung ergeben, so Hofinger.

Coronavirus könnte Wahlbeteiligung drücken

Die Frage der Fünfprozenthürde hat nicht nur auf die betroffene Partei Auswirkungen, sondern auch auf die Mandatsverteilung: Laut Sommer kann eine Partei, die mit knapp über fünf Prozent einzieht, mit etwa fünf Mandaten rechnen. Diese sind im Falle eines Scheiterns dann wieder auf die übrigen Parteien aufzuteilen – ein Umstand, der auch die Mandatshochrechnung am Wahlabend nicht einfach macht.

SORA-Institut: Bedeutung der Wahlkarten

Was die Rekordzahl der Wahlkarten für die Wien-Wahl für Prognose und Ergebnis bedeutet und welche politische Trends sich abzeichnen, hat der ORF-Hochrechner Christoph Hofinger von SORA-Institut am Donnerstag erläutert.

Unsicher ist auch die Erwartung hinsichtlich der Wahlbeteiligung. „Insgesamt wird das Coronavirus kein Wahlbeteiligungsturbo sein, weil es doch viele geben wird, die zu Hause bleiben“, so Hofinger. Er verwies auch darauf, dass die Wahlbeteiligung meist sinkt, wenn eine Partei gröbere Mobilisierungsschwierigkeiten hat (wie diesmal die FPÖ).