Laboruntersuchung zur Abklärung des Coronavirus
APA/Hans Punz
Mehr als im April

Höchstwert bei aktuell Infizierten

Am Dienstag hat es in Österreich so viele bestätigte aktive SARS-CoV-2-Infizierte wie noch nie seit Beginn der Coronavirus-Pandemie gegeben. Innen- und Gesundheitsministerium vermeldeten mit Stand 9.30 Uhr 9.207 Fälle, womit der bisherige Rekordwert von 9.123 Infizierten am 3. April übertroffen wurde. Allerdings: Aufgrund der wesentlich höheren Testzahl sind Vergleiche mit dem Frühjahr nur bedingt aussagekräftig.

Im Tagesvergleich (Vergleichszeitpunkt: 9.30 Uhr) wurden laut Information der beiden Ministerien 923 positive Tests eingemeldet. ORF.at bezieht sich bei der Zahlenmeldung üblicherweise auf das Dashboard des Gesundheitsministeriums mit 11.00 Uhr als Vergleichszeitpunkt. Nach dieser Zählung beträgt der Zuwachs 1.035 Fälle.

Aus Wien wurden 399 Neuinfektionen binnen 24 Stunden berichtet, allerdings sind diese laut medizinischem Krisenstab der Stadt teilweise noch Nachträge vom Wochenende: Die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) habe am Wochenende an ihrer Schnittstelle zum Epidemiologischen Meldesystem (EMS) des Bundes gearbeitet, hieß es in einer Aussendung. Deswegen seien Teile der positiven Befunde ihres Labors am Wochenende nicht eingemeldet worden. Diese fehlenden Befunde sind in der Meldung am Dienstag enthalten.

Neues Dashboard, neue Zahlen

Für etwas Verwirrung sorgte am Dienstag die Umstellung der Datenkommunikation: Ein neues Dashboard der AGES nahm den Betrieb auf und ersetzt damit jenes des Gesundheitsministeriums. Und da waren mit 11.274 plötzlich rund 2.000 aktive Fälle mehr verzeichnet. Der Grund: Im „alten“ Board bereits eingerechnete Genesene sind in der neuen Darstellung noch nicht berücksichtigt.

Günther Mayr (ORF) über die Zahl der CoV-Infektionen

ORF-Wissenschaftsexperte Günther Mayr spricht über den Rekordwert der aktiven CoV-Infektionen und die möglichen Auswirkungen.

498 Covid-19-Patienten mussten am Dienstag im Krankenhaus behandelt werden, 101 davon auf Intensivstationen. Österreichweit wurden vier Tote mehr als am Montag vermeldet, insgesamt 822 Personen sind bisher an den Folgen des Coronavirus verstorben. Das laufend aktualisierte Dashboard des Gesundheitsministeriums übersprang mit Stand 11.00 Uhr die Marke von 50.000 positiven Tests. Es waren 50.004 Menschen jemals positiv getestet worden – das entspricht 0,56 Prozent der heimischen Bevölkerung.

Leichter Anstieg auf Intensivstationen

Mit dem Anstieg der Neuinfektionen steigt auch die Belegung der Intensivbetten. Laut Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) liegt die Auslastung etwa bei fünf Prozent der insgesamt 2.000 Intensivbetten. Rund die Hälfte davon ist in Wien. Die bisherige Höchstzahl wurde mit 267 Intensivpatienten am 8. April verzeichnet. Im Laufe des April und Mail ging diese Zahl zurück und verblieb von Juli bis August bei unter 30 Covid-19-Patienten. Seit dem 9. September steigt der Intensivbelag wieder, hat jedoch Anschober zufolge „bisher das Niveau von April nicht wieder erreicht“.

Aktuell benötigten 0,8 Prozent der positiv Getesteten Intensivbetreuung. Dieser Wert habe sich seit dem neuerlichen Anstieg im September bisher nur geringfügig erhöht. „Im Vergleich dazu lag dieser Wert in den anfänglichen Epidemiephasen bis 15. April noch bei 2,4 Prozent", so Anschober in der Aussendung. In der Epidemiephase von 16. April bis 31. August konnten dem Minister zufolge sowohl eine niedrigere Todesrate als auch kürzere Belagsdauern als zuvor auf Intensivstationen beobachtet werden. „Insgesamt deutet das auf eine verbesserte medizinische Behandlung von Covid-19-Patientinnen und -Patienten hin“, so Anschober.

Weit mehr Tests als im Frühjahr

In den vergangenen 24 Stunden wurden bis 9.30 Uhr österreichweit 18.237 Tests in das EMS eingespeist, 923 und somit rund fünf Prozent der SARS-CoV-2-Tests waren positiv. Die hohe Anzahl an Tests ist auch einer der Gründe, wieso die Zahl der aktiven Fälle jetzt mit dem bisherigen Höchstwerte Anfang April nur bedingt vergleichbar ist. Damals variierte die Zahl der täglichen Tests zwischen 3.000 und 6.000. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass im Frühjahr die Dunkelziffer der nicht registrierten Infektionen deutlich höher war als heute.

Nicht der einzige Indikator

Allerdings mehrte sich von Expertenseite zuletzt die Kritik, dass die Fallzahlen der positiv Getesteten als einzigen Indikator für das Pandemiegeschehen überbewertet würden. Tatsächlich sind die Zahlen der neuen positiven Tests etwa in der Kommission zur Coronovirus-Ampel nur ein Faktor. Für die Risikoeinschätzung werden dort weitere Kriterien herangezogen: die Anzahl der Tests, die Versorgungslage mit Spitalsbetten sowie die Rückverfolgbarkeit der Übertragungskette, also wie oft die Infektionsquelle bekannt ist.

Was sagen PCR-Tests aus?

Experten, zuletzt etwa am Montag die Österreichische Gesellschaft für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin (ÖGIT) in einer Stellungnahme, weisen zudem darauf hin, dass ein positiver PCR-Befund bei einer symptomfreien Person „noch keine Infektionsdiagnose“ darstelle und nichts über die Infektiosität der getesteten Person aussage. Die Mediziner reagierten damit auch auf die seit längerer Zeit kursierende Debatte, ob PCR-Tests salopp gesagt zu genau sind.

Relevant dabei ist der Ct-Wert, der als Mengenmaß der vorhandenen Virus-RNA gilt: Je niedriger der Ct-Wert, desto höher die Virenlast. Das deutsche Robert-Koch-Institut geht davon aus, dass sich das Virus ab einem Wert von 30 nicht mehr vermehren kann. Auch in den Empfehlungen des Gesundheitsministeriums zur „Entlassung von Covid-19-Fällen aus der Absonderung“ wird dieser Wert genannt – mehr dazu in science.ORF.at

Keine einheitlichen Standards

Allerdings: In Laboren gibt es keine verbindlichen Standards, wie hoch der Wert für einen positiven Test sein muss. Die Kritik lautet, dass viele positiv Getestete nicht mehr infektiös sind. Die Schätzungen, wie viele als Infiziert geltende Menschen das betrifft, gehen allerdings auseinander. Unter „Coronavirus-Skeptikern“ wird in einschlägigen Foren die Zahl jedenfalls enorm hochgespielt.

Per Test lässt sich auch nicht feststellen, in welcher Phase der Infektion sich der Getestete befindet: Klingt sie bereits ab, ist die Infektiosität tatsächlich geringer, eine niedrige Virenlast kann aber auch zu Beginn der Infektion auftreten – also noch vor der hochinfektiösen Phase. Auch die Qualität der genommenen Probe kann den Ct-Wert beeinflussen.

Testen! Testen! Testen?

Ebenfalls lauter wird die Kritik an „ungezielten Massentestungen“, wie es die ÖGIT formulierte. Nachdem Epidemiologen und auch die AGES in den vergangenen Wochen schon in dieselbe Kerbe geschlagen hatten, wurden die Mediziner in ihrer Stellungnahme noch deutlicher: „Das unsystematische, unreflektierte, großflächige Testen sowie das Screenen im Tourismusbereich oder anderen Bereichen des Gesellschaftslebens (hauptsächlich gesunde und symptomlose Personen) ist kein geeignetes Mittel, um eine präzise Information zur epidemiologischen Situation zu erhalten bzw. um die Pandemie einzudämmen“, betonten sie.

Präventives Testen ohne begründeten Verdacht belaste die vorhandenen Testkapazitäten und verzögere die Identifizierung wirklich erkrankten Personen, so die Experten. Bei einer geringer Vortestwahrscheinlichkeit beim Querbeet-Testen ist rein statistisch die Wahrscheinlichkeit von falsch positiv Getesteten weit höher. Stattdessen sollten Personen mit typischer Symptomatik oder Kontakt zu Infizierten sowie situationsbedingt besonders vulnerable Bereiche wie Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen getestet werden.