Google-Logo auf Gebäude
Reuters/Arnd Wiegmann
Enorme Ansprüche

Googles Wasserbedarf spaltet Luxemburg

Mit einem Rechenzentrum des Suchmaschinenriesen Google will Luxemburg bei der Digitalisierung ordentlich aufholen. Das Prestigeprojekt stößt dabei auf scharfe Kritik: Laut Berichten könnte die benötigte Kühlung täglich rund zehn Millionen Liter Wasser schlucken – eine enorme Menge für das kleine Benelux-Land.

Die „Luxembourg Times“ schreibt, dass der Wasserbedarf des geplanten Google-Rechenzentrums in der 3.000-Einwohner-Gemeinde Bissen rund acht Prozent des täglichen Trinkwasserbedarfs entsprechen könnte. Die Zahl klingt nicht nur enorm, die Menge zeigt auch die Grenzen der luxemburgischen Infrastruktur auf – noch ist nämlich nicht klar, wie der Internetkonzern mit ausreichend Wasser versorgt werden soll.

Dabei ist gar nicht bekannt, wie durstig Google wirklich ist: Offizielle Angaben des Unternehmens gibt es nicht, für die Schätzung bezieht man sich auf Zahlen aus anderen Ländern – und auch diese sind kaum zu bekommen. Denn laut der Zeitung will Google solche Werte in öffentlich verfügbaren Dokumenten möglichst vermeiden.

Kühlanlage eines Google-Datenzentrums in Taiwan
Reuters/Pichi Chuang
Die Kühlung – hier eine Google-Anlage in Taiwan – benötigt große Mengen Wasser

Der amerikanische Konzern wehrte sich vehement dagegen, Details zu veröffentlichen. Das Blatt zitiert einen Anwalt, laut dem die benötigte Wassermenge etwaigen Konkurrenten Aufschluss über Details des Rechenzentrums und die Vereinbarung mit der Luxemburger Regierung geben könnte. Erst Ende September kam es zu einer Verhandlung vor Gericht: Eine Umweltorganisation hatte im Sinne der Informationsfreiheit die Herausgabe der Akten gefordert. Bis jetzt verhinderte das der Suchmaschinengigant.

Millionenprojekt soll Vorräte aufstocken

Unabhängig davon könnte aber ein Millionenprojekt die Wasservorräte in dem kleinen Benelux-Land ordentlich aufstocken: Mit einer Aufbereitungsanlage und einem ausgeklügelten Pipelinesystem will man einem Engpass entgegenwirken, heißt es. Laut „Luxembourg Times“ hätte man so zusätzlich 40 Millionen Liter Trinkwasser am Tag zur Verfügung, die Industrie könnte damit auch auf mehr Nutzwasser zurückgreifen. Das Projekt kostet laut dem Blatt über 166 Millionen Euro, fertig werden soll es erst im kommenden Jahr.

Die Wasserversorgung ist in Luxemburg ohnehin ein eher heikles Thema: Schon in den 1950ern geriet man an die Grenzen der Versorgung mit Frischwasser und beschloss, auf Oberflächenwasser zurückzugreifen, um die Trinkwasservorräte zu unterstützen. Seither wird häufig vor Engpässen gewarnt, vor allem zu Spitzenzeiten und bei Trockenheit könnte das Trinkwasser knapp werden, so die Befürchtung.

Widerstand aus der Umgebung

Entsprechend viel Gegenwind erfährt das Google-Projekt deshalb vor allem aus der Gegend, in der das Rechenzentrum aufgestellt werden soll. Schon im Februar hieß es vom Bürgermeister Bissens, David Viaggi, gegenüber „Politico“, dass sich die Freude über den Großinvestor in Grenzen halte. „Google verhält sich sehr amerikanisch: Sie sind plötzlich hier und sagen, sie brauchen eine große Fläche.“ Lokale Aktivisten beklagen fehlende Transparenz – und stellen das Großprojekt nur rund hundert in Aussicht gestellten Jobs gegenüber. Kommende Woche will die Gemeindeverwaltung über das Projekt debattieren – die ökologischen Faktoren sollen aber kein Thema sein.

Letztes Jahr hieß es von Google, dass man überprüfen werde, ob man statt dem sonst üblichen Flusswasser auch Wasser aus einer nahe gelegenen Kläranlage verwenden könnte. Google verweist auf seiner Homepage etwa auf ein Projekt in Belgien, das mit Industrieabwasser gekühlt wird – das erste Projekt dieser Art.

Tanks eines Google-Datenzentrums in Saint Ghislain
Reuters/Yves Herman
In Belgien wird verschmutztes Wasser von Google zur Kühlung aufbereitet

Dem Luxemburger Blatt wurde jedoch nicht bestätigt, ob dieser Plan noch aktuell sei. Die Umweltaktivisten in Luxemburg fürchten, dass vor allem bei Dürre die Versorgung durch Flusswasser zusammenbrechen könnte – und entsprechend auf andere Quellen zurückgegriffen werden müsste. Und auch die allgemeine Angst vor einer großen ökologischen Last ist groß.

Luxemburg will sich auf digitaler Landkarte platzieren

Vonseiten der Regierung ist man jedoch an einer Umsetzung der Google-Pläne sehr interessiert. Die Regierung von Premierminister Xavier Bettel wolle die Probleme überwinden, schreibt die „Luxembourg Times“. Der grüne Energieminister Claude Turmes will zwar die Anforderungen Googles genau prüfen – doch an den Plänen des Suchmaschinengiganten will man eigentlich nicht rütteln.

„Wir werden zu einer datengesteuerten Gesellschaft werden. In Luxemburg wollen wir zu den Vorreitern dieser datengesteuerten digitalen Gesellschaft gehören“, wird Turmes von der Zeitung zitiert. „Dafür werden wir auch in Luxemburg Rechenzentren benötigen.“ Digitalisierung soll also ein Standbein neben dem riesigen Finanzsektor in dem Land werden.

Für Google selbst ist Luxemburg umgekehrt aus vielerlei Hinsicht ein gut geeigneter Ort. Von Firmenseite hieß es gegenüber „Politico“, man habe den Standort gewählt, weil dieser „im Herzen Europas, neben derzeitigen und künftigen Nutzern“ liege. Doch Luxemburg ist Internetriesen offenbar allgemein nicht abgeneigt – im Gegensatz zu den Nachbarländern Deutschland und Frankreich. So befindet sich etwa auch die Zentrale von Amazon dort. Das sorgte in der Vergangenheit für harsche Kritik der EU-Kommission, die 2017 befand, dass Luxemburg dem Versandhändler illegale Steuervorteile gewährte.

Auch möglicher Faktor für „europäische Cloud“

Dass es von der luxemburgischen Regierung heißt, man „benötigt“ Rechenzentren, könnte auch ein Faktor für die von der EU-Kommission seit geraumer Zeit beworbene „europäische Cloud“ werden. Als Teil der Strategie für das „digitale Jahrzehnt“ von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zuletzt neuerlich präsentiert, will man unter dem Namen „GAIA-X“ unter anderem europäische IT-Kapazitäten bündeln und anbieten.

Denn bisher wird der weltweite Cloud-Markt fast ausschließlich unter amerikanischen Unternehmen ausgemacht: Amazon, Google und Microsoft sind die größten Player in der Branche. Auch der chinesische Konzern Alibaba mischt mit. Regionale Anbieter in Europa spielen bestenfalls eine untergeordnete Rolle – obwohl etwa Fragen nach dem Datenschutz, wenn Daten bei US-Unternehmen gespeichert werden, längst breit in der Öffentlichkeit diskutiert werden und die EU auch rechtlich beschäftigen.

Schon jetzt viele beliebte Standorte

Für den Aufbau dieser Cloud braucht es nicht nur Dienste, die angeboten werden, sondern auch Infrastruktur, also einerseits Rechenzentren und andererseits eine entsprechende Anbindung an das Netz. Dabei gibt es geografisch schon jetzt sehr beliebte Standorte, die wohl auch für das EU-Projekt interessant sein werden: Große Rechenzentren gibt es in Frankfurt, Paris, in Skandinavien – und in Atlantiknähe, um gute Anbindung an die USA zu haben. Vor allem Irland und Großbritannien, das ja zu Jahresbeginn aus der EU ausschied, spielen ebenfalls eine wesentliche Rolle.

Luxemburg ist nun ein Beispiel, wie ein bisher für die europäische IT-Infrastruktur weniger relevantes Land offenbar aufholen will. Das könnte auch für Österreich Thema werden. Auf Anfrage von ORF.at beim Digitalisierungsministerium wird auf die „Ö-Cloud“-Initiative verwiesen. In einer Stellungnahme heißt es, dass Infrastruktur „bei dieser Thematik aber nur ein Aspekt“ sei. „Die Ö-Cloud-Initiative hat daher nicht im Fokus, Rechenzentren aufzubauen oder eigene Infrastrukturen zu betreiben“, heißt es weiter.

Man wolle sich aber auch an der EU-Cloud beteiligen: „Österreich wird sich natürlich an den europäischen Entwicklungen orientieren und wird daher auch mit dem Projekt GAIA-X eng zusammenarbeiten.“ Digitalisierungs- und Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) habe diesbezüglich mit dem deutschen Wirtschaftsminister Peter Altmaier gesprochen, heißt es in einem Statement.

Ökologischer Fußabdruck als große Herausforderung

Das EU-Ziel eines „digitalen Jahrzehnts“ wird wohl, nimmt man Luxemburg als Beispiel, damit auch an ein noch viel größer präsentiertes Anliegen der Kommission angrenzen: die stark angezogenen Vorgaben bei den Klimazielen. Zwar verweist nicht nur Google darauf, dass man ausschließlich auf erneuerbare Energien setzt. Doch auch der Wasserverbrauch ist Teil des ökologischen Fußabdrucks – die Klimakrise wird wohl auch hier neue Entwicklungen, nicht nur bei Rechenzentren, notwendig machen.