Menschen blicken auf das Schloss Schönbrunn
ORF.at/Carina Kainz
Daten und Mythen

Die Wien-Wahl und die „echten Wiener“

„Wie schön wäre Wien ohne Wiener“, hat Georg Kreisler einmal sarkastisch gesungen. Abseits der Charakterologie verrät der Blick auf die Zahlen: Gebürtige Wiener stellen nicht mehr die Mehrheit in der Bundeshauptstadt. Wien ist, mit Blick auf die Statistik, zum Schmelztiegel geworden. Nicht nur in der Frage der Ausländer, sondern auch für all jene, die aus den Bundesländern nach Wien „zuagrast“ sind. Für manches Bundesland wäre Wien – von der Zahlenstärke betrachtet – die eigentliche Landeshauptstadt.

Wer ein „echter“ Wiener ist, ist eine wahrscheinlich nie zu beantwortende Frage. Zumal ja schon der lange Schatten der Monarchie zeigt: Die echten Wiener mögen hier geboren sein, hätten aber dann doch von den Eltern her die Wurzeln verstreut auf die damaligen Kronländer.

Zieht man das Sentiment und die Charakterologie zum echten Wiener ab und schaut vor der Landtagswahl 2020 auf die Statistik, dann verraten einem die offiziellen Daten des statistischen Amtes der Stadt (Stand: 1.1.2020): Von den gemeldeten 1,911 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern sind 881.000 in Wien geboren. 441.000 Personen stammen aus dem Nicht-EU-Ausland, 261.000 sind EU-Bürger. 317.000 Personen der gemeldeten Wiener Bevölkerung stammen aus den Bundesländern.

Die Zugezogenen aus den Bundesländern

Unter den „Bundesländlern“ in Wien gibt es eine klare Verteilung, was den Umfang anlangt. Wenig überraschend kommen die meisten aus Niederösterreich mit 139.576 Wahlwienern. Hier ist die Tendenz leicht fallend – bzw. könnte Niederösterreich wiederum ins Treffen führen, dass eine ähnlich große Zahl an Wienern in den Speckgürtel gezogen ist (ergänzt noch dadurch, dass die Zahl der Nebenwohnsitze von Wienerinnen und Wienern in Niederösterreich in den letzten Jahren stark gewachsen ist, nicht zuletzt in Trendgemeinden wie Klosterneuburg). Schlusslicht der Bundesländer-Bevölkerung in Wien sind wenig überraschend die Vorarlberger mit 9.494 Personen.

Grafik zum Bevölkerungsvergleich mit Landhauptstädten
Grafik: ORF.at; Quellen: Stadt Wien – MA 23, Statistik Austria

Für Niederösterreich (das ja bis zu den „Trennungsgesetzen“ vom 1. Jänner 1922 mit Wien ein Bundesland bildete) und das Burgenland ist Wien, zahlenmäßig betrachtet, die heimliche Landeshauptstadt: Es wohnen mit fast 140.000 Niederösterreichern deutlich mehr in Wien als in der Landeshauptstadt St. Pölten, die insgesamt 55.445 Einwohner zählt. Und es wohnen 26.343 Burgenländer in Wien gegenüber 14.800 in Eisenstadt.

Die Bezirksverteilung

Interessant ist die Verteilung des „Wienertums“ auf die einzelnen Bezirke. Die Donaustadt ist der „wienerischste“ Bezirk, dort leben 56,64 Prozent gebürtige Wiener. Hauchdünn dahinter liegt Liesing (56,47 Prozent) und mit kleinem Abstand Hietzing (55 Prozent). Die gebürtigen Wiener mit österreichischem Pass zieht es mehr in die Randlagen der Stadt, könnte man mit Blick auf die interaktive Karte von ORF.at sagen.

Andererseits zieht es viele Menschen aus den Bundesländern in die Bezirke innerhalb des Gürtels. Spitzenreiter mit Bewohnern aus den Bundesländern: Neubau mit der Topquote von 26,95 Prozent Bundesländer-Bewohnern. Den geringsten Bundesländer-Anteil hat Favoriten. Der Bezirk mit seinen gut 200.000 Einwohnern kommt auf 11,95 Prozent Bevölkerung, die aus den Bundesländern stammt. In absoluten Zahlen sind das mit knapp 24.000 aber immer noch dreimal so viele wie in Neubau.

Wien-Donaustadt: Der „österreichischste“ Bezirk

In absoluten Zahlen wohnen aber die meisten Menschen mit Bundesländer-Hintergrund in der Donaustadt. Konkret sind das 26.700. Damit ist Donaustadt der Bezirk, in dem anteilig und absolut die meisten gebürtigen Wiener wohnen (100.000) und zugleich auch die meisten Bewohner aus den Bundesländern. In Favoriten wiederum wohnen in absoluten Zahlen die meisten Nicht-EU-Ausländer mit gut 60.000. Die meisten EU-Bürger wiederum findet man in den Berizken Alsergrund (18,80 Prozent) und Wieden (18,20 Prozent).

Wohnsiedlung in Wien Donaustadt
ORF.at
Boombezirk Donaustadt: Hier wohnen die meisten gebürtigen Wiener und die meisten Zugezogenen aus den Bundesländern

Mythen und Zahlen zu „Ausländerbezirken“

Den höchsten Anteil an Nicht-EU-Ausländern im Verhältnis zur Einwohnerzahl des Bezirks findet man in Rudolfsheim-Fünfhaus mit 31,21 Prozent und in Favoriten. Die wenigsten Wiener findet man prozentuell ebenso in Rudolfsheim-Fünfhaus, gefolgt von Margareten. Eines bleibt rund um die Wien-Wahl und die Einwohnerdaten weiter eine Mär des Volksmundes und mancher politischer Player: dass es einen Bezirk gäbe, wo „die Ausländer“ die Mehrheit hätten.

Debatte über Repräsentativität des Votums

Erneut im Vorfeld der Wahl aufgeworfen wurde die Frage nach deren Repräsentativität. Von den 1,91 Millionen Menschen, die offiziell in Wien leben, sind bei der Wiener Gemeinderatswahl 1.133.011 österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger über 16 und damit wahlberechtigt. Bei den Bezirksvertretungswahlen sind 1.362.795 Personen wahlberechtigt, das schließt die wahlberechtigten nicht österreichischen EU-Bürgerinnen und EU-Bürger ein.

Bürger zweiter Klasse

Sie haben ihren Lebensmittelpunkt in Wien und zahlen Steuern wie alle anderen Einwohnerinnen und Einwohner. Dennoch fehlt ihnen ein grundlegendes demokratisches Recht: bei der Landtagswahl am Sonntag wählen zu dürfen. Denn 30 Prozent der Wiener Bevölkerung besitzen die österreichische Staatsbürgerschaft nicht und sind daher nicht stimmberechtigt. Doch wie zeitgemäß ist eine Koppelung des Wahlrechts an die Staatsbürgerschaft?

Dass gut eine halbe Million Menschen, die in Wien im wahlfähigen Alter sind und seit Längerem hier leben, nicht den Gemeinderat wählen dürfen, befeuert die Diskussion über die Repräsentativität des Wählervotums. Ob man damit gleich die „Legitimität“ der Wahl in Zweifel ziehen kann, wie zuletzt auch geäußert wurde, darf hinterfragt werden. Die Politik hat sich mehrheitlich, blickt man auf die Statements der antretenden Parteien, festgelegt: Das Wahlrecht für den Gemeinderat solle auch weiterhin nur von österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern ausgeübt werden.