Bundespräsident Alexander Van der Bellen im Rahmen der Feierlichkeiten
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Kärntner Slowenen

Van der Bellen entschuldigt sich

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat sich zum 100. Jahrestag der Kärntner Volksabstimmung bei der slowenischen Minderheit „für das erlittene Unrecht“ entschuldigt. Beim Festakt im Wappensaal des Klagenfurter Landhauses dankte Van der Bellen am Samstag zugleich seinem slowenischen Amtskollegen Borut Pahor und dem Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) für den „Mut“ zur gemeinsamen Feier.

„Kärnten ist einen weiten Weg gegangen, einen Weg der Versöhnung“, sagte Van der Bellen. Der Bundespräsident zitierte Artikel 8 der Bundesverfassung, der Österreich die Pflicht zum Schutz seiner Volksgruppen auferlegt. „Haben wir uns immer daran gehalten? Haben wir unsere sprachliche und kulturelle Vielfalt gelebt und deren Erhaltung immer entschlossen gesichert und gefördert? Leider muss ich zugeben: Nein, das war nicht immer der Fall. Vieles ist erst nach langem Drängen, spät, sehr spät erfolgt“, sagte er in offenkundiger Anspielung etwa auf den Ortstafelkonflikt.

„Für das erlittene Unrecht und für die Versäumnisse bei der Umsetzung von verfassungsmäßig garantierten Rechten möchte ich mich hier und heute als Bundespräsident bei Ihnen, liebe Angehörige der slowenischen Volksgruppe, entschuldigen“, sagte der Bundespräsident unter dem Applaus der rund 130 Teilnehmer und Teilnehmerinnen des Festakts. Er wiederholte diese Entschuldigung dann auch in slowenischer Sprache. „Kot zvezni predsednik bi se Vam želel iskreno opravičiti za krivice in zamude pri uresničitvi vaših ustavnih pravic.“

„Selbstverständlich Teil Kärntens und Österreichs“

„Kärnten ist ein ganz besonderes Land. Es verbindet Österreich und Slowenien auf besondere Weise“, hob Van der Bellen hervor. „Die Kärntnerinnen und Kärntner haben gemeinsam auch vieles erreicht. Manch lange offene Wunde ist weitgehend verheilt“, sagte er. Es gebe zweisprachige Ortstafeln, Medien und Chöre, Kindergärten, Schulen und Gerichte, zahlreiche zweisprachige Vereine und Projekte. „Trotzdem ist noch nicht alles getan. Volksgruppenpolitik muss immer weiterentwickelt werden. In jedem Land der Welt. Sie muss den aktuellen Lebensbedingungen und Bedürfnissen angepasst werden.“

Van der Bellen betonte, dass die slowenische Volksgruppe „ein selbstverständlicher Teil Kärntens und Österreichs“ sei. Er erinnerte daran, dass bei der Volksabstimmung am 10. Oktober 1920 „auch sehr viele Kärntnerinnen und Kärntner der slowenischen Volksgruppe für die Einheit Kärntens und die Zugehörigkeit zu Österreich gestimmt“ hätten. „Ohne sie, ohne diese Stimmen, wäre die Volksabstimmung anders ausgegangen.“

Van der Bellen entschuldigt sich bei Kärntner Slowenen

Kärnten feiert am 10. Oktober mit dem 100-Jahr-Jubiläum der Kärntner Volksabstimmung ein für ganz Österreich bedeutendes historisches Ereignis. Beim Festakt in Klagenfurt entschuldigte sich Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei den Kärntner Slowenen für das „Unrecht“, das sie erlitten haben.

„Als Tiroler, die Geschichte Südtirols vor Augen, sind Volksgruppenfragen für mich stets nicht nur eine politische Frage, sondern eine Herzensangelegenheit“, betonte der Bundespräsident. Er freue sich „besonders“, den slowenischen Staatspräsidenten Pahor zum Festakt begrüßen zu dürfen, „Dich, lieber Borut“. „Zum ersten Mal begehen wir diesen Tag gemeinsam. Ich weiß, das braucht Mut. Auf beiden Seiten. Und darum bin ich auch Dir, lieber Herr Landeshauptmann, sehr dankbar“, sagte er an Landeshauptmann Kaiser gerichtet.

Pahor bedankte sich bei Van der Bellen

Zuvor hatte Pahor, der als erster Spitzenvertreter Sloweniens an den alljährlichen Festlichkeiten zur Volksabstimmung in Kärnten teilnahm, in seiner Rede die gemeinsame europäische Zukunft Österreichs, Sloweniens und Kärntens hervorgehoben. Klagenfurt sei heute „symbolisch die Hauptstadt Europas“, sagte Pahor. „Europa ermöglicht uns zu sein, was wir sind. Wir können die Vergangenheit nicht ändern, aber wir können die Zukunft ändern. Das Glück ist auf der Seite der Mutigen.“

Historische Entschuldigung bei Slowenien

Zum 100. Jahrestag der Kärntner Volksabstimmung hat am Samstag in Klagenfurt ein historischer Versöhnungsakt stattgefunden, zu dem Österreich und Slowenien gemeinsam eingeladen hatten. Bundespräsident Alexander Van der Bellen entschuldigte sich in seiner Rede bei den Kärntner Slowenen für erlittenes Unrecht.

In seiner mit stehendem Applaus bedachten Rede dankte Pahor Bundespräsident Van der Bellen „für die Bereitschaft und den Mut, dass wir uns gemeinsam für die gute Nachbarschaft und die Freundschaft der beiden Völker sowie für ein besseres Europa einsetzen, in dem wir alle voll unsere sprachliche und kulturelle Identität leben und zugleich eine gemeinsame, europäische Zugehörigkeit aufbauen.“

Gedenkfeier zur Kärntner Volksabstimmung
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Am Samstag fand der Festakt anlässlich des 100. Jahrestags der Kärntner Volksabstimmung in Klagenfurt statt

Pahor erinnerte daran, dass die Kärntner Slowenen und Sloweninnen bei der Volksabstimmung „die entscheidende Stimme“ für Österreich abgegeben hätten. „Mit der Volksabstimmung wurde hier erstmals eine Grenze gezogen“, sagte er. Den Kärntner Slowenen seien „viele Versprechen“ gegeben worden, vor der Volksabstimmung und auch danach, „mit dem österreichischen Staatsvertrag“. „In so mancher Hinsicht wurden die Versprechen und Verpflichtungen erfüllt, in vielerlei Hinsicht noch nicht“, sagte Pahor. Die Kärntner Slowenen würden „zu Recht“ einen rascheren Fortschritt bei der Umsetzung dieser Rechte erwarten, sagte der Präsident, der zugleich auch die verbesserte Atmosphäre auf beiden Seiten der Grenzen hervorhob.

Kaiser: Votum nicht ohne Kärntner Slowenen

Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) dankte Pahor für die Teilnahme an der Gedenkfeier. Kaiser wies darauf hin, dass das Land Kärnten „ganz bewusst“ das EU-Motto „In Vielfalt geeint“ für das 100-Jahr-Jubiläum gewählt habe. „Die wechselvolle Geschichte der Kärntnerinnen und Kärntner ist inklusive der vielen schmerzvollen Erfahrungen geradezu symbolhaft für die gesamteuropäische Entwicklung“, sagte er.

Man gedenke des 10. Oktober 1920 „nicht mit einem verklärten Blick auf die Vergangenheit“, so Kaiser, der in diesem Zusammenhang der Todesopfer auf beiden Seiten gedachte. Er betonte, dass das Votum für Österreich ohne die überwältigende Zustimmung der Kärntner Slowenen nicht zustande gekommen worden wäre. Das „wurde viele Jahre bei den 10.-Oktober-Feierlichkeiten verschwiegen“. Doch habe sich das geändert, würdigte Kaiser konkret den Einsatz der Konsensgruppe sowie seines Vorgängers Gerhard Dörfler (FPÖ), unter dem im Jahr 2011 die Ortstafellösung erzielt wurde.

Regierung: Bekenntnis zum Minderheitenschutz

Die für Volksgruppen zuständige Kanzleramtsministerin Susanne Raab (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) bekannten sich zum Minderheitenschutz. Es sei eine „historische Verantwortung“ Österreichs, den Bestand seiner sechs Volksgruppen nachhaltig zu sichern, sagte Raab. „Wir bekennen uns vollumfänglich zu Artikel 8 Absatz 2 unserer Bundesverfassung“, betonte Kogler. Der Grünen-Chef bezog sich auf jene Verfassungsbestimmung, in der es heißt, dass Österreich den Bestand und Erhalt seiner sechs Volksgruppen sichern und fördern solle.

Wie auch Raab wies er darauf hin, dass im Vorfeld des Jahrestages eine Verdoppelung der Volksgruppenförderung beschlossen worden sei. Die beiden Regierungspolitiker dankten auch dem slowenischen Präsidenten Pahor für seine Teilnahme an dem Festakt. Kogler äußerte diesbezüglich die Hoffnung, „dass der 10. Oktober in Zukunft doch noch ein Feiertag für die slowenische Volksgruppe werden kann“. Raab bezeichnete die erstmalige Teilnahme eines Spitzenvertreters des südlichen Nachbarlandes als „wunderschönes Zeichen“ und „sichtbares Zeichen dafür, dass wir das Jubiläum im Geiste eines neuen Miteinander begehen“.

Kärntner-Slowenen-Vertreter pocht auf „Duett“

„Heute befinden wir uns in einer Situation, in der die großen Konflikte überwunden sind und zunehmend neue Perspektiven eingenommen werden“, sagte Manuel Jug als Vertreter der Kärntner Slowenen. Der Vorsitzende des Zentralverbandes slowenischer Organisationen dankte insbesondere dem Team der aktuellen SPÖ-ÖVP-Landesregierung, „das sich vorbildlich für die Belange der slowenischen Volksgruppe einsetzt und die Zweisprachigkeit, beispielsweise im Rahmen von CARINTHIja 2020, auch vorlebt“.

Zugleich positionierte er sich klar gegen revisionistische Tendenzen in Bezug auf die Volksabstimmung. „Es war dies ein historischer Akt der Selbstbestimmung, der anerkannt werden muss und nicht in Zweifel gestellt werden darf“, betonte Jug. „Wir brauchen Versöhnung, Empathie und auch das Aufeinanderzugehen. Wir brauchen einfach Liebe“, sagte Jug. „Machen wir ein Duett nicht nur beim Singen, sondern überall dort, wo wir, Kärntnerinnen und Kärntner, zusammenleben sowie mutig und optimistisch Zukunft gestalten“, sagte der 23-Jährige unter lang anhaltendem Applaus der 130 Festgäste.

Der Vorsitzende des Rates der Kärntner Slowenen, Valentin Inzko, zeigte sich erfreut über die „historische Entschuldigung“ von Van der Bellen. „Die heutige Entschuldigung haben wir nicht erwartet, obwohl mir gegenüber auch Landeshauptmann Kaiser gestern angekündigt hat, dass ‚etwas Wichtiges‘ kommen wird“, sagte Inzko. „Es freut mich auch, dass die historische Entschuldigung im Saal mit donnerndem Applaus aufgenommen wurde.“

Ganz einhellig war die Feierstimmung in Klagenfurt jedoch nicht. Vertreter der Kärntner slowenischen Jugend hielten am frühen Nachmittag in der Klagenfurter Innenstadt eine Protestkundgebung ab, um für Minderheitenrechte und gegen die fortgesetzte Ehrung von umstrittenen Abstimmungshelden wie dem Nationalsozialisten Hans Steinacher zu protestieren. In einer Unterkärntner Gemeinde war für Steinacher erst in der Vorwoche ein neues Denkmal enthüllt worden – mehr dazu in kaernten.ORF.at.

FPÖ-Chef Hofer: „Ein wichtiger Tag“

Anders als in früheren Jahren gab es keine Rede eines Vertreters der Kärntner Heimatverbände. Vielmehr sprachen Landesrat Martin Gruber (ÖVP), Landtagspräsident Reinhart Rohr und die Klagenfurter Bürgermeisterin Maria-Luise Mathiaschitz (beide SPÖ). Sie alle lobten die Fortschritte beim Zusammenleben der beiden Volksgruppen.

Neben den Staatsspitzen Österreichs und Sloweniens und mehreren Vertretern der ÖVP-Grünen-Bundesregierung nahm auch FPÖ-Chef Norbert Hofer am Festakt teil. Der Dritte Nationalratspräsident fand lobende Worte für die erste gemeinsame österreichisch-slowenische Feier. Es sei „ein wichtiger Tag“, sagte er. „Ich finde es sehr, sehr ehrenvoll. Es ist sehr, sehr wichtig, auch eine Geste der Versöhnung“, sagte Hofer.

„Was wir uns einfach wünschen als Österreich, und ich glaube auch viele Kärntner, dass auch in unserem Nachbarland die Rechte der Volksgruppen, der Minderheiten noch weiter ausgebaut werden“, sagte er in Anspielung auf die von der österreichischen Politik parteiübergreifend geforderte Anerkennung der deutschsprachigen Volksgruppe in Slowenien. „Ich wünsche es mir einfach, es wäre ein wichtiger Schritt“, sagte Hofer auf die Frage, ob er nach dem heutigen Versöhnungsakt Bewegung in Ljubljana erwarte.