Spielfiguren zur Illustration politischer Parteien
ORF.at/Peter Pfeiffer
SPÖ Wien

Partnerwahl mit Folgen für Bund

Als Qual der Wahl wird die Wiener SPÖ ihre Ausgangsposition nach dem Urnengang am Sonntag wohl eher nicht bezeichnen. Landesparteichef und Bürgermeister Michael Ludwig hat quasi freie Partnerwahl. Denn rechnerisch wäre sowohl mit der ÖVP als auch den Grünen, NEOS und der FPÖ eine Koalition möglich. Aber egal, wie er sich entscheidet: Am Ende hat es auch Folgen für die ÖVP-Grünen-Bundesregierung.

Schon kurz nach der ersten Hochrechnung um 18.00 Uhr wurde spekuliert, mit wem die SPÖ die Stadtregierung „teilen“ möchte. Mit den Grünen, mit denen man bereits in den vergangenen Jahren eine Koalition bildete? Mit der ÖVP, die nun die zweitstärkste Partei in Wien ist? Oder mit NEOS, das mit einem Stimmenzuwachs nun als Partner infrage kommt? Auch mit der FPÖ könnte die SPÖ koalieren. Allerdings werden die Freiheitlichen nach dem Verlust von über 20 Prozent wohl andere Prioritäten haben. Und Ludwig schloss ohnehin schon vor der Wahl eine SPÖ-FPÖ-Stadtregierung aus.

Für die Politikfachleute Kathrin Stainer-Hämmerle und Thomas Hofer ist klar: Die Wahl Ludwigs wirkt sich auch auf die Zusammenarbeit von ÖVP und Grünen im Bund aus. Entscheidet sich der Wiener SPÖ-Chef etwa für die Fortsetzung einer rot-grünen Koalition, könnte es in der Bundesregierung weiterhin „weniger konfliktreich“ – soweit eben möglich – sein. Fällt die Wahl allerdings auf NEOS, sagt Hofer, könnte es bei den Grünen rumoren, „was auch der ÖVP nicht gefallen wird“. Denn die Wiener Grünen galten schon bisher als regierungskritisch. „Wenn sie nicht mehr regieren dürfen, wird man die Schuld auch im Bund suchen“, so der Politikberater im Gespräch mit ORF.at.

Studiogespräch mit den Sptzenkandidaten der Wien-Wahl
ORF.at/Roland Winkler
Ludwig hat beim Koalitionstanz freie Partnerwahl

Wiener Grüne für mehr Härte der Bundesgrünen?

Laut der SORA-Wahltagsbefragung spielte die Bundespolitik bei der Mehrheit der Wählerinnen und Wählern, die sich für ÖVP, Grüne, FPÖ und NEOS entschieden, eine große Rolle. Hingegen war für das Gros der SPÖ-Wähler und -Wählerinnen der Urnengang „ausschließlich eine Wiener Entscheidung“. Das zeigte sich schon im Wahlkampf, in dem die SPÖ auf Bundesvorsitzende Pamela Rendi-Wagner komplett verzichtete. ÖVP, Grüne und NEOS plakatierten ihre Parteikollegen und -kolleginnen aus dem Bund – und hätten diese in die Wahlentscheidung einbezogen, sagt Politikwissenschaflterin Stainer-Hämmerle.

Die Grünen, die sowohl im Bund als auch in Wien als Juniorpartner in der Regierung sitzen, könnten bei einer SPÖ-NEOS-Koalition „einige Probleme“ bekommen. „Rot-Pink wäre zwar die perfekte Reibefläche für die Bundesregierung, eine Art Gegenmodell, wie das schon das rot-grüne Wien unter der ÖVP-FPÖ-Regierung war“, so die Expertin. Allerdings seien die Grünen inhaltlich näher bei „Rot-Pink als beim Koalitionspartner Türkis“. Wenn es zwischen Wien und Bund wegen der Aufnahme von unbegleiteten Minderjährigen aus den griechischen Lagern kracht, würden die Wiener Grünen aus der Opposition heraus mehr Druck auf die Bundespartei ausüben, damit diese Härte zeigt.

Das wäre zwar auch für die ÖVP kontraproduktiv, sagt Hofer. Doch eine NEOS-Stadtregierungsbeteiligung könnte für Parteichef Sebastian Kurz nicht ganz so „uncharmant“ sein. „Dann könnte die ÖVP auch die Pinken in das linke Eck drängen und sich weiter ausbreiten“, so der Politikberater. Für die „Presse“ ist die „rot-rosarote Option“ eine, mit der die SPÖ leben könnte. „Der Linksruck“ von NEOS „ist nun gewissermaßen auch amtlich bestätigt – vom Wiener Bürgermeister“, heißt es in einem Artikel. Ludwig hatte von „positiven Veränderungen“ gesprochen – allen voran in gesellschaftspolitischen Bereichen.

Experten: SPÖ-ÖVP-Koalition unwahrscheinlich

Ob NEOS von einer Regierungsbeteiligung profitieren könnte, bleibt abzuwarten. Auf alle Fälle gilt die Partei für Stainer-Hämmerle als Wahlgewinnerin. „Was wurde Spitzenkandidat Christoph Wiederkehr als Nobody belächelt. Doch er hat sich als ernstzunehmender Koalitionspartner platziert“, sagt sie. Es bestehe aber freilich die Gefahr, dass die SPÖ die doch kleine Partei erdrückt. Darüber hinaus müsse sich NEOS entscheiden, wie die Partei es künftig mit dem Bundesrat und der Funktion des nicht amtsführenden Stadtrats hält. Gegen beides sprach sich NEOS aus, nun steht das der Partei aber zu. „Das wird spannend“, sagt die Politikwissenschaftlerin.

Werner Kogler und Sebastian Kurz
APA/Hans Punz
Auf Kurz und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) könnte die künftige Koalition in Wien Auswirkungen haben

Eine Koalition aus SPÖ und ÖVP schließen beide Politikfachleute aus. Eine solche Konstellation wäre für die Bundes-ÖVP überhaupt ein „zweischneidiges Schwert“, wie Hofer sagt. „Es ist fast unmöglich, eine Landesregierung dann in dem Ausmaß zu kritisieren, wenn die eigene Landesorganisation mitregiert. Für die Wiener SPÖ wäre es mit der deutlichen Mehrheit hingegen kein Problem, die Bundesregierung weiter zu kritisieren.“ In einem Kommentar schrieb „Standard“-Chefredakteur Martin Kotynek am Sonntag, dass Ludwig mit Stadtrat Peter Hacker (SPÖ) schon jetzt den lautesten Oppositionspolitiker gegen die Bundesregierung im Team hat.

Politikberater Hofer relativiert im Gespräch die von ÖVP und Grünen angestimmten Lobgesänge auf ihre Wahlergebnisse. „Beide Parteien übertreiben natürlich. Ja, die ÖVP hat ordentlich zugelegt, aber in Wien kommt sie aus dem politischen Nirvana“, so der Experte. Die Grünen wollten ein „historisches Ergebnis“ (14,6 Prozent 2005, Anm.) einfahren. Das Ziel wurde allerdings verfehlt, was laut Hofer beachtlich ist: „Das Potenzial für die Grünen ist in Wien viel größer, und zudem hatte die Partei mit einer amtierenden Vizebürgermeisterin und dem Gesundheitsminister in einer Krise einen medialen Vorsprung.“

SPÖ vorerst sicher, FPÖ im Umbruch

Dass Ludwig nach SPÖ-Burgenland-Chef Hans Peter Doskozil bei einer Wahl zulegen konnte, geht freilich auch an der SPÖ-Spitze nicht spurlos vorbei. In einem „Kurier“-Kommentar heißt es etwa, dass Parteichefin Rendi-Wagner nie wieder „die Zügel in die Hände“ bekommen werde. Der Takt werde von den SPÖ-Landeshauptleuten aus Wien, dem Burgenland und Kärntens Peter Kaiser vorgegeben. Stainer-Hämmerle pflichtet dem bei, sagt aber, dass Rendi-Wagner derzeit nicht unter Druck stehe. Ein größerer SPÖ-Wahlkampf stehe nicht an, und interne Reibereien blieben zuletzt aus.

Was will Wien, und welche Lehren zieht der Bund?

Am Sonntag hat Wien einen neuen Gemeinderat gewählt. Es ist die erste große Wahl seit Beginn der Coronavirus-Krise und es ist auch die erste große Wahl seit Bildung der ÖVP-Grünen-Bundesregierung.

Anders sieht es freilich bei der FPÖ aus. Nicht nur der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp gilt als angezählt, auch FPÖ-Bundesobmann Norbert Hofer. „Man kann am Abschneiden nicht nur Heinz-Christian Strache die Schuld geben“, sagt die Expertin und glaubt, dass die Partei bereits über personelle Alternativen nachdenkt, auch wenn man das öffentlich nicht sagt. „Wir kennen es aus vergangenen Beispielen: In ausweglosen Situationen übernehmen üblicherweise meistens Frauen, Männer halten sich ja eher zurück. Es wird spannend zu sehen, was die Freiheitlichen machen werden.“