Spielszene Monkey Island
Screenshot Monkey Island
„Du kämpfst wie eine Kuh“

Als Piraten das Schimpfen lernten

Ein Pirat ohne Bart hat vor 30 Jahren erstmals die Computerschirme erobert: „The Secret of Monkey Island“ erzählt die Geschichte des Möchtegern-Haudegens Guybrush Threepwood, der von Ruhm und Reichtum träumt und Schwertduelle mit Beleidigungen gewinnt. Das Spiel gilt heute als Kult, über eine Fortsetzung wird seit Jahren diskutiert – diese scheitert womöglich an einem anderen weltberühmten Piraten.

„Ein Gummihuhn mit einem Karabinerhaken, wofür mag das wohl gut sein?“, fragt Guybrush – dessen Name eigentlich nur als Platzhalter gedacht war – in den Raum. Das absurde Rätsel ist eines von vielen, das es in dem im Oktober 1990 erschienenen „The Secret of Monkey Island“ zu lösen gilt. Mit Liebe zum Detail und schrägem Humor fand das Spiel schnell Eingang in die Popkultur.

Meist müssen Gegenstände mit-, auf- und ineinander verwendet werden – wer richtig kombiniert, erfährt mehr über die Geschichte. Am Ende gilt es, den Geisterpiraten LeChuck zu besiegen, um die gar nicht dem Rollenbild der „Jungfrau in Nöten“ entsprechende Gouverneurin Elaine Marley zu retten. Das Huhn muss letztlich mit einem Kabel kombiniert werden – es ist eine der einfacheren Kopfnüsse, die auf die Spielerinnen und Spieler in „Monkey Island“ warten.

Spielszene Monkey Island
Screenshot Monkey Island
Die Prämisse des Spiels lässt sich in einem einzigen Satz zusammenfassen

Viele Farben, viele Spiele

Die frühen 1990er Jahre waren für Computerspiele eine besonders wichtige Zeit: Erstmals war der Großteil der Rechner in der Lage, nicht nur Tabellen und Texte effizient darzustellen, sondern auch 256 Farben gleichzeitig auf den Bildschirm zu zaubern. Damit wichen die oft noch kruden Grafiken der 80er nach und nach detaillierten Pixelkunstwerken – für die Spielewelt war das ein Wendepunkt.

„Monkey Island“, entwickelt von einer Tochterfirma des einstigen „Star Wars“-Filmstudios, war eines von vielen Abenteuerspielen, die sich die neuen Möglichkeiten zunutze machten – gemeinsam mit Titeln wie „Sam and Max“ und „Maniac Mansion“, die heute allesamt Kultstatus innehaben. Weil man – ebenfalls ein Novum der späten 80er – vor allem die Maus zur Steuerung verwendete, setzte sich die Bezeichnung „Point and Click“, „Zeigen und Klicken“, für derartige Spiele durch.

Beleidigungen statt Schnittwunden

Dass „Monkey Island“ 30 Jahre später vielen wohl noch immer in Erinnerung ist, liegt auch daran, dass sich das Spiel nicht sonderlich ernst genommen hat. So wird etwa statt realistischer Gewaltabbildung der standesgerechte Schwertkampf mit Beleidigungen ausgetragen. Wenn das Gegenüber also mit „Du kämpfst wie ein dummer Bauer“ eröffnet, dann kann es darauf nur eine Antwort geben: „Wie passend. Du kämpfst wie eine Kuh.“ Das klingt nach Mantel-und-Degen-Filmen mit Errol Flynn – nur eine der zahlreichen kulturellen Anleihen des Spiels.

Spielszene Monkey Island
Screenshot Monkey Island
Geisterpirat LeChuck (li.) ist der Antagonist in der „Monkey Island“-Reihe

Oft spielt „Monkey Island“ aber auch mit Klischees und der Erwartungshaltung der Spieler und Spielerinnen – dafür wird die Illusion der Piratenwelt im 17. Jahrhundert bewusst gestört. Etwa, wenn man sich im Wald verläuft und plötzlich einen Münzsprecher findet, der zur Lucasfilm-Hotline führt und für andere Titel des Studios wirbt.

Darüber hinaus spart „Monkey Island“ nicht mit einprägsamen Sprüchen, bis heute bleibt vor allem das universell einsetzbare Ablenkungsmanöver „Hinter dir, ein dreiköpfiger Affe!“ in Erinnerung. Auch das im Spiel vorgestellte Rezept für Grog – es beinhaltet unter anderem Batteriesäure – ist bei Fans wohl eher bekannt als die tatsächlichen Zutaten des alkoholischen Heißgetränks.

Nur eine von vier Fortsetzungen im Sinne des Erfinders

Freilich wurde der kommerzielle Erfolg schon bald mit einer Fortsetzung bedacht, geschrieben und entwickelt vom gleichen Team wie der erste Teil: Federführend beteiligt waren vor allem Ron Gilbert, Tim Schafer und Dave Grossmann. Gilbert verließ das Studio nach Teil zwei – die Reihe wurde jedoch mit neuem Team weitergeführt, aber nicht im Sinne des Erfinders, so Gilbert. Insgesamt gab es vier Teile bis zum Jahr 2000, 2009 wurde ein weiteres Sequel veröffentlicht, seitdem ist es um die Reihe still geworden.

Spielszene Monkey Island
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Anachronismen ziehen sich durch die gesamte Spielereihe

Ein bisschen „Fluch der Karibik“

Das liegt auch daran, dass das „Star Wars“-Studio Lucasfilm gemeinsam mit dem dazugehörigen Spielestudio 2012 von Disney gekauft wurde. Ausgerechnet Disney spielt jedoch eine ganz wesentliche Rolle für „Monkey Island“ – denn die Idee für das Spiel stammt eigentlich aus einem der Vergnügungsparks. Dort gab es bereits in den späten 60ern, und damit Jahrzehnte vor den Filmen, eine „Fluch der Karibik“-Attraktion – inklusive Inselidyll und Geisterpiraten.

Der Entwickler Gilbert formulierte den Grundgedanken seines Spiels so: „Ich will in der ‚Fluch der Karibik‘-Attraktion leben“, wie er in einem Interview im Jahr 2012 sagte. Zumindest einige Momente in der Spielereihe sind auch ganz offensichtlich von der Disney-Attraktion inspiriert.

Disney hält an Rechten fest

Auch die „Fluch der Karibik“-Filme basieren freilich auf der Attraktion. Schnell zeigen sich Parallelen zwischen den Protagonisten Will Turner und Guybrush Threepwood. Nicht nur Gilbert selbst sieht Ähnlichkeiten zum Spiel: Mehrere Artikel im Web beschäftigen sich mit Parallelen zwischen Spielen und Filmen – die so nicht in der gemeinsamen Vorlage existiert haben. Freilich ist nichts davon bestätigt und könnte genauso gut reiner Zufall sein.

Jedenfalls hält Disney aber an den Rechten der Spielereihe fest, ein Ansuchen Gilberts, ihm die Rechte auszuhändigen, um so einen „wahren“ Nachfolger der Serie zu entwickeln, blieben bisher ungehört. Auch Disney selbst wird wohl mit einem etablierten Piraten-Filmfranchise nicht auf ein zum Verwechseln ähnlich sehendes Spiel setzen.

Entwickler starteten eigene Projekte

Hinzu kommt, dass die klassischen „Point and Click“-Adventure-Spiele schon Ende der 90er totgesagt wurden – heute leben sie vor allem in Form von aufwendig gestalteten Blockbuster-Spielen mit Millionenbudgets weiter. Die oft absurden und schwer zu lösenden Rätsel wurden durch einen stärkeren Fokus auf das Erzählen von Geschichten verdrängt, die charmante Pixelgrafik wurde von 3-D-Grafik abgelöst, die zunehmend weniger von der Realität zu unterscheiden ist.

Die Entwickler selbst sind ihrem Genre aber über drei Jahrzehnte treu geblieben: Gilbert entwickelte zuletzt mit „Thimbleweed Park“ ein Adventure-Spiel im Stil der späten 80er Jahre, Schafer gründete seine eigene Firma und erntete im Jahr 2015 für den ersten Teil seines Spiels „Broken Age“ gute Kritiken. Während Fans weiter geduldig auf eine Fortsetzung warten, hat das Original 30 Jahre später nicht an Charme verloren – und da es auf Plattformen wie GOG und Steam immer noch erhältlich ist, kann sich eine neue Generation im Beleidigungsfechten üben – oder sich unauffällig wegstehlen: „Hinter dir, ein dreiköpfiger Affe!“