Bundeskanzler Sebastian Kurz und Gesundheitsminister Rudolf Anschober bei einer Pressekonferenz am 13. März 2020
APA/Herbert Pfarrhofer
Causa Ischgl

SPÖ und NEOS nehmen Regierung ins Visier

Einen Tag nach Präsentation des Berichts der Tiroler Expertenkommission zur Causa Ischgl schlägt dieser Wellen bis nach Wien. Die Oppositionsparteien SPÖ und NEOS nehmen die Bundesregierung, insbesondere Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), in die Verantwortung. Kurz verteidigte sein Vorgehen unterdessen erneut.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner schließt auch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss auf Bundesebene nicht mehr aus. Man werde den vorliegenden Bericht nun prüfen und mit den anderen Fraktionen Kontakt aufnehmen, sagte Rendi-Wagner am Dienstag in einer Pressekonferenz.

Die SPÖ allein verfügt für ein solches Verlangen nicht über genügend Abgeordnete im Nationalrat. Außerdem können nicht gleichzeitig zwei von der Opposition in die Wege geleitete U-Ausschüsse tagen, und jener zum „Ibiza-Video“ und dessen Folgen läuft ja noch. Zumindest theoretisch möglich wäre aber ein von einer Mehrheit beantragter Ischgl-U-Ausschuss.

Rendi-Wagner: Kurz löste „Panik und Chaos“ aus

Rendi-Wagner bezeichnete es jedenfalls als „wirklich skandalös“, was in Ischgl passiert sei. Der Skiort sei zum Sinnbild unkontrollierter Virusausbreitung in Europa geworden. Aus dem Bericht gehe hervor, dass Kanzler Kurz persönlich durch seine damalige Quarantäneankündigung, die nicht abgestimmt und vorbereitet gewesen sei und für die er auch nicht zuständig war, „Panik und Chaos“ ausgelöst habe. Genau das sei im Krisenmanagement immer zu vermeiden. Klar sei, dass es eine lückenlose Aufklärung brauche, so die SPÖ-Chefin.

NEOS-Chefin: Teils „noch ärger als gedacht“

NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger wiederum sprach sich gegen einen U-Ausschuss im Nationalrat aus, kündigte aber eine Dringliche Anfrage an Gesundheitsminister Anschober bereits bei der Sitzung am Mittwoch, bei der die Budgetrede auf dem Programm steht, an. Der Bericht konstatiere „Fehleinschätzungen“ der Tiroler Behörden und Kommunikationsfehler des Bundes, besonders bei der Verhängung der Quarantäne über Ischgl und St. Anton. In vielen Dingen sehe man sich bestätigt, manches sei „noch ärger“ als gedacht, meinte Meinl-Reisinger zum Bericht.

Aufregung um Ischgl-Expertenbericht

Der am Montag veröffentlichte Bericht der Expertenkommission zur Causa Ischgl hat Verfehlungen beim Krisenmanagement aufgezeigt. Kritik wurde an Tirols Behörden, der Landesregierung und auch an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) geübt. Dieser weist nun die Kritik zurück, die Oppositionsparteien verlangen Aufklärung.

„Panikkanzler“ Kurz

Den Tiroler Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP) hält sie für rücktrittsreif, die Reaktion von ÖVP-Landeshauptmann Günther Platter sei zudem „inakzeptabel“. Nicht zuletzt trage die Bundesregierung eine „massive Mitverantwortung“. Kurz sei ein „Panikkanzler“, weil er ohne Vorbereitung an Ort und Stelle und ohne Rechtsgrundlage für Panik gesorgt habe. Dass im Zuge der Abreise der Touristen weitere Infektionen stattgefunden haben und sich das Virus über Europa verbreitet habe, sei der „Super-GAU“ gewesen.

Für Meinl-Reisinger Anschober hauptverantwortlich

Die Hauptverantwortung trage freilich Anschober, den man nun im Nationalrat befragen will – zu Ischgl und zu „zunehmender Intransparenz“ im Coronavirus-Management an sich, so Meinl-Reisinger. „Es gibt zwar Schubladen, aber er verrät uns nicht, was da drinnen ist“, kritisierte sie in Zusammenhang mit erwarteten schärferen Maßnahmen.

Was Ischgl betrifft, forderte die NEOS-Chefin jedenfalls, dass auch die Bundesebene untersucht wird. Statt eines U-Ausschusses soll ihrer Vorstellung nach vielmehr das Mandat der Untersuchungskommission erweitert werden. Dieser bescheinigte sie, gute Arbeit geleistet zu haben. Parlamentarisch müsse der Fall freilich auch, aber später aufgearbeitet werden, etwa in Form einer Enquete.

Kurz: Alle Entscheidungen abgestimmt

Der Bundeskanzler verteidigte sein Vorgehen am Dienstag indes neuerlich. Er betonte, dass immer alle Entscheidungen zwischen den Gesundheitsbehörden und der Bundesregierung abgestimmt gewesen seien. Und „natürlich haben wir als Bundesregierung die Verantwortung gehabt, diese Entscheidungen transparent zu kommunizieren“, sagte Kurz am Dienstag in einer Pressekonferenz in Linz.

Im vergangenen halben Jahr habe „in Summe eine Ausnahmesituation“ geherrscht – „für alle, für die Gemeinden, die Länder, die Bundesregierung“, so Kurz. Es hätten schnelle Entscheidungen getroffen werden müssen, das habe „im Großen und Ganzen gut funktioniert“. Entscheidungen seien immer abgestimmt zwischen den Gesundheitsbehörden und der Regierung, aber auch mit den Bundesländern. Das war laut Kurz auch bei den Entscheidungen in Tirol der Fall.

Aus Regierungskreisen wurde gegenüber ORF.at betont, man müsse zwischen dem Behördenweg und der Kommunikation unterscheiden. Natürlich sei Kurz nicht zuständig für die Umsetzung des Epidemiegesetzes. Es sei auf behördlicher Ebene von Bezirk über Land bis zu den zuständigen Ministerien die Quarantäneverhängung abgeklärt worden. Zugleich habe angesichts der Ausnahmesituation Einigkeit darüber bestanden, dass die Entscheidung nur von einer Stelle und zentral von Wien aus kommuniziert werden solle.