Intensivmediziner warnen vor Fehleinschätzungen

In der Debatte über die intensivmedizinischen Kapazitäten für schwer an Covid-19 Erkrankte und das Gefahrenpotenzial von SARS-CoV-2 haben Experten am Dienstag vor Fehleinschätzungen gewarnt. Hinsichtlich der Ressourcensituation für schwere Krankheitsfälle gebe es „keinen Grund für Entwarnung“, sagten drei anerkannte intensivmedizinische Fachgesellschaften in einer gemeinsamen Presseaussendung. Die Infektionszahlen dürften nicht weiter steigen.

Grundsätzlich sei es zu begrüßen, dass die Frage der intensivmedizinischen Ressourcen während der Pandemie einen wichtigen Stellenwert in der öffentlichen Diskussion einnimmt, hielt Klaus Markstaller, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI), fest. Allerdings werde diese häufig „mit Argumenten außerhalb der intensivmedizinischen Fachexpertise“ geführt.

Markstaller, Michael Joannidis, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Internistische und Allgemeine Intensivmedizin und Notfallmedizin (ÖGIAIN), und Andreas Valentin, Präsident des Verbands der intensivmedizinischen Gesellschaften Österreichs (FASIM), bezeichneten die aktuelle Situation in Österreich als „weiterhin sehr besorgniserregend“.

Jeder fünfte stationär Aufgenommene braucht Intensivbehandlung

Beinahe jede fünfte Person, die wegen einer Infektion mit SARS-CoV-2 stationär aufgenommen werden muss, benötige eine intensivmedizinische Behandlung, gaben die Intensivmediziner zu bedenken. In der bevorstehenden Influenzasaison sei daher mit einem „dauerhaften, vermutlich jahreszeitlich fluktuierenden Mehrbedarf an intensivmedizinischen Ressourcen“ zu rechnen, meinte ÖGIAIN-Präsident Joannidis.

Diese „Spitzenbelastungen“ könnten von den Spitälern durch entsprechendes Management zwar kurze Zeit bewältigt werden, „das Ziel muss jedoch eine kontinuierliche Versorgung aller Patientinnen und Patienten mit intensivmedizinischem Behandlungsbedarf sein“. Um die Sicherstellung der intensivmedizinischen Versorgung für alle kritisch kranken Personen zu garantieren, sei die Aufrechterhaltung der bisherigen Ressourcen, in manchen Bereichen auch ihr weiterer Ausbau geboten, sagte Joannidis.

„Nicht nachvollziehen“ konnte Markstaller Aussagen, wonach sich im Vergleich zum Frühjahr die Behandlungsmöglichkeiten von Covid-19-Patientinnen und -Patienten dramatisch verbessert hätten. „Tatsache ist, dass wir seit Beginn der Pandemie sehr viel über diese Erkrankung, die zunächst eine große Unbekannte war, gelernt haben und weiter lernen. Es ist aber auch so, dass große therapeutische Durchbrüche mit experimentell eingesetzten Substanzen, auf denen viele Hoffnungen ruhten, so bisher nicht eingetreten sind“, so der ÖGARI-Präsident.