Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP)
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Causa Ischgl

Platter sieht „kein Behördenversagen“

Nach der Vorstellung des Expertenberichts zur Causa Ischgl hat Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) das Verhalten des Landes neuerlich verteidigt. Der Bericht der Kommission unter dem Vorsitz von Ex-OGH-Vizepräsident Ronald Rohrer habe „kein Behördenversagen“ ausgemacht, so Platter am Dienstag. Personelle Konsequenzen schloss er neuerlich aus, dafür soll das Krisen- und Katastrophenmanagement neu strukturiert werden.

Die Behörden hätten sich „äußerst“ um die Gesundheit der Bevölkerung und der Gäste bemüht, sagte Platter am Dienstag nach einer Sitzung der Landesregierung. Dass Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP) unter seiner Zustimmung einen Teil seiner Zuständigkeiten für den Vollzug des Epidemiegesetzes an Landesamtsdirektor Herbert Forster übergeben habe, war für Platter nicht ungewöhnlich. Es sei „üblich, dass man eine Aufgabenteilung vornimmt“, meinte er.

LHStv. Ingrid Felipe (Grüne) drückte ihr Bedauern über die in Tirol stattgefundenen Infektionen aus. Es tue ihr „aufrichtig leid“, dass sich so viele Menschen hier infiziert haben. „Wo Strukturen unzulänglich sind, müssen wir sie neu aufstellen“, sagte sie. Die Einheiten müssen nun jedenfalls „stärker interdisziplinär“ ausgerichtet werden.

Krisenpläne sollen neu gestaltet werden

Die Landesregierung setzt nunmehr auf die Einsetzung von Expertengruppen. Den Bericht nehme man sehr ernst, bei der Regierungssitzung habe man einen Grundsatzbeschluss zur Umsetzung der Empfehlungen der Kommission gefasst. Zum einen werde nun ein „Tiroler Krisen- und Katastrophenmanagementzentrum“ mit einem Landeskoordinator schaffen. Darin sollen die „bisherigen Krisen- und Katastrophenpläne für die aktuelle Pandemiesituation“ überarbeitet und neu gestaltet werden.

Eine Expertengruppe unter der Leitung von Elmar Rizzoli, der im Coronavirus-Einsatzstab des Landes tätig ist, soll für die „organisatorische Konzeption und Umsetzung“ eingerichtet werden. In der Gruppe vertreten sind unter anderen Vertreter der Blaulichtorganisationen, LHStv. Josef Geisler (ÖVP) und der in der Rohrer-Expertenkommission vertretene Berater Bruno Hersche.

Daneben wird es noch eine Expertengruppe geben. Diese wird zur Gründung der neuen Landesdirektion für Gesundheit eingesetzt. Unter dem „Dach“ sollen etwa die in die Kritik geratene Landessanitätsdirektion, Krankenanstalten und Amtsärzte zusammengeführt werden. Der Expertengruppe werden der Klinikdirektor für Innere Medizin, Günter Weiss, Vertreter der Ärztekammer, Tilg und „medizinische Experten“ angehören.

Nationalrat: Opposition nimmt Regierung ins Visier

Der Kommissionsbericht zu Ischgl hatte am Dienstag Wellen bis in die Bundespolitik geschlagen. Die Oppositionsparteien SPÖ, FPÖ und NEOS nahmen die Bundesregierung, insbesondere Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), in die Verantwortung.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner schloss auch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss auf Bundesebene nicht mehr aus. Man werde den vorliegenden Bericht nun prüfen und mit den anderen Fraktionen Kontakt aufnehmen, sagte Rendi-Wagner. Die SPÖ allein verfügt für ein solches Verlangen nicht über genügend Abgeordnete im Nationalrat.

Kickl: „Superspreader Kurz“

FPÖ-Klubchef Herbert Kickl sah sich durch den Bericht zu Ischgl in seiner Kritik an der Bundesregierung bei der Bewältigung der CoV-Krise bestätigt. Es sei nun quasi amtlich, dass der Versuch des Regierens mit Pressekonferenzen, Inseraten und Interviews zum Chaos geführt habe, so Kickl. Wie auch die SPÖ forderte Kickl erneut die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses.

Die Verantwortung für dieses Chaos ortet die FPÖ bei Bundeskanzler Kurz. „Das kommt nämlich dabei heraus, wenn Marketing alles und solide Arbeit nichts ist. Kurz ist der Superspreader Österreichs, der unser Land und das Land Tirol weltweit in Verruf gebracht hat“, urteilte Kickl. Das sei nämlich die „Methode Kurz“ – „für alles zuständig, aber für nichts verantwortlich“.

NEOS-Chefin: Teils „noch ärger als gedacht“

NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger sprach sich gegen einen U-Ausschuss im Nationalrat aus, kündigte aber eine Dringliche Anfrage an Gesundheitsminister Anschober an. Der Bericht konstatiere „Fehleinschätzungen“ der Tiroler Behörden und Kommunikationsfehler des Bundes, besonders bei der Verhängung der Quarantäne über Ischgl und St. Anton. In vielen Dingen sehe man sich bestätigt, manches sei „noch ärger“ als gedacht, meinte Meinl-Reisinger zum Bericht.

Aufregung um Ischgl-Expertenbericht

Der am Montag veröffentlichte Bericht der Expertenkommission zur Causa Ischgl hat Verfehlungen beim Krisenmanagement aufgezeigt. Kritik wurde an Tirols Behörden, der Landesregierung und auch an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) geübt. Dieser weist nun die Kritik zurück, die Oppositionsparteien verlangen Aufklärung.

Den Tiroler Gesundheitslandesrat Tilg hält sie für rücktrittsreif, die Reaktion von ÖVP-Landeshauptmann Platter sei zudem „inakzeptabel“. Nicht zuletzt trage die Bundesregierung eine „massive Mitverantwortung“. Kurz sei ein „Panikkanzler“, weil er ohne Vorbereitung an Ort und Stelle und ohne Rechtsgrundlage für Panik gesorgt habe. Dass im Zuge der Abreise der Touristen weitere Infektionen stattgefunden haben und sich das Virus über Europa verbreitet habe, sei der „Super-GAU“ gewesen.

Die Hauptverantwortung trage freilich Anschober, den man nun im Nationalrat befragen will – zu Ischgl und zu „zunehmender Intransparenz“ im Coronavirus-Management an sich, so Meinl-Reisinger. „Es gibt zwar Schubladen, aber er verrät uns nicht, was da drinnen ist“, kritisierte sie in Zusammenhang mit erwarteten schärferen Maßnahmen.

Kurz: Alle Entscheidungen abgestimmt

Der Bundeskanzler verteidigte sein Vorgehen am Dienstag indes neuerlich. Er betonte, dass immer alle Entscheidungen zwischen den Gesundheitsbehörden und der Bundesregierung abgestimmt gewesen seien. Und „natürlich haben wir als Bundesregierung die Verantwortung gehabt, diese Entscheidungen transparent zu kommunizieren“, sagte Kurz am Dienstag in einer Pressekonferenz in Linz.

Im vergangenen halben Jahr habe „in Summe eine Ausnahmesituation“ geherrscht – „für alle, für die Gemeinden, die Länder, die Bundesregierung“, so Kurz. Es hätten schnelle Entscheidungen getroffen werden müssen, das habe „im Großen und Ganzen gut funktioniert“. Entscheidungen seien immer abgestimmt zwischen den Gesundheitsbehörden und der Regierung, aber auch mit den Bundesländern. Das war laut Kurz auch bei den Entscheidungen in Tirol der Fall.

Aus Regierungskreisen wurde gegenüber ORF.at betont, man müsse zwischen dem Behördenweg und der Kommunikation unterscheiden. Natürlich sei Kurz nicht zuständig für die Umsetzung des Epidemiegesetzes. Es sei auf behördlicher Ebene von Bezirk über Land bis zu den zuständigen Ministerien die Quarantäneverhängung abgeklärt worden. Zugleich habe angesichts der Ausnahmesituation Einigkeit darüber bestanden, dass die Entscheidung nur von einer Stelle und zentral von Wien aus kommuniziert werden solle.