Der Binnenhof in Den Haag
APA/AFP/Phil Nijhuis
Lage „alarmierend“

Niederlande treten in teilweisen Lockdown

Die Niederlande treten ab Mittwoch in einen teilweisen Coronavirus-Lockdown. Das kündigte Ministerpräsident Mark Rutte am Dienstagabend in einer landesweit ausgestrahlten Fernsehansprache an. Hinter den drastischen Verschärfungen der CoV-Maßnahmen steht ein deutlicher Anstieg bei den registrierten Neuinfektionen. Laut Rutte ist die Lage in fast allen Regionen des Landes „alarmierend“.

Durch den von Rutte angekündigten „Teil-Lockdown“ bleiben die Bars, Cafes und Restaurants in den Niederlanden nun vorerst für zwei Wochen geschlossen. Essen darf nur noch geliefert bzw. von der Kundschaft abgeholt werden. In der Zeit zwischen 20.00 Uhr und 7.00 Uhr gilt darüber hinaus ein Verbot für den Verkauf und den öffentlichen Konsum von Alkohol und Cannabis.

Außerdem dürfen die rund 17,3 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner der Niederlande nur noch maximal drei Gäste pro Tag in ihren Wohnungen empfangen. Verboten sind auch Versammlungen von mehr als 30 Menschen. Über 18-Jährige dürfen dem neuen Maßnahmenkatalog zufolge schließlich auch keinen Mannschaftssport mehr ausüben. Die Regelungen gelten ab Mittwochabend 22.00 Uhr, gegen Ende Oktober will die niederländische Regierung ihre Wirksamkeit überprüfen.

Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte
APA/AFP/Bart Maat
Rutte fordert von der niederländischen Bevölkerung Zusammenhalt und Verantwortung

„Es liegt an uns allen selbst“

Premier Rutte kündigte auch eine allgemeine Maskenpflicht an für alle öffentlichen Räume wie Geschäfte, Museen und Bibliotheken, bisher war das nur eine dringende Empfehlung. In geschlossenen Räumen gilt eine Maskenpflicht für alle ab 13 Jahren. Öffentliche Verkehrsmittel dürfen nur noch für notwendige Fahrten genutzt werden.

„Es liegt nun an uns allen selbst“, sagte der Premier in der live im TV ausgestrahlten Pressekonferenz. „Seien Sie realistische Niederländer und übernehmen Sie Verantwortung.“

Deutlicher Anstieg bei Neuinfektionen

Die Niederlande hatten monatelang eine weniger strikte Coronavirus-Politik verfolgt als ihre europäischen Nachbarn. Zuletzt sah sich die Regierung allerdings mit stark steigende Neuinfektionszahlen konfrontiert. Nach Angaben des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten weisen die Niederlande derzeit die dritthöchste Rate an Neuinfektionen pro 100.000 Menschen in Europa auf. Nur in Tschechien und Belgien sind die Zahlen höher.

In den vergangenen sieben Tagen waren 252 Infektionen pro 100.000 Einwohner gemeldet worden. Am schlimmsten betroffen sind Amsterdam und Rotterdam mit je rund 400 Infektionen pro 100.000 Einwohner. In der vergangenen Woche registrierte das Institut für Gesundheit und Umwelt (RIVM) fast 44.000 Neuinfektionen – 60 Prozent mehr als in der Vorwoche. Am Dienstag wurden rund 7.400 Neuinfektionen gemeldet, rund 550 mehr als am Vortag. Damit wurde erstmals die 7.000er-Marke überschritten. Auch die Zahl der Patienten in Krankenhäusern und auf Intensivstationen steigt den Angaben zufolge schnell.

34 Menschen starben am Dienstag nachweislich an Covid-19, am Vortag waren 13 Todesfälle gemeldet worden. Seit Ausbruch der Pandemie gab es im Land nachweislich rund 190.000 Infektionen und 6.631 Todesfälle.

Kampf gegen CoV – und Lockdown

Im Kampf gegen das Coronavirus haben zuletzt auch etliche andere europäische Länder die Maßnahmen verschärft. Erklärtes Ziel war es unisono aber auch, Lockdowns wie im Frühjahr zu verhindern. In Großbritannien setzt Premier Boris Johnson etwa auf ein neues dreistufiges Alarmsystem.

Je nach Risikograd – mittel, hoch oder sehr hoch – sollen ab Mittwoch verschärfte Maßnahmen gelten, wie Johnson am Montag im Londoner Parlament erklärte, wobei die höchste Risikostufe auch regionale Lockdowns vorsieht. So müssen in der Region rund um die nordenglische Stadt Liverpool, für die der Premier bereits die höchste Risikostufe erklärte, Pubs und Fitnessstudios bis auf Weiteres schließen. Außerdem dürfen sich Angehörige verschiedener Haushalte in diesen Regionen nicht mehr miteinander treffen, weder drinnen noch draußen.

In dem rund 66,7 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner zählenden Großbritannien ist zuletzt die Zahl der im Zusammenhang mit dem Coronavirus Verstorbenen um 143 auf 43.018 gestiegen. Das ist der höchste Anstieg binnen eines Tages seit Juni. Zudem wurden am Dienstag 17.234 Neuinfektionen bestätigt, nach 13.972 am Montag. Geht es nach Oppositionsführer Keir Starmer ist es mit lokalen Maßnahmen nicht mehr getan. „Wir brauchen einen Circuit Breaker“, so Starmer, der in diesem Zusammenhang einen temporären Lockdown für England forderte.

Vereinigtes Königreich richtet CoV-Alarmsystem ein

In den letzten 24 Stunden wurden über 17.000 positive Coronavirustests im Vereinigten Königreich registriert. Deshalb hat Premierminister Boris Johnson nun ein dreistufiges Alarmsystem mit verschärften Maßnahmen eingeführt.

Italien verbietet private Feiern

Anhaltend hohe Neuinfektionszahlen gibt es auch in Italien. Das 60-Millionen-Einwohner-Land verzeichnete – nach einem Rückgang auf unter 5.000 Fälle am Vortag – am Dienstag 5.901 Neuinfektionen. Auch hier gibt es als Reaktion der Regierung eine drastische Verschärfung der Maßnahmen.

Nach der erst in der vergangenen Woche eingeführten landesweiten Maskenpflicht im Freien, setzt die italienische Regierung nun vor allem auf die Einschränkung im privaten Bereich. In einem von Premier Giuseppe Conte am Dienstag unterzeichneten Dekret heißt es, private Feiern an „Örtlichkeiten drinnen und draußen“ seien verboten. Feierlichkeiten nach Zeremonien, etwa Hochzeiten und Beerdigungen, müssten auf 30 Teilnehmer beschränkt werden.

Außerdem rät Rom den rund 60 Millionen Bürgern dringend, daheim auf Abendessen und andere Treffen mit mehr als sechs Gästen aus anderen Haushalten zu verzichten. Die Regierung empfiehlt zudem, zu Hause einen Mundschutz zu tragen, wenn Leute zu Besuch sind. Die neuen Regeln sollen ab Mittwoch zunächst für einen Monat – bis 13. November – gelten.