König Maha Vajiralongkorn
AP/Thanis Sudto
Thailand

Die Milliarden des Königs

In Thailand wird die Demokratiebewegung von Tag zu Tag größer. Tausende Bürgerinnen und Bürger gehen gegen die Regierung auf die Straße. Aber sie fordern nicht nur den Rücktritt des Ministerpräsidenten, sondern stellen auch die Rolle der Monarchie infrage. Der König war lange Zeit Tabu. Doch ein bisher kaum thematisierter Milliardentransfer stellt die royale Ordnung auf die Probe.

In den vergangenen Tagen wurde in Bangkok wieder laut protestiert. Am Mittwoch brachen Zehntausende zum Regierungsgebäude auf, wo sie ihren Forderungen nach dem Rücktritt der Regierung von Premier Prayut Chan-o-cha und einer neuen Verfassung Nachdruck verliehen. Außerdem sollen, so die Demonstranten und Demonstrantinnen, die drakonischen Gesetze zur Bestrafung einer „Majestätsbeleidigung“ abgeschafft werden.

Die Regierung reagierte auf die Proteste aber mit Internetzensur und einem Versammlungsverbot. Erst am Freitag hatte die Polizei Wasserwerfer gegen Hunderte Demonstrierende, die trotz Verbots auf die Straße gingen, eingesetzt. Am Samstag schalteten Behörden Nahverkehrssysteme ab und errichteten Straßensperren, um sich auf weitere Proteste einzustellen. Die Demonstrierenden versuchen, sich über Soziale Netzwerke zu organisieren. Doch die Regierung hatte bereits Pläne angekündigt, Schritte gegen Twitter- und Facebook-Konten einzuleiten.

Strenge Gesetze

Die rigorosen Gesetze (wer den Regenten beleidigt, riskiert bis zu 15 Jahre Haft) führten laut „Financial Times“ („FT“) auch dazu, dass über einen „außergewöhnlichen Schritt“ bisher kaum berichtet wurde: 2017 wurden die gesamten Vermögenswerte im Wert von 40 Milliarden US-Dollar (34 Mrd. Euro), die seit mehr als 80 Jahren im Namen der Monarchie und der Nation gehalten wurden, in die Hände des neuen Königs Maha Vajiralongkorn überführt.

Demonstranten in Bangkok
Reuters/Jorge Silva
Die Proteste in Thailand nehmen seit Sommer wieder zu: Als Zeichen des Protests strecken die Teilnehmer drei Finger in die Höhe

Das war zwei Jahre nach der Thronbesteigung und bestätigte den Status als reichstes Königshaus der Welt, berichtete die „FT“. Der „Los Angeles Times“ zufolge kontrolliert der König nun ein Vermögen, das höher ist als die gemeldeten Reichtümer des saudischen Königs, des Sultans von Brunei und der britischen Königsfamilie zusammen.

Botschaft veröffentlichte Gegendarstellungen

Das gesamte Kronvermögen, das bis zur Gesetzesänderung vom Crown Property Bureau (CPB) verwaltet wurde, werde nun „im Namen Seiner Majestät“ gehalten, hieß es 2018 in einer kurzen Erklärung. Der Wert des Vermögensportfolios wird auf mehr als 40 Milliarden US-Dollar geschätzt. Zusätzlich zu einer Reihe von erstklassigen Immobilien in der Innenstadt von Bangkok sind große Anteile am größten Industrieunternehmen des Königreichs, der Siam Cement Group, und an einem ihrer größten Kreditgeber, der Siam Commercial Bank, im Besitz des Königshauses.

In der Erklärung hieß es weiter, dass wegen des Transfers auch die Steuerbefreiung aufgehoben werde und das Vermögen der gleichen Besteuerung unterliegen würde wie jenes anderer thailändischer Staatsbürger und Staatsbürgerinnen. Das sei ein Wunsch „Seiner Majestät“ gewesen. Der Vermögenswert wurde vom CPB nie öffentlich bekanntgegeben. Als das „Forbes“-Magazin im Jahr 2012 den Wert auf 30 Milliarden US-Dollar bezifferte, trudelte eine Nachricht der Botschaft Thailands in Washington ein: Der König sei nicht reich, das Vermögen des CPB werde „treuhänderisch für die Nation gehalten“.

Thailands König Maha Vajiralongkorn und Königin Suthida grüßen Menschen, die am Gehsteig knien
APA/AFP
Der König genießt in Teilen der Bevölkerung noch Rückhalt

Einen ähnlichen Kommentar lieferte die thailändische Botschaft bereits 2011. Der Grund: Die „New York Times“ hatte zuvor in einem Artikel gefragt, wer denn die Fäden des königlichen Geldbeutels in der Hand halte. Prompt folgte eine Gegendarstellung der thailändischen Diplomaten – mit dem Hinweis, dass der damalige König, Bhumibol Adulyadej, in einem 2011 veröffentlichten „Sunday Times“-Ranking der „Reichsten Personen der Welt“ gar nicht aufscheine. Nach dem Tod Bhumibols übernahm sein Sohn Maha Vajiralongkorn im Oktober 2016 das Szepter. Monate später wurde das Gesetz zur Vermögensverwaltung geändert und im Juni 2018 wurde es laut „FT“ vom CPB bekanntgegeben.

Trennung zwischen Privat und Kronvermögen

Weder thailändische noch internationale Medien hinterfragten die überraschende Finanzkonzentration auf das Königshaus kritisch. Doch zwei Jahre später, inmitten einer Welle landesweiter Proteste, hagelt es Kritik an der Vermischung des privaten Vermögens des Königs mit dem Kronvermögen. Thailänder und Thailänderinnen fragen sich, warum öffentliche Gelder an einen König ausgehändigt werden, der mehr Zeit in Deutschland als in Thailand verbringt. Vajiralongkorn lebt schon seit einiger Zeit in Bayern. Er besitzt eine Villa am Starnberger See und kehrt nur zu besonderen Anlässen nach Thailand zurück.

In einem Manifest verlangen die zumeist jungen Demonstranten und Demonstrantinnen eine Kürzung des königlichen Haushalts „entsprechend der wirtschaftlichen Situation des Landes“, ein Ende der königlichen Wohltätigkeitsprojekte, die über Steuergelder finanziert werden, und die Trennung des persönlichen Vermögens des Königs vom Kronvermögen. „Es ist das größte aller Probleme in Thailand“, sagt ein Mitglied der Demokratiebewegung gegenüber der „FT“. „Die königliche Institution kann sich in die Politik einmischen, weil sie genug Geld hat.“

Polizei in Bankgkok
APA/AFP/Jack Taylor
Die Ausgaben des Königs – auch für dessen persönliche Sicherheit – werden kritisch hinterfragt

Auch das Coronavirus spielt in den Protesten eine Rolle. Thailand ist zwar dank strikter Maßnahmen bisher sehr erfolgreich im Kampf gegen das Virus, jedoch liegt die extrem wichtige Tourismusindustrie mit vielen Arbeitsplätzen fast komplett am Boden. Die Regierung prognostizierte für dieses Jahr nur noch 6,7 Millionen ausländische Besucher und Besucherinnen. Vergangenes Jahr brach man mit 39,8 Millionen Touristen und Touristinnen einen Rekord. Alleine deshalb ist es für viele nicht nachvollziehbar, dass der König über das wertvolle Kronvermögen waltet.

Opposition: Ausgaben des Königs werden höher

Nicht bei allen Thailändern und Thailänderinnen stoßen die Proteste und Forderungen auf Zustimmung. Manche sind der Meinung, dass die Studenten und Studentinnen, die die Demokratiebewegung tragen, mit ihrer Forderung nach einer Eindämmung der royalen Macht übertrieben haben. Die Demonstrierenden hätten damit in einem Land, das von vielen Staatsstreichen und politischem Blutvergießen geprägt ist, ein gefährliches Territorium betreten.

Andere wiederum ließen sich von den Demonstrationen offenbar inspirieren. Abgeordnete der Opposition hätten Medienberichten zufolge herausgefunden, dass die Ausgaben seit der Thronbesteigung des Königs im Jahr 2016 stark gestiegen seien. Laut Opposition könnten die Ausgaben das Königshaus 2020 290 Millionen Dollar erreichen – im Jahr 2018 waren es 135 Millionen US-Dollar. Zudem wurden Ausgaben des Königs offenbar über Ministerien bezahlt, sagt die Oppositionspartei Move Forward, die die Vermögensübertragung vom CPB auf den König kritisierte.

„Zum Wohle der Nation“

Seit Jahren wird über das Vermögen des Königs spekuliert. Thailands Regierung schottet sich allerdings ab, wenn Journalisten versuchen, das königliche Vermögen zu schätzen oder sich auf die Milliarden Dollar an Vermögenswerten zu beziehen, die der König besitzt. Bekannt ist, dass es die 23,4-prozentige Beteiligung an der Siam Commercial Bank im Wert von 1,7 Milliarden Dollar und 33,6 Prozent an der Siam Cement Group im Wert von 4,5 Milliarden Dollar gibt. Das größte Vermögen sind laut „FT“ jedoch Immobilien, vor allem in Bangkok, aber auch in den zentralen Ebenen Thailands und anderen Regionen.

Der bereits verstorbene Ökonomieprofessor Porphant Ouyyanont schrieb 2015, also vor dem neuen König und vor der Übertragung des Kronvermögens, dass die Fühler des CPB „in fast jeden bedeutenden Bereich des thailändischen Wirtschaftslebens hineinreichen“. Deshalb sei es wichtig, dass das CPB politisch unabhängig bleibe. Ouyyanont meinte aber auch, dass der König wegen seiner Stellung informell Einfluss auf die oberste Ebene des CPB ausübt.

In seinem Resümee schrieb der Forscher noch bevor der alte König starb und der Thronfolger übernahm: „Unter einem weisen und wohltätigen Monarchen kann das CPB ein Instrument für Fortschritt und soziale Gerechtigkeit sein. Die Frage für die Zukunft ist, wie die Nachfolger des gegenwärtigen Monarchen in der Lage sein werden, die Unabhängigkeit und Integrität des CPB zu wahren und gleichzeitig die enormen Ressourcen des CPB zum Wohle der gesamten Nation einzusetzen.“