Polizei in Conflans-Saint-Honorine
AP/Michel Euler
„Islamistischer Anschlag“

Neun Festnahmen nach Mord an Lehrer

Der Schock in Frankreich ist groß. In dem Pariser Vorort Conflans-Sainte-Honorine wurde Freitagnachmittag ein Geschichtelehrer enthauptet. Der Tat waren Drohungen vorausgegangen. Präsident Emmanuel Macron sprach am Tatort von einem „bösartigen islamistischen Terroranschlag“. Bisher sind nach Angaben aus Justizkreisen neun Personen in Gewahrsam genommen worden.

Bereits in der Nacht auf Freitag wurden vier Menschen verhaftet, Samstagfrüh hieß es aus Justizkreisen, dass fünf weitere Verdächtige festgenommen wurden. Darunter sollen auch Eltern von Schülern der Schule sein, an der das Opfer unterrichtete.

Der Lehrer war am Freitagnachmittag auf offener Straße in der Nähe des Schulgebäudes angegriffen und enthauptet worden. Das Opfer hatte laut Behörden zahlreiche Wunden am Oberkörper und Kopf. Der mutmaßliche Täter, laut Staatsanwaltschaft 2002 in Moskau geboren und russischer und tschetschenischer Herkunft, hatte dem Lehrer auf dem Heimweg aufgelauert.

Der 18-Jährige war mit einem Messer und einer Softair-Pistole bewaffnet – in der Nähe des Tatorts fand die Polizei außerdem ein rund 30 Zentimeter langes blutverschmiertes Messer. Der Angreifer habe seit dem Frühjahr einen Flüchtlingsstatus in Frankreich und sei bisher geheimdienstlich nicht aufgefallen. Der Angreifer wurde von der Polizei angeschossen und starb später.

Drohungen im Vorfeld

Die Staatsanwaltschaft führte am Samstag aus, dass dem Angriff bereits Drohungen gegen den Lehrer und die Schule vorausgegangen waren. Der Lehrer hatte Anfang Oktober im Rahmen der Debatte über Meinungsfreiheit und die Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen der Satirezeitung „Charlie Hebdo“ im Unterricht entsprechende Zeichnungen gezeigt. Daraufhin veröffentlichte ein Vater Posts in Sozialen Netzwerken, beschwerte sich bei der Schulleitung und machte gegen den Lehrer mobil.

Der mutmaßliche Täter postete nach der Tat ein Foto des verstorbenen Opfers im Netz. „Ich habe einen Ihrer Höllenhunde hingerichtet, der es gewagt hat, Mohammed herabzusetzen“, zitierte der Staatsanwalt aus dem Tweet.

Paris: Weitere Festnahmen nach Anschlag

Nach Angaben der Anti-Terror-Staatsanwaltschaft wurden nach dem tödlichen Angriff auf einen Lehrer bei Paris fünf weitere Menschen festgenommen. Frankreichs Präsident Macron nannte die Tat einen „islamistischen Terroranschlag“.

„Sie werden damit nicht durchkommen“, sagte Macron bei seiner kurzen Rede am Tatort. Er betonte, dass Bildung ein hohes Gut sei. Es sei kein Zufall, dass ein Terrorist ausgerechnet einen Lehrer ermordet habe, weil er das Land in seinen Werten habe angreifen wollen. Der Lehrer sei ermordet worden, weil er für Meinungsfreiheit eingestanden habe.

Der Vater eines 13-Jährigen sagte dem Sender France Inter, dass der Lehrer aber muslimische Schüler gefragt habe, ob sie den Raum verlassen wollten, bevor er die Bilder zeigte. Der Lehrer sei nicht „herablassend oder respektlos“ gewesen.

Schule in Conflans-Saint-Honorine
Reuters/Abdulmonam Eassa
Die Tat ereignete sich in der Nähe des Schulgebäudes, in dem das Opfer unterrichtete

„Sind mit allen Lehrern“

Auch Macron sprach davon, dass die Schuldirektorin in den vergangenen Wochen hohem Druck ausgesetzt gewesen sei, ohne auf Hintergründe einzugehen. „Ich möchte heute Abend allen Lehrern Frankreichs sagen, dass wir mit ihnen zusammen sind, dass die ganze Nation heute und morgen an ihrer Seite sein wird, um sie zu schützen, zu verteidigen und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre schönste Aufgabe zu erfüllen, die es gibt: freie Bürger zu machen“, so Macron.

Der französische Präsident hatte zuletzt stark auf Bildung im Kampf gegen radikalen Islamismus gesetzt. Der Fernunterricht von Kindern, die zu Hause bleiben, solle vom kommenden Sommer an strikt eingegrenzt werden, kündigte Macron Anfang Oktober an. Ausnahmen solle es nur noch aus Gesundheitsgründen geben. Unterricht sei vom Alter von drei Jahren an verpflichtend.

„Kreislauf der Gewalt“

Zahlreiche Politikerinnen und Politiker reagierten schockiert auf den Vorfall. „Dieser Angriff ist nicht nur ein Angriff zu viel. Er ist barbarisch und sehr ernst“, sagte David Le Bars, Generalsekretär einer Polizeigewerkschaft, dem Sender Franceinfo. „Wir befinden uns wieder in diesem Kreislauf der Gewalt. Und die Menschen sind sich dessen bewusst.“

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron
APA/AFP/Abdulmonam Eassa
Macron hielt eine kurze Ansprache am Tatort. Er verurteilte den „bösartigen islamistischen Terroranschlag“

Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verurteilte den Anschlag. Sie sprach den Angehörigen des Opfers ihr Beileid aus und betonte die Bedeutung von Lehrern in einer Demokratie. „Meine Gedanken sind auch bei den Lehrern, in Frankreich und in ganz Europa. Ohne sie gibt es keine mündigen Bürger. Ohne sie gibt es keine Demokratie“, schrieb von der Leyen.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sicherte in der Nacht auf Samstag Frankreich volle Solidarität zu. Er verurteile den „barbarischen islamistischen Terrorangriff“ aufs Schärfste, so Kurz auf Twitter. Sein aufrichtiges Beileid gelte den Angehörigen des Opfers. „Wir werden uns dadurch nicht einschüchtern lassen und unser europäisches Lebensmodell weiterhin verteidigen“, betonte der Bundeskanzler.

Messerattacke vor wenigen Wochen

Erst vor wenigen Wochen hatte es vor dem ehemaligen Redaktionsgebäude des Satiremagazins „Charlie Hebdo“ in Paris eine Messerattacke gegeben. Dabei wurden zwei Menschen verletzt. Auch hier hat der Täter veröffentlichte Mohammed-Karikaturen als Motiv für die Tat angegeben. Auf die Redaktion von „Charlie Hebdo“ hatte es im Jänner 2015 einen tödlichen Anschlag gegeben. Aktuell läuft in Paris der Prozess gegen mutmaßliche Helfer der Terrorserie im Jänner 2015, bei der insgesamt 17 Menschen getötet wurden.