Zwei Hände und eine Mundnasenschutzmaske
Reuters/Leonhard Foeger
Steigende CoV-Zahlen

Appelle für Reduktion von Sozialkontakten

Die Regierung hat die Bevölkerung angesichts der steigenden CoV-Zahlen zuletzt auf bundesweite Verschärfungen zur Eindämmung des Virus eingestimmt – am Montag könnten neue Maßnahmen bekanntgegeben werden. Bis dahin spricht die Regierung Appelle aus, die Zahl der sozialen Kontakte einzuschränken. Unterdessen wurden alle Regierungsmitglieder auf eine Infektion getestet. Bis auf ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg sind alle CoV-negativ.

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) sprach angesichts der hohen Zahl der Neuinfektionen von einem „Alarmsignal“ und verwies darauf, dass nun „Eigenverantwortung und Rücksicht auf Mitmenschen durch Reduktion der persönlichen Kontakte“ oberste Prämisse sein müsse. Dazu werden am Wochenende auch die österreichweiten Kontrollen der Sperrstunde in der Gastronomie fortgesetzt – in der Nacht auf Samstag gab es 41 Anzeigen, hieß es.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte ebenso darauf verwiesen, dass man nur durch die Reduktion von sozialen Kontakten, „was natürlich von uns allen Verzicht bedeutet“, den Anstieg der Infektionszahlen stoppen könne. Zusätzlich müsse man sich „noch stärker an die Hygienevorschriften halten“, schließlich würden „die Bundesländer in Österreich mit stark steigenden Neuinfektionen mehr“ werden, schrieb Kurz am Samstag auf Facebook.

Schwierige politische Entscheidungen

Das Wachstum der Infektionen in Österreich stellt die Politik vor schwere Entscheidungen: Wie findet man einen Weg zwischen Gesundheitspolitik und Wirtschaftsproblemen, welche Maßnahmen setzt man – und wie verkauft man sie der Bevölkerung?

Ähnliches war von Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel verlautbart worden: „Die Ausbreitung des Virus hängt direkt an der Zahl der Kontakte, (…) die jeder von uns hat“, so Merkel. Wenn jeder seine Begegnungen außerhalb der eigenen Familie eine Zeit lang deutlich verringere, dann könne es gelingen, den Trend zu immer mehr Infektionen zu stoppen und umzukehren. „Treffen Sie sich mit deutlich weniger Menschen, ob außerhalb oder zu Hause“, so Merkel.

Ärger über Zahlen für Wien: „Glatte Lüge“

Unterdessen kam es am Samstag zu einem Streit über die Zahl der neuen Fälle – vor allem Wien wurde sehr hoch angesetzt. Falsche Zahlen seien an Medien herangetragen worden, sagte der Sprecher des Wiener Gesundheitsstadtrats Peter Hacker (SPÖ) – via Twitter ortete er eine „glatte Lüge“. Niederösterreichs Gesundheitslandesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) warnte vor „Verunsicherung der Bevölkerung“.

Menschen auf der Straße in Wien
Reuters/Lisi Niesner
Am Montag könnten neue Maßnahmen bekanntgegeben werden – welche das sind, ist noch unklar

Grund für die Aufregung: Zwar meldeten Gesundheits- und Innenministerium am Samstag mit 1.747 Neuinfektionen österreichweit die bisher höchste Zahl, doch mehrere Medien meldeten bereits vor der offiziellen Bekanntgabe der Zahlen 2.317 Fälle. Die am Vormittag kolportierten Zahlen sorgten in Wien und Niederösterreich für Ärger: Wien habe 599 neue Infektionen registriert, wie der Krisenstab mitteilte, man liege im Wochenvergleich immer noch zwölf Prozent niedriger als in der Vorwoche. In den Medienberichten war von mehr als 800 neuen Fällen die Rede gewesen.

Geleakte Rohdaten „nicht aus Gesundheitsministerium“

Dabei dürfte es sich um Rohdaten gehandelt haben, die etwa noch nicht um Mehrfachnennungen bereinigt gewesen seien, teilte der Krisenstab mit. Hackers Sprecher erklärte, zu wissen, dass diese Zahlen aktiv an Medien herangetragen worden seien – wobei er nicht ausführte, von wem. Hier werde bewusst mit Ängsten der Menschen Politik gemacht, so Hackers Sprecher. „Hier wurden JournalistInnen schlicht belogen. Das ist unglaublich schlechter Stil“ – mehr dazu in wien.ORF.at.

Das Gesundheitsministerium betonte, dass die in der Früh kolportierten Daten „nicht aus dem Gesundheitsministerium“ stammen würden.

„Ärgernis“, „Verunsicherung der Bevölkerung“

Auch Niederösterreichs Gesundheitslandesrätin Königsberger-Ludwig machte auf eine Diskrepanz zwischen Neuinfektionszahlen des Landessanitätsstabs und den von Medien kolportierten Daten des Bundes aufmerksam. Über ihren Pressesprecher kritisierte sie „die Darstellung der Zahlen aus dem Innen- und Gesundheitsministerium“. So meldete am Samstag der Sanitätsstab des Landes 225 Neuinfektionen, die Bundesbehörden den Berichten zufolge 411.

Der extreme Unterschied in der Darstellung der Zahlen sei ein „Ärgernis, das zur Verunsicherung der Bevölkerung beiträgt“, so der Sprecher der Landesrätin – mehr dazu in noe.ORF.at. Der Landessanitätsstab Niederösterreich melde täglich um 8.00 Uhr die korrekten Zahlen nach Wien weiter. Wie der Bund dann zu den jeweils unterschiedlichen Zahlen komme, sei zwar zum Teil durch unterschiedliche Einmeldungen der einzelnen Teststationen erklärbar, aber insgesamt „schwer nachvollziehbar“.

Regierung stimmte auf neue Schritte ein

Bei der CoV-Strategie wird derzeit noch auf regionale Maßnahmen gesetzt – das könnte sich aber demnächst ändern: Am Freitag stellten Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und Kurz neben landesspezifischen weitere bundesweite Verschärfungen in Aussicht. Nach Beratungen mit den Bundesländern am Montag könnten diese bekanntgegeben werden.

Bundeskanzler Sebastian Kurz und Gesundheitsminister Rudolf Anschober
APA/Roland Schlager
Kurz (li.) und Anschober stellen auch bundesweite Maßnahmen in Aussicht

Am Montag findet laut dem Kanzler eine Videokonferenz zwischen Bund und Ländern statt. Sie soll dazu dienen, „dass wir gemeinsam die nächsten Schritte besprechen und die richtigen Maßnahmen im Bund und in den Ländern setzen“, so Kurz. Grund für die Bund-Länder-Videokonferenz am Montag sind die zunehmenden Infektionszahlen. Dabei sollen zwischen Kurz, Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Anschober, Innenminister Nehammer und den Landeshauptleuten die aktuelle Infektionslage und weitere Maßnahmen diskutiert werden.

Anschober verweist auf drei Indikatoren

Gesundheitsminister Anschober warnte am Freitag erneut vor einer Zuspitzung der Lage. Besonders besorgt sei er wegen der Zunahme der Spitalspatienten, der Infektionsfälle in einigen Altersheimen sowie wegen des Ansteigens des Durchschnittsalters bei den positiv Getesteten.

In allen betroffenen Bezirken mit höherem Risiko zeige sich eine immer stärkere Verschiebung der Ansteckungen in den privaten Bereich hin zu kleinen Feiern und Partys, zu kleinen Veranstaltungen und in Familien, so Anschober.

„Wenn es uns gelingt, die Peaks in diesen Regionen abzufangen und zu verringern, dann ist das bereits der halbe Erfolg für die Entwicklung in Österreich." Der befürchtete starke Zuwachs bei stark fallenden Temperaturen ist damit Wirklichkeit geworden“, sagte Anschober und forderte wieder mehr Gemeinsamkeit und Zusammenhalt auch in Österreich.

Quarantäne in Kuchl begonnen

Einige Bundesländer haben in den vergangenen Tagen Maßnahmen erneut verschärft. Seit Mitternacht gelten etwa in Salzburg neue Regeln. Die gravierendste betrifft das Tennengauer Kuchl mit einer Sperre für die ganze Gemeinde. Nur mehr Schlüsselarbeitskräfte dürfen die Gemeindegrenzen passieren – mehr dazu in salzburg.ORF.at. Im ganzen Bundesland gibt es unterdessen kaum mehr eine Gemeinde, in der kein CoV-Fall bekannt ist. Mit Stand 11.30 Uhr waren 95 der insgesamt 119 Salzburger Gemeinden betroffen, hieß es seitens des Landes – mehr dazu in salzburg.ORF.at.

Kritik von NEOS

NEOS kritisierte unterdessen die Regierung generell und Kurz speziell. Die Ankündigung einer Entscheidung sorge nur für Verunsicherung. Die Regierung müsse offenlegen, was sie vorhabe und auf welcher Datenbasis sie Entscheidungen treffe, so Generalsekretär Nikolas Donig. Die Lage in den Spitälern rechtfertige keine „überzogenen“ Maßnahmen. Donig monierte zudem, das Contact-Tracing funktioniere teils immer noch nicht.

Nur Schallenberg positiv getestet

Unterdessen wurde Außenminister Schallenberg bei einem Routinetest positiv auf das Coronavirus getestet. Bisher weise er keine Symptome auf, teilte seine Sprecherin Samstagfrüh mit. Der Minister sei in Heimquarantäne.

Das Testergebnis wurde Freitagnachmittag bekanntgegeben, sofort danach seien Mitarbeiter und Kontaktpersonen, die laut Einschätzung der Gesundheitsbehörden als Kontaktperson 1 gewertet werden, abgesondert und ebenfalls getestet worden. Als Vorsichtsmaßnahme wurden auch alle Regierungsmitglieder getestet. Alle außer Schallenberg seien negativ, hieß es am Abend zur APA. Schallenberg hatte am Mittwoch am Ministerrat und am Plenum des Nationalrats teilgenommen, die Teilnehmer trugen aber Masken.

Reisen abgesagt

Schallenberg – der Freitagnachmittag getestet wurde – könnte sich laut Außenministerium beim Rat der EU-Außenminister in Luxemburg am Montag angesteckt haben. Am Samstagnachmittag wurde bekannt, dass auch die belgische Außenministerin Sophie Wilmes sich mit dem Coronavirus infiziert hat.

Der Außenminister hätte am Montag nach London reisen sollen, wo unter anderem ein Treffen mit seinem britischen Amtskollegen Dominic Raab geplant war. Am Dienstag wäre er nach Kopenhagen weitergereist, dort standen ein Arbeitsgespräch mit Außenminister Jeppe Kofod und ein Treffen mit dem Regionaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Hans Kluge, auf dem Programm.

Am Donnerstag und Freitag wollte Schallenberg Griechenland und Zypern besuchen und ebenfalls Gespräche mit seinen beiden Amtskollegen Nikos Denidas und Nikos Christodoulidis führen. Diese Reisen sind nun abgesagt.