Kind zündet Kerze an
APA/AFP/Bertrand Guay
Frankreich

Entsetzen nach Mord an Lehrer

Nach dem tödlichen Angriff auf einen Lehrer in Frankreich sind Schock und Empörung groß. Zahlreiche Menschen gingen am Samstag im ganzen Land aus Solidarität mit dem Getöteten auf die Straße. Die Staatsanwaltschaft gab am Samstag Details bekannt. Bei dem mutmaßlichen Angreifer handelte es sich um einen erst 18-Jährigen russischer und tschetschenischer Herkunft, der als Flüchtling in Frankreich lebte.

Der Täter hatte seinem Opfer im Pariser Vorort Conflans-Sainte-Honorine aufgelauert. Der 47-jährige Lehrer war am späten Freitagnachmittag auf dem Heimweg von der Schule. Der junge Mann tötete den Pädagogen durch Enthauptung. Die Leiche wurde mit zahlreichen Wunden an Oberkörper und Kopf aufgefunden. In der Nähe des Tatorts fanden die Ermittler zudem ein rund 30 Zentimeter langes blutverschmiertes Messer.

Noch in der Nacht war Staatspräsident Emmanuel Macron zum Tatort gereist und hatte von einem „islamistischen Terrorakt“ gesprochen. Es sei kein Zufall, dass ein Terrorist ausgerechnet einen Lehrer ermordet habe, weil er das Land in seinen Werten habe angreifen wollen, sagte der Staatschef in der Nähe des Tatorts. Auch Premier Jean Castex sagte, die Republik sei vom „islamistischen Terrorismus“ in ihrem Herzen getroffen worden. Für Mittwoch kündigte der Elysee-Palast eine nationale Gedenkfeier an. Zahlreiche Menschen gingen schon am Samstag im ganzen Land aus Solidarität mit dem Getöteten auf die Straße, auch in Conflans-Sainte-Honorine haben Hunderte Menschen des Opfers gedacht.

Foto des Opfers online gestellt

Der mutmaßliche Angreifer war von der Polizei erschossen worden. Nach der Ermordung des Lehrers hatte er noch ein Foto des Opfers im Netz veröffentlicht und richtete eine Nachricht an Macron, den er als „Anführer der Ungläubigen“ bezeichnete. „Ich habe einen Ihrer Höllenhunde hingerichtet, der es wagte, Mohammed herabzusetzen.“

Bei dem Mann handelte es sich laut Staatsanwalt Jean-Francois Ricard um einen 2002 geborenen Mann russischer und tschetschenischer Herkunft. Er sei als Flüchtling nach Frankreich gekommen und habe seit diesem Frühjahr eine Aufenthaltsgenehmigung. Der Angreifer war in Frankreich nicht wegen Radikalisierung erfasst worden. Er war der Polizei aber wegen krimineller Delikte bekannt, für die er jedoch nicht verurteilt wurde.

Paris: Weitere Festnahmen nach Anschlag

Nach Angaben der Anti-Terror-Staatsanwaltschaft wurden nach dem tödlichen Angriff auf einen Lehrer bei Paris fünf weitere Menschen festgenommen. Frankreichs Präsident Macron nannte die Tat einen „islamistischen Terroranschlag“.

Staatsanwalt Ricard äußerte sich ausführlich zum mutmaßlichen Hintergrund der Tat. Dem Angriff seien bereits Drohungen gegen den Lehrer und die Schule vorausgegangen. Der Lehrer hatte Anfang Oktober im Rahmen des Unterrichts das Thema Meinungsfreiheit aufgegriffen. Anlass war die erneute Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen seitens des Satiremagazins „Charlie Hebdo“. Der Lehrer zeigte im Unterricht entsprechende Karikaturen.

Daraufhin veröffentlichte ein Vater Postings in Sozialen Netzwerken, beschwerte sich bei der Schulleitung und machte gegen den Lehrer mobil. Der Vater wurde Medien zufolge von einem bekannten Islamisten in die Schule begleitet, der nun wie der Vater ebenfalls in Polizeigewahrsam ist.

Abgeordneter in Tunesien verteidigte Tat

In Tunesien leitete die Staatsanwaltschaft am Samstag eine Untersuchung gegen einen Parlamentarier ein, der die Tat verherrlicht hatte. Man werde gegen den unabhängigen Abgeordneten Raschid Chiari aufgrund seiner Aussagen ermitteln und seinen Posten im Parlament prüfen, sagte der stellvertretende Staatsanwalt und Gerichtssprecher in Tunis, Mohsen Dali, nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur TAP am Samstag. Bei dem Beitrag Chiaris handle es sich ohne Frage um die Verherrlichung einer terroristischen Tat. Chiari hatte die Tat auf seiner Facebook-Seite verteidigt. „Den Gesandten Gottes zu beleidigen“ sei „das größte Verbrechen“, schrieb er dort. Wer es begehe, müsse die Konsequenzen tragen.

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Die Anteilnahme nach dem Tod des Lehrers ist groß

Der tschetschenische Republikchef Ramsan Kadyrow verurteilte die Tat und wies am Samstag zugleich jede Verantwortung seiner Landsleute zurück. „Ich kann Ihnen versichern, dass die Tschetschenen damit nichts zu tun haben“, schrieb Kadyrow auf Telegram. Der mutmaßliche Täter habe fast sein ganzes Leben in Frankreich verbracht, so Kadyrow. „Es ist nicht das erste Mal, dass Frankreich versucht, alle seine Probleme auf die Tschetschenen abzuwälzen“, sagte er.

Nach Angaben der russischen Botschaft in Frankreich hatte der in Moskau geborene Angreifer auch zu Russland keinerlei Beziehungen, da er seit zwölf Jahren in Frankreich gelebt habe.

Internationale Reaktionen

Von anderen Ländern gab es nach dem Angriff große Anteilnahme. „Meine Gedanken sind auch bei den Lehrern, in Frankreich und in ganz Europa. Ohne sie gibt es keine Bürger. Ohne sie gibt es keine Demokratie“, schrieb EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sicherte Frankreich volle Solidarität zu. Er verurteile den „barbarischen islamistischen Terrorangriff“ aufs Schärfste, so Kurz auf Twitter. Sein aufrichtiges Beileid gelte den Angehörigen des Opfers. „Wir werden uns dadurch nicht einschüchtern lassen und unser europäisches Lebensmodell weiterhin verteidigen“.

US-Präsident Donald Trump verurteilte die mutmaßlich terroristisch motivierte Ermordung und nutzte sie für eine Botschaft an seine Wählerinnen und Wähler. „Einwanderungssicherheit ist nationale Sicherheit“, sagte Trump am Samstagabend (Ortszeit) in Janesville im Bundesstaat Wisconsin. „Wir brauchen Grenzen. Eine Nation ohne Grenzen ist keine Nation“, sagte er und drückte daraufhin sein „sehr aufrichtiges Beileid“ an seinen „Freund“ Macron aus.

Frankreich wird seit Jahren von islamistischen Anschlägen erschüttert – dabei starben mehr als 250 Menschen. Daher ist die Terrorgefahr fast ständig im Bewusstsein der Menschen. Frankreichs Regierung hat den Kampf gegen den Terror zu einer Priorität gemacht und warnt immer wieder, dass die Gefahr von Terrorangriffen sehr hoch sei.

Bildung soll schützen

Erst vor wenigen Wochen hatte es vor dem ehemaligen Redaktionsgebäude von „Charlie Hebdo“ in Paris eine Messerattacke gegeben. Dabei wurden zwei Menschen verletzt – auch hier hatte der Täter Mohammed-Karikaturen als Motiv angegeben. Auf die Redaktion von „Charlie Hebdo“ hatte es im Jänner 2015 einen verheerenden Mordanschlag gegeben, bei dem die wichtigsten Zeichner des Blattes getötet wurden. Aktuell läuft in Paris der Prozess gegen mutmaßliche Helfer der islamistischen Terrorserie im Jänner 2015, bei der insgesamt 17 Menschen getötet wurden. Die Redaktion befindet sich heute aus Sicherheitsgründen an einem geheimen Ort.

Im Kampf gegen radikalen Islamismus hatte Macron zuletzt vor allem auf die Bildung als zentrales Element gesetzt. Der Fernunterricht von Kindern, die zu Hause bleiben, soll etwa vom kommenden Sommer an strikt eingegrenzt werden. Unterricht sei vom Alter von drei Jahren an verpflichtend. „Die Schule bildet den freien Geist, aufgeklärte Bürger – und genau das ist es, was die Islamisten, die von Dummheit, Unwissenheit, Indoktrination und Hass leben, nicht tolerieren können“, sagte die Beigeordnete Ministerin im Innenministerium, Marlene Schiappa, dem Sender Franceinfo.