Person isst einen Veggie-Burger
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Veggie-Produkte

EU entscheidet über die Kuh im Burger

Ist ein Veggie-Burger ein Burger? Kann ein Schnitzel auch vegetarisch sein? Über diese Fragen wird diese Woche im EU-Parlament abgestimmt. Konkret geht es um einige Begriffe, die künftig exklusiv Produkten aus Fleisch vorbehalten sein sollen. Groß unterstützt wird das Vorhaben von der Fleischlobby in der EU. Und auch anderen vegetarischen Produkten könnte es an den Kragen gehen.

„Steak“, „Wurst“, „Schnitzel“, „Burger“, „Hamburger“: Geht es nach einem der Änderungsanträge, der dem EU-Parlament diese Woche zur Abstimmung vorgelegt wird, müssen diese und weitere Produkte künftig aus Fleisch bestehen. Das würde wohl ebenso das Aus für den „Veggie-Burger“ wie für das „Seitanschnitzel“ bedeuten – und auch die „Sojawurst“ müsste umbenannt werden.

Fleischlose Alternativen sind freilich schon lange kein Nischenprodukt mehr: Zahlreiche große Anbieter mischen mittlerweile auf dem Markt mit, in vielen Supermarktregalen wird direkt neben abgepackten Wurstwaren die entsprechende „Vurst“-Alternative angeboten. Die Produkte sehen ähnlich aus, spätestens beim Geschmack scheiden sich aber die Geister. Wenn eine Runde aus Fleischessern und Vegetariern zusammenkommt, wird über die Sinnhaftigkeit derartiger Alternativen oft lebhaft diskutiert – Augenverdrehen bei allen Beteiligten inklusive.

„Kapern kultureller Errungenschaften“

Schon seit einiger Zeit kursiert das Thema auf politischer Ebene, mit enorm großen Lobbys auf beiden Seiten, die mit durchaus bemerkenswerten Argumenten um sich werfen. So schreibt etwa COPA-COGECA, der Zusammenschluss der zwei größten Interessenvertreter der europäischen Landwirtschaft, zuletzt in einer Aussendung vom „Kapern kultureller Errungenschaften“ – aber das Hauptargument ist vor allem eine „Irreführung“ der Kundinnen und Kunden.

Auch die Wirtschaftskammer meldete sich am Dienstag zu Wort und schrieb von „Konsumententäuschung und Wettbewerbsverzerrung“. Für die Anliegen der europäischen Landwirte wird jetzt mit einem Bild eines vegetarischen Burgers im Stil Rene Magrittes geworben – „Ceci n’est pas un burger“ („Das ist kein Burger“).

Illustration der europäischen Kampagne „Ceci n’est pas un steak“
COPA/COGECA
Mit einem surrealistisch anmutenden Burger macht die Agrarlobby gegen Veggie-Produkte Stimmung

Auf der anderen Seite nennt die Lobby, hinter der Lebensmittelgiganten wie Unilever und Nestle stehen, diese Vorwürfe lächerlich, schreibt zuletzt der „Guardian“. Würde man derartig benannte Produkte aus dem Handel verbannen, würde man zusätzlich dem Bestreben der EU entgegenwirken, auf nachhaltige Lebensmittel zurückzugreifen und damit das Klima zu schonen.

Vorbild Frankreich

Sollten sich die Parlamentarierinnen und Parlamentarier für eine Änderung der Bezeichnungen entscheiden, würde man eine ähnliche Regelung wie in Frankreich ansteuern. Dort gibt es schon seit ein paar Monaten ein entsprechendes Gesetz, das die Kennzeichnung von Veggie-Burgern als „Burger“ verbietet. Das ist auch auf EU-Ebene nicht unwichtig, denn Frankreich ist beim Thema Landwirtschaft eine treibende Kraft – und unterstützt freilich den Vorschlag, berichtet der „Guardian“.

Auch Milchalternativen drohen neue Einschränkungen

Diese Woche wird aber ein weiteres pflanzliches Streitthema aufgewärmt, denn auch die Beschreibung von Milchersatzprodukten könnte, wenn sich die Abgeordneten dafür entscheiden, weiter eingeschränkt werden. Schon 2017 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass man pflanzliche Produkte nicht etwa „Sojamilch“ und „Pflanzenkäse“ nennen darf.

Nun könnte aber selbst der Vergleich mit derartigen Produkten unterbunden werden. Ein Änderungsantrag sieht vor, dass Bezeichnungen wie „cremig wie Joghurt“, „Käse-Geschmack“ und auch „Milchersatz“ verboten werden sollen. Auch hier ist die Landwirtschaftslobby dahinter. „Wir alle wissen, wofür Margarine steht. Und es ist keine Butter oder Pflanzenfettbutter“, zitiert „Politico“ einen Vertreter von COPA-COGECA.

Eine Vertreterin von ProVeg, einer Organisation, die sich für pflanzenbasierte Alternativen einsetzt, kann dem nichts abgewinnen. „Es gibt unzählige existierende Verweise auf die Beschaffenheit, Konsistenz, Funktion, den Geschmack oder die Herkunft von Lebensmitteln, wie z. B. ‚Erdnussbutter‘ oder ‚Cream Crackers‘. Es wäre mehr als lächerlich, wenn all diese Produkte und Lebensmittel umbenannt werden müssten, nur um Milch zu schützen“, sagte sie gegenüber „Politico“.

ÖVP-Abgeordnete für Änderung, SPÖ, Grüne, NEOS dagegen

Ein von ORF.at gestarteter Rundruf durch die Delegationen der heimischen Parteien ergab ein durchwachsenes Bild, was die geplanten Änderungen betrifft. Die ÖVP-Abgeordnete Simone Schmiedtbauer spricht sich für die Änderungen aus: „Milch ist Milch und Fleisch ist Fleisch. Ein Hirse-, Soja- oder Mandel-Getränk ist keine Milch und Soja- und Seitan- und andere sogenannte ‚Schnitzel‘ sind kein Fleisch.“ Es dürfe nicht sein, dass sich „Nahrungsmittelmultis mit NGOs verbünden, um für ihren Profit auf dem Lebensmittelmarkt vorsätzlich Verwirrung zu stiften“, so Schmiedtbauer.

SPÖ-Abgeordneter Günther Sidl schreibt, dass die aktuelle Diskussion eine „Entmündigung der Konsumentinnen und Konsumenten“ sei. „Selbstverständlich“ solle man „Veggie-Burger als Burger“ bezeichnen. „Viel wichtiger“ sei Sidl die Herkunftsbezeichnung von Inhalten. Der grüne Abgeordnete Thomas Waitz sagt, dass man die Konsumenten „nicht für blöd verkaufen“ solle, diese würden die Unterschiede zwischen „vegetarisch und Fleisch“ kennen. Darüber hinaus werde dadurch das „plumpe Lobbying der Fleisch- und Milchindustrie“ sichtbar.

Ähnlich äußert sich Claudia Gamon von NEOS: Sie sei überzeugt, dass Konsumenten „schlau genug sind, zwischen einem Veggie-Burger und einem Fleisch-Burger zu unterscheiden, genauso wie niemand veganen Käse und Bergkäse verwechseln wird.“ FPÖ-Abgeordneter Roman Haider verweist unterdessen darauf, dass diese Frage zeige, „dass der Bericht zur Gemeinsamen Agrarpolitik mit rund 2.000 Änderungsanträgen im Europäischen Parlament völlig ausufert“ und ein „bürokratisches Monster“ schaffe.

Schläuche und Disks?

Unklar ist jedenfalls noch, wie die Veggie-Burger, -Schnitzerl und -Würstel künftig heißen könnten, wenn die EU den bisherigen Bezeichnungen letztlich einen Riegel vorschiebt. In einem „Guardian“-Artikel aus dem Jahr 2019 diskutierte man über den Begriff „Disk“ für die bisherigen Veggie-Burger, und aus den vegetarischen Würsteln wurden kurzerhand „Schläuche“ gemacht.

Das wirft wiederum die Frage auf, ob eine Umbenennung den Verkäufen schaden könnte, wie von Veggie-Unterstützern befürchtet. Auch diese Frage wird das EU-Parlament bewerten müssen – vor der Abstimmung zeichnete sich laut dem gewöhnlich gut informierten „Politico“ keine eindeutige Mehrheit für oder gegen die Zukunft der Veggie-Burger – oder -Disks – ab.