Bild zeigt die nordkoreanische Flagge neben einer Mauer mit Stacheldraht.
Reuters/Edgar Su
Häftlinge in Nordkorea

Folter und Missbrauch an Tagesordnung

Folter und erzwungene Geständnisse stehen in Nordkoreas Justizsystem an der Tagesordnung. Das geht aus einem aktuellen Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hervor. Über die Zustände in Untersuchungsgefängnissen heißt es darin, dass Häftlinge erniedrigt, gefoltert und teils auch vergewaltigt würden. Für das Regime seien sie weniger wert als Tiere.

Die Organisation mit Sitz in den Vereinigten Staaten stützt ihren 88-seitigen Report auf Interviews mit Dutzenden ehemaligen Häftlingen und Funktionären, die nach der Machtübernahme von Kim Jong Un 2011 geflüchtet waren. Konkret wurden acht ehemalige Parteifunktionäre sowie 15 inhaftierte Frauen und sieben inhaftierte Männer befragt.

Dem Bericht zufolge werden Häftlinge in überfüllten, unhygienischen Zellen untergebracht und zu Geständnissen gezwungen. Angemessene Nahrung und Kleidung werde ihnen verwehrt, ebenso das Recht auf einen unabhängigen Verteidiger. „Die Gefangenen siechen im wahrsten Sinne des Wortes dahin“, sagte Phil Robertson von Human Rights Watch am Montag. Die einzige Chance sei, Wärter zu bestechen und so mit Hilfe von Familie und Freunden an Essen zu gelangen.

Misshandlungen bei U-Haft „besonders hart“

„Die Menschen haben einen sehr guten Grund dafür, Angst vor einer Festnahme und Untersuchungshaft in Nordkorea zu haben“, sagte Robertson zudem. Einzig Verdächtige mit politischen Kontakten oder ausreichend Bestechungsgeldern hätten eine Chance, einer Haft zu entgehen. In der Untersuchungshaft sind die Misshandlungen laut den Befragten „besonders hart“.

Ein interviewter ehemaliger Polizeibeamter sagte dem Bericht zufolge: „Die Vorschriften besagen, dass es keine Schläge geben sollte, aber wir brauchen Geständnisse während der Ermittlungen und der Untersuchungshaft. Also muss man sie schlagen, um das Geständnis zu bekommen.“

Schwere Folter mit Stöcken und Gürteln

Ehemalige Häftlinge berichteten, sie seien mit Stöcken und Gürteln geschlagen worden. Zudem seien sie gezwungen worden, bis zu 16 Stunden am Tag auf dem Boden zu knien oder im Schneidersitz zu sitzen. „Wenn ich mich bewegt habe oder andere sich bewegt haben, dann befahlen die Wärter mir oder allen Insassen die Hände durch das Gitter zu strecken – und dann traten sie mehrfach mit ihren Schuhen darauf“, sagte ein ehemaliger Häftling.

Ein weiterer meinte, dass Verdächtige behandelt würden, als seien sie „weniger wert als ein Tier“ – und „dazu wird man dann auch“. Jener Mann berichtete auch davon, dass er noch vor dem Beginn seiner Befragung geschlagen worden sei und erst tags darauf erfahren habe, dass er der Spionage verdächtigt wurde. „Sie haben mich einfach 30 Minuten lang geschlagen, sie haben mich mit ihren Schuhen getreten und mit ihren Fäusten gehauen, überall auf meinem Körper.“

Frauen berichten von Vergewaltigungen

Weibliche ehemalige Häftlinge berichteten darüber hinaus von Misshandlungen und Vergewaltigungen. Den Schilderungen zufolge werden Gefangene mit Nummern anstatt mit Namen angesprochen, auch der Augenkontakt wird vermieden. Über das Strafrechtssystem in Nordkorea ist wenig bekannt, da es sich um ein geschlossenes Land handelt.

Der Bericht fordert, der „grausamen, unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung in der Haft“ ein Ende zu setzen. Besonders UNO-Mitgliedstaaten seien aufgefordert, Druck auf das nordkoreanische Regime auszuüben. Das Land wird von der UNO bereits „systematischer, weit verbreiteter und grober“ Menschenrechtsverletzungen beschuldigt. Diese reichen vom Betrieb von Gefangenenlagern über Folter bis hin zu außergerichtlichen Tötungen.

Schwangere zu harter Arbeit gezwungen

Das UNO-Büro für Menschenrechte berichtete zuletzt etwa im Juli von schweren Menschenrechtsverletzungen. Konkret würden Frauen in nordkoreanischen Gefängnissen misshandelt und gefoltert. Schwangere würden teils zu besonders harter Arbeit gezwungen, um Fehlgeburten zu verursachen. Einige Gefangene seien an Unterernährung gestorben.

Die Erkenntnisse stammen aus Gesprächen mit 100 Frauen, die über die Grenze nach China geflüchtet und zwangsweise nach Nordkorea zurückgebracht worden waren. Sie waren zwischen 2009 und 2019 in Gefängnissen. Diese Frauen waren später erneut ins Ausland geflohen, wo die Gespräche stattfanden.

Die Frauen berichteten, sie seien in überfüllten und schmutzigen Gefängnissen mit wenig Licht, frischer Luft und Nahrung eingepfercht gewesen. Sie seien bei harter Zwangsarbeit geschlagen worden. Manche seien gezwungen worden, sich nackt auszuziehen, und hätten sich erniedrigenden Leibesvisitationen unterziehen müssen. Einige hätten auch von sexueller Gewalt durch Wachen berichtet.

UNO schlug auch wegen CoV-Krise Alarm

Der UNO-Sonderberichterstatter für Menschenrechte in Nordkorea, Tomas Ojea Quintana, warnte überdies erst im Juni davor, dass die Situation in Gefängnissen und geheimen Gefangenenlagern angesichts der CoV-Krise besonders besorgniserregend sei. Er verwies auf Berichte, denen zufolge häufig Gefangene an Überarbeitung, Nahrungsmangel und ansteckenden Krankheiten sterben, und forderte von Pjöngjang, besonders gefährdete Gefangene freizulassen.