Nicht-recyclebarer Müll aus Österreich in Malaysien
Greenpeace
Vorwurf an heimische Firmen

Illegaler Plastikmüll nach Malaysia verschifft

Der Umwelt-NGO Greenpeace liegen Unterlagen vor, wonach teils giftiger Plastikmüll aus Österreich illegal nach Malaysia verschifft wurde. Zwar bestand mehreren Quellen zufolge ein Vertrag mit einem asiatischen Käufer, Kunststoffabfall aus Österreich in Malaysia zu recyceln, doch stattdessen kam tonnenweise unbrauchbarer Müll an. Das Umweltministerium bestätigte den Vorfall: Vier Container mit 100 Tonnen österreichischem Müll warten auf ihre Rückführung.

Greenpeace spielte der ZIB2 und ORF.at Bilder und Videomaterial von Plastikmüll zu, der aus Österreich stammen und unter anderem geschredderte Elektro- und Elektronikgeräte beinhalten soll. Ein Greenpeace-Mitarbeiter in Malaysia habe die Müllcontainer in einem Recycling-Unternehmen im Juli an Ort und Stelle gesichtet. Er habe „Schwimmtests“ vorgenommen, die aufgrund der Dichte des Materials zeigen, welche Teile recycelbar sind und welche nicht. Recycelbare Kunststoffe schwimmen oben auf, doch in den Videos ist zu sehen, dass nur sehr wenige Teilchen oben treiben.

Greenpeace-Schwimmtest von Plastikmüll

Ein Greenpeace-Mitarbeiter in Malaysia hat „Schwimmtests“ des Plastikmülls in Malaysia vorgenommen. Die Dichte des Materials zeigt, welche Teile recycelbar sind und welche nicht. Recycelbare Kunststoffe wie PP, ABS und PS schwimmen oben auf, doch in den Videos ist zu sehen, dass nur sehr wenige Teilchen oben schwimmen.

Insiderinformationen zufolge hat der Abfall seinen Weg von Niederösterreich mit dem Zug über Hamburg und dann via Schiff in die malaysische Hauptstadt Kuala Lumpur gefunden. Entsprechende Kennzeichnung an Containern sowie Lieferprotokolle, die ORF.at vorliegen, zeigen, dass österreichische Firmen in den Deal verwickelt sind. Die erste Spur führt zur FCC Mostviertel Abfall Service GmbH in Amstetten. Dort wurde der Plastikmüll als unbedenklich eingestuft und weiterverkauft. Insgesamt sollen mindestens fünf Unternehmen und Zwischenhändler involviert gewesen sein.

Vermittlerin: Inhalt war als „grüne Liste“ deklariert

In den Fall verwickelt ist auch Brigitte Benesch, Geschäftsführerin der Firma Remaco in Wien. Als „Inverkehrbringerin“, wie sich die Unternehmerin bezeichnet, war sie für die Beladung und den Weitertransport von insgesamt 28 Müllcontainern zuständig, wie sie im Gespräch bekanntgab. Das bedeutet laut Benesch auch, dass sie die volle rechtliche Verantwortung für die Ware trägt.

Doch beklagte die Unternehmerin, dass sie von dem nicht recycelbaren Inhalt gar nicht gewusst habe. „Ich habe die Ware einmal bei der FCC am Platz gesehen und hatte das entsprechende Fotomaterial, das ich auch dem Kunden weitergeleitet habe“, so Benesch. Jedoch: „Ich muss mich schon auf die Angaben des Lieferanten verlassen können“, gab die Remaco-Chefin an. „Man kann es mit freiem Auge nicht kontrollieren, es ist unmöglich.“

LKW mit nicht-recyclebarer Müll
Greenpeace
Vier Container mit nicht recycelbarem Müll aus Österreich befinden sich in Kuala Lumpur und warten auf Rückführung

Der Inhalt der Container hätte eigentlich auf der „grünen Liste“ sein sollen, „das war vereinbart“, so Benesch weiter. „Grüne Liste“ bedeutet, dass der Plastikmüll recycelt werden kann. Doch Anfang Mai sei dann eine Beschwerde von dem südostasiatischen Kunden bei Remaco eingegangen, dass es sich eben nicht um komplett unbedenkliche Stoffe handle. Hätte sie das gewusst, „hätte ich es melden müssen“, sagte Benesch. FCC habe zunächst nicht auf ihre Nachrichten reagiert.

Ministerium: Kein Antrag eingegangen

Mit den involvierten Firmen in Österreich ist mittlerweile auch das Umweltministerium in Kontakt, nachdem Greenpeace die Behörden im Spätsommer 2020 auf die Missstände aufmerksam gemacht hatte. „Es liegen konkrete Hinweise vor, dass hier Abfälle nach Malaysia verbracht worden sind, die keiner Rezyklierung zugeführt werden können“, analysierte Gernot Lorenz von der Sektion Abfallwirtschaft, Chemiepolitik und Umwelttechnologie im Ministerium im Interview mit dem ORF.

Firma soll Plastikgiftmüll nach Malaysia verschifft haben

FCC Austria soll mit Chemikalien belasteten Plastikmüll illegal nach Malaysia verschifft haben. Das Umweltministerium bestätigt den Vorfall und will die rund 100 Tonnen Abfall zurück nach Österreich holen.

Rezyklierung bedeutet, dass aus Kunststoffen wieder Rohstoffe produziert werden können – etwa Kunststoffgranulat. Das sei bei dem Plastikmüll aus Österreich, der sich nun in Kuala Lumpur befindet, nicht der Fall, bestätigte Lorenz die Angaben von Greenpeace sowie von Vermittlerin Benesch. Das Hauptproblem: Mit großer Wahrscheinlichkeit würde der österreichische Plastikmüll eine zu hohe Konzentrierung „bromierter Flammhemmer“ enthalten, was Recycling nur beschränkt möglich mache.

„Es handelt sich um Abfälle, die jedenfalls dem Verfahren der schriftlichen Notifizierung unterliegen“, erklärte Lorenz. Wenn ein Unternehmen solchen Abfall aus dem Land ausführen möchte, müsste es einen entsprechenden Antrag bei den Behörden stellen. Das sei in diesem Fall nicht passiert, so der Experte des Umweltministeriums. „Gefährliche Eigenschaften“ enthält das Material laut Ministerium aber nicht.

„Asiatische Länder Mülldeponie für Industrienationen“

Greenpeace sieht das kritisch. Man müsse davon ausgehen, dass Plastik in Malaysia, wo seit 2018 Hunderttausende Tonnen aus Europa, Australien und den USA landen, unter gefährlichen und gesundheitsschädlichen Bedingungen verarbeitet würden. Die verwertbaren Reste würden dann auf Freiflächen unkontrolliert verbrannt oder deponiert – oft illegal.

„Das sind Plätze oft neben Flüssen oder direkt an der Küste am Meer.“ Schadstoffe wie bromierte Flammschutzhemmer und Schwermetalle könnten so ungehindert in die Umwelt gelangen. Im aktuellen Fall kritisierte Lisa Panhuber, Konsumexpertin bei Greenpeace Österreich, die heimischen Firmen scharf: „Die Unternehmen haben sich nicht an die Spielregeln gehalten.“

Mülldeponie in Johor
Greenpeace/Nandakumar S. Haridas
Tonnenweise landet Müll aus Europa jährlich auf Deponien in Südostasien – auch Müll aus Österreich

Doch warum wird Abfall überhaupt nach Malaysia verschifft? Zum einen seien Deponien in Österreich gar nicht mehr erlaubt, so Panhuber, doch die Müllberge wachsen trotzdem. Der meiste Abfall muss also verbrannt werden. 100 bis 170 Euro pro Tonne kostet das in etwa. Laut Greenpeace werden nur circa 25 Prozent des heimischen Abfalls recycelt oder wiederverwertet. Zum anderen: „Hier gibt es Umweltauflagen und höhere Lohnkosten“, erklärte die Expertin.

„Billiger ist es dann, Müll zu exportieren in Länder mit niedrigen Kosten. Und das machen manche Unternehmen“, so Panhuber. „Hier passiert eine Verlagerung des Problems in Regionen, die nicht damit umgehen können.“ Sie kritisierte scharf: „Es kann nicht sein, dass asiatische Länder die Mülldeponie für Industrienationen sind.“ Die Umweltschutzorganisation fordert daher gesetzliche Maßnahmen zur Müllreduktion und strengere Kontrollen für den Handel mit Plastikmüll.

Nicht nur vier Container?

Im besten Falle aber sollte gar kein Müll Österreich verlassen, sondern hier behandelt und entsorgt bzw. auf langlebige und reparierbare Produkte gesetzt werden, meinte Panhuber. „Der exzessive Müllhandel, der global passiert, müsste so schnell als möglich gestoppt werden. Da braucht es Kontrollen und verantwortungsbewusste Unternehmen“, so die NGO-Vertreterin.

Allein im Jahr 2019 exportierte die Europäische Union rund 1,8 Millionen Tonnen Plastikmüll. Innerhalb der EU verschwinden nach einer Schätzung der EU-Kommission 33 Prozent aller gefährlichen Abfallstoffe vom legalen Markt. In Österreich sei es sogar rund die Hälfte des verunreinigten Mülls, der verschwindet. Interpol und der EU-Rechnungshof warnen vor einer Zunahme des illegalen Müllhandels. Greenpeace fürchtet, dass entlang der Verkaufsketten einige Unternehmen verschleiern würden, wohin der Abfall gelange, indem sie Zwischenhändler einschalten.

Dass es sich im aktuellen Fall möglicherweise nicht bloß um vier Container handeln könnte, sondern um 28 mit einem Inhalt von insgesamt 700 Tonnen, auch diesem Hinweis will das Umweltministerium Lorenz zufolge nachgehen. Das dürfte jedoch äußerst schwierig werden, vermutet Panhuber, der Inhalt sei womöglich längst deponiert worden – „also in die Umwelt gelangt“. „Auf welcher Deponie es dann wirklich gelandet ist, ist extrem schwierig“, so die Expertin. Vermittlerin Benesch gab dazu an, dass der südostasiatische Käufer jedoch keine Beschwerde zu den restlichen 24 Containern gestellt habe.

Konsequenzen bei FCC

Vier Container mit 100 Tonnen Plastikmüll warten in Kuala Lumpur jedenfalls auf ihre Rückführung nach Österreich. Das hat Remaco-Chefin Benesch laut eigener Angabe bei FCC veranlasst, die nun tätig werden müsse. In einer schriftlichen Stellungnahme von FCC Austria vom Mittwoch hieß es, das Unternehmen „hat unmittelbar nach Bekanntwerden möglicher Probleme, in Bezug auf die Qualität und Recyclingfähigkeit von Teilen des gelieferten Materials, das ostasiatische Recyclingunternehmen schriftlich darauf hingewiesen, dass eine Verbringung des Materials auf Deponien auf keinen Fall erfolgen darf und eine Rückholung nach Österreich unbedingt stattfinden muss“.

Konsequenzen zog man bei FCC in Amstetten bereits: „Wir haben eine eingehende Überprüfung der Thematik veranlasst. Dies erfordert nach unseren internen Vorgaben eine vorübergehende Freistellung der zuständigen Personen, um eine transparente und vollständige Aufklärung und Aufarbeitung durch die übergeordneten Stellen im Unternehmen zu ermöglichen“, so FCC in einer E-Mail an den ORF. Sobald die Container wieder ihren Weg nach Österreich zurückgefunden hätten, kündigte Lorenz vom Umweltministerium an, die genauen Inhaltsstoffe zu prüfen. Konkrete Termine, etwa wann die Container verschifft würden, gibt es allerdings noch keine. Gegen einen der Zwischenhändler wurde laut Insidern bereits Anzeige erstattet.