Trotz Waffenruhe weitere Opfer bei Gefechten in Bergkarabach

Bei Verstößen gegen die neue Feuerpause in der Konfliktregion Bergkarabach im Südkaukasus verzeichnet die armenische Armee weiter hohe Verluste. Die Zahl getöteter Soldaten sei heute um 43 auf nunmehr 772 gestiegen, teilten die Behörden von Bergkarabach mit. 36 Zivilpersonen starben.

Aserbaidschan machte bisher keine Angaben zu Verlusten bei seinen Streitkräften. Präsident Ilham Aliyev hatte unlängst dazu gesagt, er wolle erst dann die Zahl getöteter Soldaten nennen, wenn die „heiße Phase des Konflikts“ vorbei sei. Die aserbaidschanische Staatsanwaltschaft sprach von 61 Zivilpersonen, die ums Leben kamen.

Abschuss von Artilleriekanonen
AP/Azerbaijan’s Defense Ministry

Die beiden Ex-Sowjetrepubliken kämpfen seit Jahrzehnten um die bergige Region mit etwa 145.000 Bewohnern. Bergkarabach wird von Armenien kontrolliert, gehört aber völkerrechtlich zum islamisch geprägten Aserbaidschan. In einem Krieg nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion vor rund 30 Jahren verlor Aserbaidschan die Kontrolle über das Gebiet. Seit 1994 galt eine brüchige Waffenruhe.

Neue Gefechte seit Ende September

In einer Ansprache an die Nation reklamierte Aliyev weitere Gebietsgewinne in der südlichen Pufferzone und dem Kerngebiet von Bergkarabach. Die aserbaidschanische Armee habe dabei über zwei Dutzend zumeist verlassene Ortschaften erobert und sei im Süden bis zehn Kilometer an die armenische Grenze herangerückt.

Aserbaidschan beschuldigte zudem Armenien, seine Städte Terter und Agdam beschossen zu haben. Das Verteidigungsministerium in der armenischen Hauptstadt Jerewan berichtete wiederum von schweren Gefechten im Süden und Norden Bergkarabachs. Dabei ging es auch um das Wasserkraftwerk am Stausee Hudaferin an der Grenze zum Iran. Dorthin hätten sich die aserbaidschanischen Truppen zurückziehen müssen, meldete das armenische Verteidigungsministerium.

Seit Ende September dauern die schwersten Gefechte seit Jahren an. Es gab bereits zwei Waffenruhen, die jeweils kurz nach Inkrafttreten gebrochen wurden. Dafür gaben sich beide Seiten gegenseitig die Verantwortung – ebenso wie für den Ausbruch der Kämpfe.

Gespräche in Washington?

Jerewan dementierte angesichts der andauernden Gefechte Vorbereitungen für ein Treffen auf höchster Ebene zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, Aliyev und dem armenischen Ministerpräsidenten Nikol Paschinian. Bisher hatten die Außenminister der beiden Länder unter Vermittlung Russlands verhandelt. Paschinian forderte den Einsatz russischer Truppen in Bergkarabach, weil dort angeblich islamistische Söldner kämpften. In Syrien sei Russland ebenfalls im Einsatz, sagte er.

Armenien und Aserbaidschan wollen in Washington einen Ausweg aus den schwersten Kämpfen in Bergkarabach finden. Dort sollen die beiden Außenminister am Freitag mit ihrem US-Amtskollegen Mike Pompeo zusammenkommen, wie die Regierungen beider Länder mitteilten. Von der US-Regierung war zunächst keine offizielle Bestätigung für das Treffen zu erhalten.