Rapsfeld
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„Systemwechsel“

EU-Staaten einigen sich auf Agrarreform

Bei der Landwirtschaftspolitik der EU geht es um viel Geld. Entsprechend hart umkämpft war die seit Langem anstehende Agrarreform. In der Nacht auf Mittwoch einigten sich die Agrarminister und –ministerinnen in Luxemburg auf einen Kompromissvorschlag der deutschen Ratspräsidentschaft. Umweltschützer zeigten sich über das Ergebnis bestürzt.

58 Milliarden Euro zahlt die EU an Förderungen pro Jahr an Landwirte – das sind 40 Prozent des gesamten EU-Budgets. Bisher geht ein großer Teil des Geldes als Direktzahlung an die Bauern. Die Summe richtet sich vor allem nach der Größe der bewirtschafteten Fläche (erste Säule). Ein kleinerer Teil geht in die Entwicklung des ländlichen Raumes (zweite Säule).

Nun einigten sich die Minister auf zusätzliche Ökoregeln. Die deutsche Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) sprach von einem „Systemwechsel“. Auch ihre österreichische Kollegin Elisabeth Köstinger (ÖVP) zeigte sich zufrieden. Sie habe immer betont, Umweltambitionen zu unterstützen, aber den „österreichischen Weg“ beibehalten zu wollen. Die Ökoregeln seien ein Schlüsselelement für eine umwelt- und klimafreundlichere Agrarpolitik, sagte EU-Landwirtschaftskommissar Janusz Wojciechowski Mittwochfrüh. Zugleich betonte er, dass er sich noch mehr Ehrgeiz der EU-Staaten wünsche.

Tourismusministerin Elisabeth Kötinger (ÖVP)
APA/Georg Hochmuth
Köstinger freut sich, den „österreichischen Weg“ beibehalten zu können

Geld gegen Umweltvorgaben

Künftig sollen Landwirte Umweltvorgaben für Direktzahlungen erfüllen müssen. Dem Kompromiss der EU-Staaten zufolge müssen die EU-Staaten künftig mindestens 20 Prozent der Direktzahlungen für diese Ökoregeln reservieren. Erfüllt ein Landwirt sie, bekommt er zusätzliches Geld. So soll klima- und umweltfreundliche Landwirtschaft für die Bauern attraktiver werden.

Neu soll auch sein, dass künftig die Mitgliedsstaaten nationale Strategiepläne erstellen, die von der EU-Kommission genehmigt werden müssten. Das gibt ihnen auch die Freiheit, selbst zu wählen, wie sie vorgegebene Ziele wie die Erhaltung der Natur, den Klimaschutz und die Sicherung der Lebensmittelqualität erreichen wollen.

Ebenfalls den Mitgliedsstaaten soll es überlassen werden, ob sie – wie im Kommissionsvorschlag vorgesehen – eine Obergrenze für die ausbezahlte Flächenprämie einführen. Wenn sich ein EU-Land dafür entscheidet, soll das „Capping“ bei 60.000 Euro pro Betrieb beginnen und bei Beträgen ab 100.000 Euro verpflichtend sein. Die so eingesparten Fördergelder sind an kleinere Betriebe zu verteilen.

Österreich bildete Allianz mit sieben anderen EU-Staaten

Österreich habe sich immer für eine verpflichtende Begrenzung eingesetzt, so Köstinger am Mittwoch. Ein freiwilliges „Capping“ ergebe in der kleinräumig strukturierten Landwirtschaft in Österreich keinen Sinn. Sie will am eigenen Aufteilungsschlüssel für differenzierte Flächenprämien festhalten. Das Ergebnis der Einigung begrüßte sie: „Wir haben auf EU-Ebene durchgesetzt, dass der österreichische Weg respektiert und unterstützt wird. Das Ergebnis ist ein wesentlicher Schritt in Richtung mehr Klima- und Umweltschutz in der europäischen Agrarpolitik, und gleichzeitig bekommen die Bäuerinnen und Bauern die Mehrleistungen abgegolten.“

Umweltleistungen der zweiten Säule Ländliche Entwicklung werden laut Köstinger weiterhin angerechnet und zusammen mit jenen aus der ersten betrachtet. Österreich hatte eine Benachteiligung durch die Koppelung der Direktzahlungen an Ökoambitionen befürchtet, hieß es im Vorfeld der Einigung aus Ratskreisen. Für Köstinger war die Allianz von Österreich mit sieben weiteren kleinen EU-Staaten, die sich für die Anrechenbarkeit bestehender Umweltprogramme einsetzten, ausschlaggebend für den Kompromiss.

Der Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich, Josef Moosbrugger, sieht den „österreichischen Weg“ durch das Verhandlungsergebnis bestätigt. Der ÖVP-Bauernbund sieht in der Einigung eine „Reform mit ökosozialer Handschrift“. Der deutsche Bauernverband sprach von einem „tragbaren europäischen Kompromiss“.

EU-Parlament legt sich auf zentrale Punkte fest

Das EU-Parlament legte am Dienstagabend die Eckpfeiler seiner Position für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) fest. Es fordert einen Anteil der Ökoregeln von mindestens 30 Prozent der Direktzahlungen. Die Abgeordneten genehmigten außerdem eine Änderung, um Sanktionen für diejenigen zu erhöhen, die wiederholt gegen EU-Anforderungen verstoßen. Mindestens sechs Prozent des nationalen Budgets für Direktzahlungen sollten zur Unterstützung kleiner und mittelgroßer Landwirtschaftsbetriebe bereitgestellt werden.

Gut ein Drittel des Geldes, das für die ländliche Entwicklung vorgesehen ist, soll in Umwelt- und Klimamaßnahmen fließen. Seine endgültige Linie will das Parlament bis Ende der Woche festlegen. Dann können beide Seiten – EU-Parlament und EU-Staaten – miteinander über die Agrarreform verhandeln.

„Greenwashing übelster Sorte“

Umweltschützer kritisierten allerdings am Dienstag bereits die Parlamentspositionen als zu wenig für die Erreichung der EU-Klimaziele. Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Lasse van Aken nannte den Kompromiss „Greenwashing übelster Sorte“ – also den Versuch, der Reform ein umweltfreundliches Antlitz zu verleihen, ohne dass es dafür gute Gründe gäbe. „Das Geld der Steuerzahler fließt ohne Umweltvorgaben weiterhin größtenteils als Direktzahlungen, von denen besonders Großbetriebe profitieren“, so van Aken.

Der Agrarrat habe nun die „schwache Vorlage der EU-Kommission bis zur Unkenntlichkeit verwässert“. Die Minister betrieben „klassische Klientelpolitik für Großbetriebe und Agrarwirtschaft zu Lasten bäuerlicher Familienbetriebe und der Umwelt“, bemängelte van Aken.

Die Reform werde zur „Katastrophe für Natur- und Klimaschutz“, so auch der WWF. Der EU-Agrarrat setze seine „zerstörerische Subventionspolitik zugunsten großer Agrarkonzerne fort“, meinte WWF-Naturschutzvorstand Christoph Heinrich. Die Positionierung der Staaten sei „desaströs“. Umweltschützer halten es für notwendig, Subventionen streng an messbare Leistungen für die Ökosysteme zu koppeln. Die von den Staaten festgelegten 20 Prozent für Umweltauflagen brächten keinen ökologischen Mehrwert, so die Kritiker.

„Lernphase“ als Kompromiss

Einigen EU-Staaten gingen aber auch diese Ziele noch zu weit. Viele hatten im Laufe der Verhandlungen verpflichtende Ökoregeln („Eco-Schemes“) noch abgelehnt. Erst ein Kompromissvorschlag der deutschen Landwirtschaftsministerin brachte den Durchbruch. Nun ist eine zweijährige „Lernphase“ für die danach verpflichtenden Ökoregeln vorgesehen.

Sie soll sicherstellen, dass ungenutztes Geld aus diesem Umweltprogrammen für die EU-Staaten nicht verloren geht. Zudem sollen die Länder Umweltleistungen, die in der zweiten Säule erbracht werden, bei den „Eco-Schemes“ anrechnen lassen können. Die EU-Kommission hatte bereits 2018 eine umfassende Agrarreform für die Jahre 2021 bis 2027 vorgeschlagen. Mittlerweile gilt für die nächsten zwei Jahre eine Übergangsphase, sodass neue Regeln erst ab 2023 in Kraft treten würden. Bis 2027 haben die EU-Staaten rund 387 Milliarden Euro vorgesehen.