Ein Mann gräbt im Flüchtingslager Kara Tepe auf Lesbos neben einem Mädchen in der Erde neben den Wohnzelten
APA/AFP/Manolis Lagoutaris
Oxfam

Neues Flüchtlingslager schlimmer als Moria

Nach dem Brand im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos ist ein neues Zeltlager für Geflüchtete errichtet worden. Wurden schon die Zustände in Moria als „Hölle“ bezeichnet, dürften die Zustände in dem auf einem früheren Truppenübungsplatz errichteten Lager Kara Tepe noch schlimmer sein, als sie in Moria jemals waren, berichtete die Hilfsorganisation Oxfam.

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Organisation überprüften gemeinsam mit dem Greek Council for Refugees das im September provisorisch errichtete Lager. Einige der Zelte seien nur 20 Meter vom Meer aufgestellt und böten keinen Schutz vor starkem Wind und Regen. Erst vor wenigen Tagen wurden Dutzende Zelte aufgrund heftiger Regenfälle zerstört.

Viele Bewohner und Bewohnerinnen des Lagers müssen sich laut Oxfam im Meer waschen, denn es gibt kaum sanitäre Anlagen mit fließendem Wasser. Zudem verfügt der ehemalige militärische Schießübungsplatz über kein Abwassersystem. Entsprechend mangelhaft seien auch die CoV-Vorsorgemaßnahmen und der Zugang zu Gesundheitsversorgung. Auch die Nahrung sei nicht ausreichend. Es gebe ein- oder zweimal am Tag Essen, und dieses sei von schlechter Qualität.

Das Migrantenlager Kara Tepe auf der griechischen Insel Lesbos
APA/AFP/Manolis Lagoutaris
In dem provisorischen Lager leben derzeit rund 7.800 Menschen

„Katastrophe mit Anlauf“

Auch Bewohner des Lagers klagten, dass es an Betten, Strom und fließendem Wasser fehle. Rund 7.800 Menschen leben nach Angaben des UNO-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) derzeit in dem provisorischen Lager. 40 Prozent von ihnen sind Kinder. Die Caritas warnte bereits vergangene Woche vor einer weiteren Verschlechterung der Situation aufgrund des bevorstehenden Winters.

Es scheine sich eine „erneute Katastrophe mit Anlauf“ anzubahnen, sagte Klaus Schwertner, Geschäftsführer der Caritas Wien. Die Situation sei nach wie vor „verheerend und sehr besorgniserregend“, so Schwertner nach einem Lokalaugenschein. Es gebe in Kara Tepe keine einzige Dusche. Zumindest habe sich die Sicherheitslage im Vergleich zum Beginn des Jahres verbessert, weil auch die Polizeipräsenz größer sei, so Schwertner. Dennoch habe er den Eindruck, dass weiter „am Modell der Abschreckung gearbeitet“ werde.

Athen plant dauerhaftes Lager auf Lesbos

Die Hilfsorganisationen appellieren an die EU-Staaten, Flüchtlinge von den griechischen Inseln aufzunehmen. Zudem müssten Griechenland und die Nichtregierungsorganisationen (NGOs) dabei unterstützt werden, die Lager gut auszustatten. Die Regierung in Athen solle die Geflüchteten im Gegenzug so schnell wie möglich aufs Festland holen und in angemessenen Unterkünften unterbringen, so Oxfam.

Drei Männer bei Reparaturarbeiten im Migrantenlager Kara Tepe auf der griechischen Insel Lesbos
Reuters/Elias Marcou
Zahlreiche Zelte wurden bei heftigen Regenfällen völlig zerstört

Nach dem Brand in Moria wurden laut Caritas Tausende besonders Schutzbedürftige auf das Festland gebracht. Griechenland arbeitet derzeit aber auch daran, ein dauerhaftes Flüchtlingslager auf Lesbos zu errichten, um Moria zu ersetzen. Bis Sommer 2021 soll es in Betrieb gehen. Auch auf den Inseln Samos, Kos und Leros sind laut dem griechischen Migrationsminister Notis Mitarachi neue Lager geplant.

Geplant seien im Rahmen eines EU-finanzierten Programms „geschlossene Lager“ mit Einlasskontrollen und „doppelter Umzäunung“, sagte der Minister. Die Camps sollen über Brandschutzsysteme verfügen und „menschenwürdige Lebensbedingungen“ bieten. Schwierig sei die Situation für Flüchtlinge aber weiterhin auch auf dem griechischen Festland aufgrund der verschärften Asylgesetze, konstatierte die Caritas. Auch Ärzte ohne Grenzen veröffentlichte ein Video zur Lage auf Lesbos.

Appelle an österreichische Regierung

Schwertner forderte die österreichische Regierung auf, am Umsiedelungsprogramm von Geflüchteten teilzunehmen. Davon ist bisher keine Rede. Österreich erhöhte nach dem Brand in Moria zwar die Mittel für den Auslandskatastrophenfonds und brachte 55 Tonnen Hilfsgüter, darunter auch winterfeste Zelte, nach Griechenland. Doch diese Lieferung dürfte einem „Kurier“-Bericht (Dienstag-Ausgabe) zufolge nach wie vor in Depots lagern. Die ÖVP lehnt weiterhin eine Aufnahme von Geflüchteten ab. In Deutschland kamen erst am Freitag wieder rund 100 Flüchtlinge aus griechischen Lagern an, die als besonders schutzbedürftig gelten.

Zahlreiche Stimmen aus der Zivilgesellschaft halten die Appelle an die österreichische Regierung, Flüchtlinge aus Griechenland aufzunehmen, aufrecht. Erst am Mittwoch kritisierte Katharina Stemberger von der Initiative „Courage – Mut zur Menschlichkeit“, dass Österreich aufgrund seiner unterlassenen Hilfeleistung und als „Scharfmacher“ Mitschuld an der Situation trage. Ihre Initiative sammelte eigenen Angaben zufolge Zusagen für Quartiere, die die Aufnahme von 3.188 Menschen aus griechischen Flüchtlingslagern ermöglichen würden. Zudem hätten sich über 500 Helferinnen und Helfer sowie 2.500 Unterstützer gemeldet.