Sonnenaufgang über den Häusern von Wien
Getty Images/iStockphotoChunyip Wong
Zeitumstellung

Andere Themen haben Priorität

Angesichts der Tatsache, dass so gut wie kaum ein Lebensbereich pandemiebedingt wirklich „normal“ abläuft, ist die Nachricht, dass in der Nacht auf Sonntag die Uhren auf Normalzeit gestellt wurden, vielleicht eine gute. Länger schlafen, dafür wird es früher finster – egal ob optimistisch oder pessimistisch betrachtet, die Winterzeit ist vielseitig. Die von der EU geplante Abschaffung der Umstellung hängt unterdessen hinter wichtigeren Themen in der Warteschleife.

Mindestens einmal wird es jedenfalls noch hin- und her bzw. die Uhr vor- und zurück gehen. Der Ball liegt nämlich immer noch beim EU-Ministerrat, der die Abschaffung der zweimal jährlichen Zeitumstellung das letzte Mal im Juni 2019 beraten hat, zuständig sind die Verkehrsminister.

Das Europaparlament hatte im März 2019 mit großer Mehrheit für die Abschaffung der Sommerzeit per 2021 gestimmt – oder ein Jahr später, wenn es Schwierigkeiten für den Binnenmarkt geben sollte. Dem müssen die Mitgliedsstaaten jedoch mehrheitlich noch zustimmen, damit es Realität werden kann. Angesichts der zahlreichen aktuellen Herausforderungen erwarten die EU-Abgeordneten aber nicht mehr, dass sich der Rat vor Frühjahr 2021 damit befassen wird.

Zeitumstellung am Sonntag

Mit der Nacht auf Sonntag gilt wieder die Normalzeit.

Abstimmung interessierte vor allem Deutsche

Losgetreten wurde der Prozess der Abschaffung durch eine EU-weite Onlineumfrage. Bei dieser hatten sich 84 Prozent der Teilnehmer für ein Aus der Zeitumstellung ausgesprochen. Die meisten votierten 2018 für eine dauerhafte Sommerzeit. 4,6 Millionen Antworten, davon die überwiegende Mehrheit von drei Millionen aus Deutschland, gingen ein – ein Rekord, aber immer noch weniger als ein Prozent der EU-Bürger.

Herbstlicher Sonnenuntergang bei Innerschwand am Mondsee
ORF.at/Kaja Stepien
Die Tage werden kürzer, mit der Zeitumstellung wird es noch früher dunkel

Letztes Jahr sollte schon Schluss sein

Die EU-Kommission hatte daraufhin vorgeschlagen, ab 2019 den Wechsel zwischen Sommer- und Winterzeit abzuschaffen. Die Staaten sollten stattdessen selbst entscheiden können, ob sie dauerhaft Sommer- oder Winterzeit haben wollten. Doch aus vielen Ländern kamen Bedenken gegen diesen Plan, da unter anderem für die Wirtschaft eine einheitliche Zeitzone wünschenswert erscheint, zumindest in Mitteleuropa. Andernfalls würden zwischenstaatliche Zeitunterschiede den Handelsverkehr noch mehr beeinträchtigen. Das offizielle Österreich bevorzugt eine ständige Sommerzeit als Standardzeit, eine Umfrage 2018 kam zum selben Ergebnis in der Bevölkerung.

Grafik zur Zeitumstellung
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/market

Relikt aus Ölkrisenzeiten

In der gesamten EU wurde bisher am letzten März-Sonntag an der Uhr gedreht – und am letzten Sonntag im Oktober wieder zurück. Eingeführt wurde die Sommerzeit 1973 in Europa anlässlich der Ölkrise und mit dem Hintergrund, Energie zu sparen. Mit der Zeitverschiebung sollte eine Stunde Tageslicht für Unternehmen und Haushalte gewonnen werden. Frankreich machte damals den Anfang.

Österreich beschloss die Einführung erst 1979 wegen verwaltungstechnischer Probleme und weil man eine verkehrstechnische Harmonisierung mit der Schweiz und Deutschland wünschte. Diese beiden Länder führten die Sommerzeit erst 1980 ein. Allerdings gab es in Österreich bereits im Ersten Weltkrieg schon einmal die Sommerzeit. Im Jahr 1916 galt sie für die Monarchie von 1. Mai bis 30. September, wurde dann aber wieder eingestellt. Ein zweiter – auf Dauer erfolgloser – Versuch wurde in den Jahren 1940 bis 1948 unternommen.

Tradition erfüllt ihren Zweck nicht

Kritiker der Zeitumstellung führen neben gesundheitlichen Belastungen ins Feld, dass diese ihren ursprünglichen Zweck nicht erfüllt. Eigentlich sollte das Vorstellen der Uhr im Frühjahr zum Energiesparen in der hellen Jahreszeit beitragen. Die Überlegung: Wenn sich der Tag um eine Stunde nach vorn verschiebt, wird weniger Beleuchtung und damit weniger Strom verbraucht. Dadurch entstehende Energiespareffekte sind allerdings kaum nachweisbar.