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AP/Tampa Bay Times/Douglas R. Clifford
US-Wahl

In den Countys liegt die Kraft

In Texas gibt es 254 Countys, in Delaware nur drei, das bevölkerungsreichste zählt mehr als zehn Millionen Einwohner, das kleinste unter 100: Insgesamt sind die USA in über 3.100 dieser bezirksähnlichen Verwaltungseinheiten untergliedert. Nur einem Bruchteil davon kommt bei den Präsidentschaftswahlen Bedeutung zu – diese ist allerdings gewichtig.

Die entscheidenden Countys befinden sich vorwiegend in den „Swing-States“, in jenen US-Bundesstaaten also, die aufgrund ihres unvorhersehbaren Wahlverhaltens besonders umkämpft sind. Einer der wichtigsten ist Pennsylvania, wo Donald Trump 2016 mit äußerst knappem Vorsprung gewann: Nur 44.292 der mehr als 6,1 Millionen Stimmen trennten den derzeitigen Amtsinhaber von seiner demokratischen Kontrahentin Hillary Clinton.

Noch knapper war das Rennen heruntergebrochen auf das County Monroe: Hier lag Clinton mit 532 oder 0,7 Prozent der knapp 70.000 Stimmen voran. Es war nicht das erste Mal, dass es eng wurde in dem Bezirk – 2004 konnte sich George W. Bush mit einem Vorsprung von gerade einmal vier Stimmen gegen den Demokraten John Kerry durchsetzen.

Wähler in Philadelphia, Pennsylvania (USA)
Reuters/Joshua Roberts
Mehr als 50 Millionen Bürger hatten zum Ende der Woche schon vorzeitig ihre Stimme abgegeben – eine Rekordzahl

Philadelphia und Vorstädte als Machtfaktor

In Philadelphia, mit über 1,6 Millionen Einwohnern Pennsylvanias größtes County, gilt es vor allem, die afroamerikanischen Wählerinnen und Wähler zu überzeugen. Die Demokraten liegen in der Gunst der Bevölkerungsgruppe klar voran, doch Clinton gelang ihre Mobilisierung 2016 nur unzureichend. Für Trump-Herausforderer Joe Biden wird die Erhöhung der Stimmenzahl hier entscheidend sein, um den Bundesstaat zurück in demokratische Hand zu bringen.

In vielen stimmenstarken Vororten Philadelphias ist seit 2016 eine „Blaue Welle“ („Blue Wave“) zu verzeichnen, hier haben also die Demokraten Oberhand gewonnen – umkämpft bleibt dagegen Bucks County nördlich der Stadt, wie die „New York Times“ („NYT“) berichtete. Das Westmoreland County wiederum war vor vier Jahren entscheidend dafür, dass die Republikaner den 13-Millionen-Einwohner-Staat erstmals nach mehr als 25 Jahren wieder erobern konnten, für Trump sprachen sich hier doppelt so viele Wähler aus wie für Clinton.

Detaillierte Ansicht der Wahlmännerstimmen pro Bundesstaat sowie der Stimmen Alaskas und Hawaiis auf der interaktiven Karte mittels Zoomfunktion

Angesichts des erneut zu erwartenden Kopf-an-Kopf-Rennens der Kandidaten floss viel Wahlkampfgeld nach Pennsylvania. Immerhin gibt es hier 20 der insgesamt 538 Stimmen für das Electoral College zu gewinnen, jenes Gremium der aus den 50 Bundesstaaten entsandten Wahlleute, das Mitte Dezember traditionell den Präsidenten wählt. Das sind doppelt so viele wie etwa Wisconsin stellt, wo sich ebenfalls viele „Swing-Countys“ befinden.

In Waukesha County, den Vororten von Wisconsins größter Stadt Milwaukee, kam es in der Vergangenheit immer wieder zu republikanischen Erdrutschsiegen. Wähler und Wählerinnen der „Grand Old Party“ zeigten sich zwar anfangs Trump skeptisch gegenüber, blieben ihrer Partei aber treu. In Dane County mit der Universitätsstadt Wisconsin dagegen geben die Demokraten den Ton an – fraglich bleibt, ob das genügt, um den Überhang zugunsten Trumps in den ländlichen Regionen des Bundesstaates wettzumachen.

Alle Augen auf Florida

Florida ist wohl der am härtesten umkämpfte „Swing-State“, nur in Kalifornien und Texas werden mehr Wahlleute vergeben. Bei 18 der letzten 20 Präsidentschaftswahlen eroberte der Sieger in Florida auch das Weiße Haus. Trump gewann 2016 mit kleinem Vorsprung gegen Clinton, jetzt liegt er in Umfragen etwa gleichauf mit Biden. Und auch hier sind es nur einige wenige der 67 Countys, die entscheidend sind.

Unterstützer von Trump und Unterstützer von Biden in Miami, Florida (USA)
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In Florida geht es gewohnt eng zu, im Jahr 2000 kam es hier zu einem Wahlkrimi zwischen George W. Bush und Al Gore

Ältere und Latinos entscheiden

Etwa Lee County mit dem Verwaltungssitz Fort Myers, ein gefragter Alterssitz für wohlhabende Pensionierte aus den ganzen USA. Trump holte sich diesen Bezirk mit komfortablen 20 Prozentpunkten Vorsprung, was ihm letztlich zum Wahlsieg im Bundesstaat verhalf. Ähnlich das Bild im County Sarasota, wo fast vier von zehn Einwohnern über 65 Jahren sind und zu treuen Stammwählern der Republikaner zählen. Wie das „Wall Street Journal“ („WSJ“) berichtete, dürfte Trump die Gunst vieler Älterer aber spätestens durch seinen Umgang mit der Coronavirus-Pandemie verspielt haben.

Das könnte Biden zupasskommen: Umfragen zufolge kann der Demokrat eine andere große Wählergruppe in Florida, die Latinos, nicht in dem Umfang überzeugen, wie es Clinton vermochte. Ein Plus an Stimmen älterer Floridianern sollte ihm aber dabei helfen, das Rennen eng zu halten. Keinesfalls verspielen darf Biden dabei Miami-Dade County – es ist der größte Bezirk im Bundesstaat und an sich eine Hochburg der Demokraten.

US-Fahne vor Wohnsiedlung in Levittown, USA
AP/Matt Rourke
Was gilt als Vorstadt? Die Antwort ist Studien zufolge nicht so simpel, wie es scheint.

Was auch dieses Mal nicht anders sein wird, ist die Tatsache, dass die Countys in den Vorstädten beziehungsweise die dortige Wahlbeteiligung quer durch das Land Schlüssel zum Erfolg sind. Seit Jahren gilt in den USA die Grundregel: Städte sind demokratisch, ländliche Gebiete republikanisch, in den Vorstädten ist das Wahlverhalten schwankend und entsprechend schwierig vorherzusagen.

Bis auf County-Ebene: Die Ergebnisse der US-Präsidentschaftswahl 2016

Eine Frage der Definition

Schwierig ist allein schon die Begriffsdefinition: 2016 wurden in Exit-Polls 49 Prozent der Wähler als vorstädtisch eingestuft, bei den Midterm Elections 2018 waren es 51 Prozent. In einer Umfrage des Pew Research Center im selben Jahr wiederum gaben 43 Prozent der Wahlberechtigten an, ihren Wohnsitz in Vorstädten zu haben, wie „The Hill“ berichtete.

Und selbst wenn sie in ähnlichen Gegenden leben, hieß es unlängst auf der Plattform Pew Research Center: Decoded, ist es wahrscheinlicher, dass Demokraten ihre Gemeinschaft als städtisch, Republikaner sie eher als ländlich bezeichnen. Zu den objektiven Indikatoren für Urbanität zählen etwa die Bevölkerungsdichte, die Entfernung von der nächstgelegenen Großstadt oder die Lichtverschmutzung. Letztlich aber gilt: „Es ist extrem schwierig, eine einzige Regel auf das gesamte Land anzuwenden, die auf irgendeinem ‚objektiven‘ Faktor basiert.“