Bauarbeiter
ORF.at/Christian Öser
Koalition uneins

ÖVP will Hacklerregelung stoppen

Die ÖVP hat am Mittwoch angekündigt, die vor der Wahl beschlossene Neuauflage der Hacklerregelung zurückzunehmen. ÖVP-Vizeklubchefin Gaby Schwarz berichtete von einer Vereinbarung mit den Grünen. Der Koalitionspartner bremste jedoch. Kritik an dem Plan gab es umgehend von SPÖ und FPÖ.

Auch Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) bestätigte nach dem Ministerrat die Abschaffung der Hacklerregelung und stellte sie als de facto fix dar. Für Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) ist das Aus aber offenbar noch lange nicht fix. In einer Pressekonferenz verwies der Ressortchef darauf, dass er zunächst einmal einen entsprechenden Bericht der Alterssicherungskommission abwarten wolle.

Er habe diesbezüglich schon länger ein klares Prozedere festgelegt. Die Kommission möge sich die aktuellen Zahlen aus dem Jahr eins der erweiterten Regelung, also 2020, ansehen und einen Bericht vorlegen, auf dessen Grundlage man dann validere Aussagen treffen könne. Dann werde man sich das System insgesamt ansehen, wie man zu mehr Gerechtigkeit kommen könne. Die Hacklerregelung werde hier nur ein Teil sein.

Dass die ÖVP für die Abschaffung ist, überraschte den Sozialminister nach eigenen Aussagen nicht. Das sei die stringente Fortsetzung von deren Politik. Im grünen Klub wurde der ÖVP-Vorstoß ebenfalls nicht bestätigt.

Hacklerregelung und Arbeitslosenzuschuss

Im Hintergrund steht offenbar eine Junktimierung – die ÖVP will das Aus der Hacklerregelung mit der vom grünen Vizekanzler Werner Kogler angekündigte Verlängerung des Arbeitslosenzuschusses verknüpfen.

Seit 1. Jänner 2020 ist wieder eine Frühpension ohne Abschläge möglich, wenn mindestens 45 Beitragsjahre vorliegen. In Anspruch nehmen können das ASVG-Versicherte, Bauern und Selbstständige – nicht aber Beamte. In der Praxis profitieren davon – wegen ihres höheren Regelpensionsalters – ausschließlich Männer.

ÖVP will Beschluss im November

Schwarz bezeichnete die als Wahlzuckerl vor der Nationalratswahl 2019 überraschend (und nur gegen die Stimmen von NEOS) beschlossene Regelung in einer Aussendung am Mittwoch als eine reine „Männerpension“. Dieses „ungerechte System“ werde nun mit den „notwendigen Übergangsfristen“ repariert, kündigte Schwarz an. Beschlossen werden soll das laut ÖVP im November – mit der Pensionserhöhung für 2021.

Angedacht vs. fix

Die ÖVP beharrte allerdings darauf, dass sowohl die Pensionsreform als auch der von den Grünen angekündigte neuerliche Arbeitslosenzuschuss „vereinbart und in Vorbereitung“ sei. Schwarz bestätigte am Mittwoch diesbezüglich, dass die neuerliche Auszahlung eines Arbeitslosenzuschusses im Dezember „angedacht“ sei.

Eine generelle Erhöhung des Arbeitslosengeldes lehnt die ÖVP weiterhin ab. „Eine generelle Erhöhung des Arbeitslosengeldes wird nicht kommen, denn Ziel bleibt weiterhin, die Menschen zurück auf den Arbeitsmarkt zu bringen“, so Schwarz.

ÖVP drängt auf Abschaffung

Die ÖVP hatte bei der neuen Hacklerregelung im Vorjahr nur widerwillig zugestimmt, weil sie sonst auch gegen die zugleich abgestimmte Pensionserhöhung hätte stimmen müssen. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte bereits zu Jahresbeginn angekündigt, dass die Maßnahme zurückgenommen werden soll.

Auch Vizekanzler Kogler kritisierte das Modell: „Eine Regelung nur für Männer, da sträubt sich was in mir.“ Anschober wartet auf den Bericht der Alterssicherungskommission. Deren Vorsitzender, Walter Pöltner, hatte sich allerdings bereits im Jänner für die Abschaffung der Hacklerregelung ausgesprochen.

Scharfe Kritik von SPÖ und FPÖ

SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried kritisierte die Koalitionsparteien scharf und sprach von einem „türkis-grünen Chaos“. Dieses weite sich vom Management der CoV-Pandemie nun auf die Sozialpolitik aus. „Opfer des auf offener Bühne ausgetragenen Streits sind die Menschen, die so wie schon bei den nicht funktionierenden Wirtschaftshilfen und den untauglichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit auf der Strecke bleiben“, so Leichtfried.

Der niederösterreichische FPÖ-Chef Udo Landbauer warf der ÖVP vor, „alle fleißigen Arbeiter“ zu verraten. Die ÖVP „erdreistet sich allen Ernstes, in der schwersten Arbeitsmarkt- und Wirtschaftskrise weitere Krisenopfer zu produzieren“.

Gewerkschaft empört, Industrie erfreut

Empört reagierte der Vorsitzende der Produktionsgewerkschaft PRO-GE, Rainer Wimmer. Der SPÖ-Gewerkschafter hält das von der ÖVP vorgebrachte Argument, dass die Hacklerregelung nicht für Frauen gilt, für „fadenscheinig“: „In wenigen Jahren wird das Pensionsalter angehoben, dann profitieren auch sie. Und um Frauen den Zugang zu erleichtern, werden fünf Jahre an Kindererziehungszeiten berücksichtigt.“ Der Vorsitzende des SPÖ-Pensionistenverbandes, Peter Kostelka, sieht zudem den Vertrauensschutz gefährdet.

Zustimmung kam dagegen von der Industriellenvereinigung. Die Junge Industrie nannte die geplante Abschaffung „höchst erfreulich und begrüßenswert“. Die Wiedereinführung im Zuge des Wahlkampfs 2019 sei „unverständlicher Populismus“ gewesen. Die Kosten des Pensionssystems seien ohnehin zu hoch.