Szene des Films „Hexen Hexen“ mit Anne Hathaway
2019 Warner Bros. Entertainment Inc.
Roald-Dahl-Remake

Hexen-Glamour für die ganze Familie

Ein exzentrisch-glamouröser Frauenbund entpuppt sich als diabolische Hexengemeinschaft: 30 Jahre nach der Erstverfilmung hat sich Robert Zemeckis Roald Dahls Kinderbuchklassiker „Hexen hexen“ vorgenommen. Sein Remake ist zwar weniger kultverdächtig, aber ein echter Grusel-Action-Spaß für die ganze Familie – und liebevoll in eine heutige Sprache gesetzt.

Mit dem Original von Nicolas Roeg wurde 1990 eine ganze Generation von Kindern traumatisiert: Anjelica Huston stellte da als unvergesslich böse Oberhexe kleinen Kindern nach. Viele schwärmen noch immer von dem Film, ein Remake war also fast programmiert. Engagiert wurde von Warner Brothers nun Regieroutinier Zemeckis („Forrest Gump“, „Zurück in die Zukunft“), der die Hexen statt im 90er-Jahre-Märchen-Setting nun in den Swinging Sixities ihr Unwesen treiben lässt – im Süden der USA statt in Norwegen.

Das Rassismusthema liegt auf der Hand, wird allerdings nicht mit der Brechstange, sondern wirklich clever, ganz nebenbei erzählt, durch die Augen der Figuren verhandelt: Am eigenen Leib erfahren muss das dräuende Unheil der schwarze Waisenbub Charlie (Jahzir Bruno), der nach dem Unfalltod seiner Eltern nach Alabama zu seiner Großmutter (Octavia Spencer) übersiedelt. Mit Kochkünsten, „Sitting on the dock of the bay“ vom Plattenspieler und nicht zuletzt mit liebevoller Resolutheit holt diese den Burschen aus der Apathie.

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Szene des Films „Hexen Hexen“ mit Jahzir Bruno
2019 Warner Bros. Entertainment Inc.
Jahzir Bruno spielt den Waisenbub Charlie, der nach dem Tod seiner Eltern in die Obhut seiner Großmutter kommt
Szene des Films „Hexen Hexen“ mit Ocatvia Spencer und Jahzir Bruno
2019 Warner Bros. Entertainment Inc.
„Grandma war eine toughe Lady mit einem großen Herz“, so heißt es über die Oma (Octavia Spencer)
Szene des Films „Hexen Hexen“ mit Stanley Tucci
2019 Warner Bros. Entertainment Inc.
Stanley Tucci spielt den Hotelmanager, der nicht ahnt, wer in seinem Hotel alles einquartiert ist
Szene des Films „Hexen Hexen“ mit Anne Hathaway
2019 Warner Bros. Entertainment Inc.
Anne Hathaway als Oberhexe Miss Ernst: glamourös und sehr exzentrisch
Szene des Films „Hexen Hexen“ mit animierten Mäusen
2019 Warner Bros. Entertainment Inc.
Drei Mäuse treten an, um den perfiden Hexenplan zu unterwandern

Coole Oma meistert Rassismus

Die wiedergewonnene Kindheitsidylle währt aber nur kurz: Als Charlie eines Tages in den Supermarkt geht, lauert da eine unheimliche, grün-behandschuhte Frau mit Schlange, die mit Süßigkeiten lockt. Der Großmutter und ihrem Schützling ist klar, dass da nur noch die Flucht an einen sicheren Ort hilft. Ein sehr schickes, am Meer gelegenes Luxushotel, das ein wenig an Wes Andersons „Grand Budapest Hotel“ erinnert, scheint der passende Ort, weil es dorthin verwandtschaftliche Kontakte gibt.

Dort angekommen, zeigt die grandios aufspielende Octavia Spencer – Oscar-Gewinnerin von 2012 für ihre Nebenrolle in „The Help“ –, was für eine coole Oma sie ist: Mit großer Präsenz ignoriert sie alle subtilen Signale, die sie und ihren Schützling des Orts verweisen wollen. Das eigentliche Problem ist aber ganz anderer Natur: Im Hotel findet ein Kongress statt, ein – übrigens „all race“ gehaltener – Hexenkongress, getarnt als „Königliche Gesellschaft zur Verhinderung von Kindesmisshandlung“, die wie schon bei Roald Dahl den diabolischen Zweck verfolgt, alle Kinder dieser Welt auszurotten.

Zwischen Cruella de Vil und Joker

Anne Hathaway steigt hier als Großmeisterhexe Miss Ernst spektakulär ins Rennen: Sie ist eine ziemlich glamouröse, famos exzentrische und fast schon lustige Cruella-de-Vil-Version mit überbreitem Joker-Grinsen und einem schrägen slawischen Akzent, der seinesgleichen sucht. Das Wort Knoblauch bringt sie trotz mehrfachen Anlaufs nur verballhornt über die Lippen, da die Hexen in Zekimeckis Version anscheinend die vampirische Antipathie gegenüber dem Lauchgewächs teilen – nur eines der liebevoll neu ausgefuchsten Details, mit denen das Remake punkten kann.

Was den Grundplot betrifft, so hält sich die Story weitgehend ans Original: Der junge Held freundet sich mit einem dicken englischen Burschen an (Codie-Lei Eastick), dessen Eltern gerade im Hotel Urlaub machen. Die beiden Buben geraten schließlich in die Fänge der obskuren Gemeinschaft, bevor ein Trupp in Gestalt dreier kleiner Mäuse sich aufmacht, den Hexen eins auszuwischen. Das rasante Finale führt unter anderem in die Großküche des Hotels, wo man in „Ratatouille“–Manier die Gefahren von Riesenschöpfern und Riesenkochtöpfen meistern muss.

Szene des Films „Hexen Hexen“ mit Anne Hathaway
2019 Warner Bros. Entertainment Inc.
Anne Hathaway steigt als Oberhexe Miss Ernst in Anjelica Hustons große Fußstapfen

Viel Glamour, weniger Gruselgänsehaut

Viel Glamour und nette Spezialeffekte, dafür doch deutlich weniger Gruselgänsehaut, so lässt sich das neue „Hexen hexen“ insgesamt zusammenfassen: Die dreifingrigen Krallenhände der Hexen wirken fast so schick wie die Handschuhe, unter denen sie verborgen sind. Und unter Hathaways schräg-schönem Hexenschädel verbirgt sich diesmal keine entstellte Fratze; ihr Schrecken geht vor allem von ihrem spektakulären Grinsen aus, das sich im New-Horror-Look bis zu den Ohren entfalten kann.

Und noch eines ist – in diesem Fall sehr angenehm – anders: Die Hexengesellschaft tritt hier weniger als hysterisch-dümmliche Gemeinschaft auf, vielmehr präsentieren sie sich als streng durchorganisierter und fast tänzerisch choreografierter Verbund. „Hexen sind keine Frauen, sondern Dämonen“, heißt es auch gleich am Beginn.

Das ist, wenn man so will, vielleicht wenig „kultig“, dafür doch deutlich heutiger. Letzteres trifft auch auf die Special Effects zu: Zemeckis Remake zeigt nicht zuletzt, was sich in den letzten 30 Jahren Kinotechnik alles getan hat – inklusive netter Mäuseanimation und sich spektakulär verbreiternder Hexennasenlöcher: Denn für Dahls Hexen duften Kinder bekanntermaßen nicht, sie riechen vielmehr nach Hunde-Aa.