Logo der US-Supermarktkette Walmart
AP/Phelan M. Ebenhack/Phelan M. Ebenhack
Opioidkrise

Walmart klagt US-Regierung

Der größte US-Einzelhändler Walmart hat die amerikanische Regierung geklagt, um sich gegen drohende juridische Konsequenzen wegen seiner Rolle in der Opioidkrise zu wappnen. Das Justizministerium drohe Walmart mit einem „vollkommen unberechtigten“ Rechtsstreit, teilte das Unternehmen am Donnerstagabend (Ortszeit) in Bentonville mit.

Es wird erwartet, dass die Regierung gegen den größten Einzelhändler der Welt zivilrechtliche Schritte einleiten wird. Walmart könnte rückwirkend dafür bestraft werden, süchtig machende Schmerzmittel verkauft und damit zur verheerenden Opioidepidemie in den USA beigetragen zu haben. Walmart betreibt in den USA mehr als 5.000 Apotheken in seinen Geschäften.

Der Konzern argumentiert jedoch, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten nur ihre Pflicht erfüllt. Sie hätten nur Arzneimittel verkauft, die zuvor von Ärztinnen und Ärzten mit Zulassung der US-Behörden verschrieben worden seien. „Wir beginnen diesen Rechtsstreit, weil es kein Bundesgesetz gibt, das Apothekern vorschreibt, sich in dem vom Justizministerium geforderten Maße in das Verhältnis zwischen Ärzten und Patienten einzumischen“, so Walmart. Es werde stets von staatlichen Experten und Gesundheitsbehörden betont, dass es verboten sei, Patienten medizinische Ansprüche zu verweigern.

Pharmazieabteilung in einer Filiale der US-Supermarktkette Walmart
AP/Sarah Bentham
Walmart betreibt in den USA Tausende Apotheken

Konzern sieht Anti-Drogen-Behörde in der Pflicht

Das Unternehmen verweist in der Klage darauf, dass das Justizministerium Hunderte von Ärzten identifiziert habe, die problematische Rezepte geschrieben hätten, die Walmarts Apotheker angeblich nicht hätten ausfüllen dürfen. Aber fast 70 Prozent hätten weiterhin aktive Registrierungen bei der US-Anti-Drogen-Behörde DEA. Die Klage führt das Justizministerium und Justizminister William Barr als Beklagte. Geklagt werden durch Walmart auch die DEA und ihr amtierender Leiter Timothy Shea. Weder das Justizministerium noch die DEA nahmen bisher zur der Klage Stellung.

Strafrechtliche Ermittlungen 2018 eingestellt

In der Klage bezieht sich Walmart auf eine staatliche Ermittlung gegen das Unternehmen, die im Dezember 2016 eingeleitet wurde – laut Walmart eine „fehlgeleitete strafrechtliche Untersuchung“, die von der US-Staatsanwaltschaft für den östlichen Bezirk von Texas durchgeführt wurde. Im Frühjahr 2018 teilte das Büro des Staatsanwaltes mit, dass es beabsichtige, das Unternehmen anzuklagen. Im August 2018 hieß es von Walmart, dass Beamte des Justizministeriums erkannt hätten, dass es keine plausible Grundlage für eine strafrechtliche Anklage gebe. Die Staatsanwaltschaft lehnte es denn auch formell ab, Walmart anzuklagen. Die zivilrechtliche Untersuchung wurde jedoch fortgesetzt.

In einem Artikel vom März dieses Jahres widmete sich die Investigativplattform ProPublica der Ermittlung. Laut dem Bericht wurde das strafrechtliche Verfahren eingestellt, nachdem die Anwälte des Einzelhandelsriesen bei hohen Beamten des Justizministeriums Berufung eingelegt hatten. Geleitet worden waren die Ermittlungen gegen Walmart jahrelang von Joe Brown, dem damaligen US-Staatsanwalt für den östlichen Bezirk von Texas. Zwei Monate nach Einstellung des Verfahrens trat er, ohne nähere Gründe zu nennen, zurück.

USA seit Jahrzehnten fest im Griff der Schmerzmittel

Opioide sind zum Teil synthetisch hergestellte Arzneimittel mit unter anderem schmerzlindernden Eigenschaften. Sie bergen jedoch auch enorme Abhängigkeitsrisiken und hohes Missbrauchspotenzial. Die Opioidepidemie in den USA hat laut der Gesundheitsbehörde CDC seit der Jahrtausendwende zu mehr als 450.000 Toten geführt. Walmart zählt zwar nicht zu den Pharmakonzernen, denen häufig eine Hauptschuld an der Misere gegeben wird, steht als großer Medikamentenhändler mit vielen Apothekenschaltern aber ebenfalls schon länger in der Kritik.

Schmerzmittel in Tablettenform aus einem Plastikbehälter
Getty Images/Cappi Thompson
Leichtfertige Verschreibungen von Opioiden haben viele Menschen in den USA in die Abhängigkeit geführt

Begonnen hatte die Ausbreitung der Opioidtherapie in den 1990er Jahren: Eine kurzfristige Einnahme führe nicht zur Abhängigkeit und sei harmlos, hieß es damals. Ungereimtheiten wie fehlende klinische Studien wurden vernachlässigt. Das Medikament Oxycontin etwa wurde von dem Konzern Purdue Pharma jahrelang als völlig unbedenklich vermarktet – Hauptprofiteur war der Konzerninhaber, die reiche US-Familie Sackler.