Tschechiens Regierungschef Andrej Babis und Gesundheistminister Roman Prymula
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Tschechien

Nächster Gesundheitsminister muss gehen

Es scheint, als würde Tschechien an einem neuen Höhepunkt der Coronavirus-Krise erneut seinen Gesundheitsminister verlieren. Regierungschef Andrej Babis sagte am Freitag, er habe Roman Prymula gebeten, seinen Rücktritt einzureichen. Tue er das nicht, werde er ihn entlassen. Das Fehlverhalten des Ministers sei „unentschuldbar“. Wenig später folgte Prymulas Reaktion: Er denke gar nicht daran zurückzutreten.

Er werde nicht zurücktreten, weil er gegen keine Regeln verstoßen habe, sagte Prymula am Freitag laut der Nachrichtenagentur CTK auf einer Pressekonferenz in Prag. Dem jetzigen Gesundheitsminister wird jedoch vorgeworfen, seine eigenen drastischen Coronavirus-Vorschriften verletzt zu haben. Die Zeitung „Blesk“ fotografierte den Politiker und Epidemiologen, wie er an einem Abend ein Luxusrestaurant verließ und dabei keine Maske trug. Dabei sind seit eineinhalb Wochen alle Restaurants in Tschechien geschlossen.

Der 56-Jährige hatte sich mit dem Fraktionsvorsitzenden der populistischen Regierungspartei ANO, Jaroslav Faltynek, getroffen. Dieser sagte, man habe „Dinge bei einem Kaffee besprochen“. Er habe an einem Gespräch in privaten Räumlichkeiten des Vysehrader Stifts, nicht in einem geschlossenen Restaurant teilgenommen, argumentierte Prymula. Das Stift verpachtet einen Teil seines Eigentums an ein Restaurant.

Fast menschenleere Altstadt in Prag
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In Tschechien gibt es strenge Ausgangsbeschränkungen

Gemäß der tschechischen Verfassung kann der Staatspräsident auf Vorschlag des Regierungschefs die Ministerinnen und Minister entlassen. Präsident Milos Zeman hatte am Freitag laut Babis Zweifel an der geplanten Entlassung geäußert. Am Nachmittag war daher ein Gespräch zwischen Babis und Zeman im Präsidentenschloss Lany bei Prag geplant. Babis forderte auch Faltynek zum Rücktritt als Parteivize auf. Sowohl die Opposition als auch der sozialdemokratische Koalitionspartner CSSD hatten wegen der Affäre personelle Konsequenzen gefordert.

Drastische Gesundheitsmaßnahmen im ganzen Land

Angesichts sprunghaft steigender CoV-Zahlen griff Tschechien zu drastischen Maßnahmen, die einem landesweiten Lockdown gleichkommen. Mit Donnerstag mussten fast alle Geschäfte schließen, wie Prymula noch bekanntgab. Ausgenommen sind unter anderem Lebensmittelgeschäfte, Drogerien und Apotheken.

Zudem wurden Ausgangsbeschränkungen wie im Frühjahr verhängt: Die Regierung hat angeordnet, dass Leute ihre Kontakte mit anderen Menschen auf die „absolut notwendige Zeit“ begrenzen müssen. Das gilt nicht für den Weg zur Arbeit, notwendige Einkäufe, Arzt- und Familienbesuche. Erlaubt sind auch Spaziergänge in Parks und der freien Natur.

Europaweit eine der höchsten Raten

Erst vor einem Monat hatte der vorherige Gesundheitsminister Adam Vojtech das Handtuch geworfen. Vojtech reagierte damit auf die wachsende Kritik und den Unmut über das Pandemie-Krisenmanagement der Regierung. Er begründete seine Entscheidung damit, dass er Raum zur Lösung der Pandemie schaffen wolle.

In Tschechien sind die 10,7 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern dazu angehalten, so weit wie möglich zu Hause zu bleiben. Das Land kämpft, auf die Bevölkerung umgerechnet, mit der stärksten Zunahme an Coronavirus-Neuinfektionen in der Europäischen Union. Am Freitag wurden 14.151 neue Fälle innerhalb von 24 Stunden vermeldet. 1.845 Menschen starben seit Beginn der Pandemie in Verbindung mit einer Covid-19-Erkrankung.