Mann mit Maske vor einem verschlossenem Geschäft
Reuters/Flavio lo Scalzo
CoV-Maßnahmen

Italien will weiter nachlegen

Angesichts einer stark steigenden Zahl von Neuinfektionen in Italien prüft die Regierung weitere restriktive Maßnahmen im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie. Eine nächtliche Ausgangssperre ab 21.00 Uhr wird nicht ausgeschlossen, wie italienische Medien berichteten. Erstmals regt sich aber auch Widerstand dagegen.

Wie italienische Medien berichteten, könnte eine Verordnung mit weiteren einschränkenden Maßnahmen schon am Sonntag verabschiedet werden, nur eine Woche nach den zuvor letzten Restriktionen, die die Regierung eingeführt hatte. Die Verordnung soll auch eine Reduktion der Zahl der Personen an Bord öffentlicher Verkehrsmittel vorsehen. Sportzentren und Schwimmhallen könnten geschlossen werden. Auch eine Schließung von Einkaufszentren an Wochenenden sei möglich, schrieb die Tageszeitung „Corriere della Sera“. Bei Feierlichkeiten soll die zugelassene Gästezahl von 30 Personen weiter reduziert werden.

In Italien ist die Zahl der Neuinfektionen zuletzt wieder sprunghaft angestiegen. Allein am Freitag wurden mehr als 19.000 neue Ansteckungen gemeldet. Die Reproduktionszahl stieg in mehreren Regionen auf 1,5. 91 Todesopfer wurden am Freitag gemeldet. Befürchtet wird eine starke Belastung des Gesundheitssystems in den stärker von der Pandemie betroffenen Regionen.

„Ein Schritt vor der Tragödie“

Regierungschef Giuseppe Conte handelt unter dem Druck von 100 Wissenschaftlern, die angesichts der zunehmenden Zahl von Infektionen einen Appell für eine zusätzliche Verschärfung der Maßnahmen an Staatspräsidenten Sergio Mattarella gerichtet hatten. Auch der Präsident der süditalienischen Region Kampanien, Vincenzo De Luca, drängte die Regierung von Premier Conte zu zusätzlichen Restriktionen.

Frau und Kind mit Maske in einem Park
Reuters/Flavio lo Scalzo
Im Freien herrscht Pflicht zum Mund-Nasen-Schutz

„Wir stehen einen Schritt vor der Tragödie. Wir sollten ganz Italien 30 bis 40 Tage lang schließen und dann sehen, wie sich die Situation entwickelt“, forderte De Luca, der eine Ausgangssperre von 23.00 Uhr bis 5.00 Uhr in seiner Region eingeführt hatte, die am Freitag in Kraft trat.

Demonstrationen in Italien

In Italien prüft die Regierung weitere strenge CoV-Maßnahmen, doch die Bevölkerung möchte diese nicht mehr mittragen. Es kommt zu Demonstrationen.

Erstmals Straßenproteste ausgebrochen

Erstmals seit Beginn der Coronavirus-Epidemie in Italien im Februar brachen daraufhin Straßenproteste dagegen aus. In Neapel und in Salerno gingen Hunderte Menschen auf die Straße. Sie skandierten Slogans und entzündeten Rauchbomben. Wie italienische Medien berichteten, griffen sie die Polizei mit Rauchbomben an. Die Sicherheitskräfte reagierten darauf mit Tränengas.

Proteste in Neapel
Reuters/Ciro de Luca
Hunderte Personen demonstrierten im Zentrum Neapels gegen die nächtliche Ausgangssperre

Conte stemmt sich gegen Lockdown

Die italienische Regierung befürchtet weitere Protestaktionen, sollte es zu einem neuen gesamtstaatlichen Lockdown wie im März und April kommen. Das will Premier Conte verhindern, und er stemmt sich gegen eine neue Schließung der Schulen wie etwa in Kampanien und der produktiven Aktivitäten. Stattdessen befürwortet er eine beschränkte Verschärfung der Schutzmaßnahmen. Zugleich appellierte er an die Bevölkerung zu vernünftigem Verhalten und zum Verzicht auf unnötige Reisen.

Polizisten kontrollieren eine Straße in Mailand
Reuters/Flavio lo Scalzo
Innenministerin Lamorgese: „Italien droht kein Polizeistaat, doch die Kontrollen werden rigoros sein“

„Wir müssen alles Erdenkliche zur Verhinderung eines neuen Lockdowns unternehmen, der soziale und wirtschaftliche Konsequenzen mit Auswirkungen auf die öffentliche Ordnung hätte“, hatte auch Innenministerin Luciana Lamorgese am Freitag im Interview mit Rainews24 gewarnt. Die Ministerin kündigte strenge Polizeikontrollen zur Einhaltung der Maßnahmen an. „Italien droht kein Polizeistaat, doch die Kontrollen werden rigoros sein. Unser gemeinsames Ziel ist es, einen neuen Lockdown zu vermeiden.“

Die Zahl der Regionen, die ein nächtliches Ausgangsverbot einführen, wuchs unterdessen. So hat am Samstag auch die Region Sizilien ein entsprechendes Ausgangsverbot von 23.00 Uhr bis 5.00 Uhr, wie es bereits in den Regionen Kampanien, Kalabrien und Latium gilt, beschlossen. Am Montag tritt auch im norditalienischen Piemont ein solches Verbot in Kraft.

Virologe: „Hysterie ein Ende setzen“

Auch der angesehene Virologe Giorgio Palu, Professor für Mikrobiologie und Virologie an der Universität von Padua, sprach sich im Gespräch mit dem „Corriere della Sera“ (Samstag-Ausgabe) gegen einen landesweiten Lockdown aus. „Als Bürger bin ich gegen einen neuen Lockdown, weil das für unsere Wirtschaft ein Selbstmord wäre. Als Wissenschaftler bin ich dagegen, weil das die Bildung unserer Jugend beeinträchtigen würde, die unsere Zukunft sind.“

„Ich bin auch als Arzt gegen einen Lockdown, weil man mit einem Ausgangsverbot Personen, die an anderen Krankheiten wie Krebs leiden, den Zugang zu den Behandlungen versperrt. Dabei ist mit CoV eine niedrige Sterberate verbunden. Wir müssen dieser Hysterie ein Ende setzen“, sagte Palu. 95 Prozent der an CoV infizierten Italiener seien symptomfrei. Entscheidend sei die Zahl der Patienten, die auf Intensivstationen eingeliefert werden. „Das ist die Zahl, die die Gefährlichkeit der Lage bezeugt. Dieses Virus hat eine relativ niedrige Letalität, es kann zwar töten, ist aber nicht die Pest“, sagte der Virologe.

Gegen einen neuen Lockdown sprach sich auch der Präsident des Obersten Gesundheitsinstituts (CSS), Franco Locatelli, aus, dessen Einrichtung die Regierung im Umgang mit der Coronavirus-Epidemie berät. Die Zahl der Patienten auf den Intensivstationen sei wesentlich niedriger als im vergangenen Frühjahr. Ein nächtliches Ausgangsverbot auf landesweiter Ebene würde die Gastronomie weiter belasten, die ohnehin in einer schweren Krise stecke. „Ein Lockdown hätte für das Land unerträgliche soziale und wirtschaftliche Folgen“, warnte Locatelli im Interview mit der Tageszeitung „Il Fatto Quotidiano“.

Slowenien schließt Grenze

Ab Montag will Slowenien die Grenze zu Italien schließen. Italienischen Staatsbürgern wird Medienberichten zufolge lediglich der Transit durch das Land (maximal zwölf Stunden) erlaubt, um andere Destinationen zu erreichen. Der Beschluss sei wegen der zunehmenden Zahl von Coronavirus-Infektionen in Italien ergriffen worden. Gesundheitskontrollen an der Grenze wurden nicht ausgeschlossen. Friaul-Julisch Venetien zählt zu den 14 italienischen Regionen, die Slowenien wegen der hohen Zahl von Infektionen als „rote Zone“ betrachtet.

Um die Ausbreitung des Coronavirus im Land selbst einzudämmen, wurde in Slowenien außerdem der bestehende Teil-Lockdown mit weiteren Einschränkungen ausgeweitet. Zusätzlich zu der bereits geschlossenen Gastronomie sowie den Kultur- und Sporteinrichtungen sind seit Samstag auch Hotels, Casinos, Friseur- und Kosmetiksalons sowie andere nicht wesentliche Geschäfte und Dienstleistungen geschlossen. Offen dürfen hingegen Lebensmittelgeschäfte, Apotheken, Tierbedarfshops, Baumärkte, Blumengeschäfte, Bank- und Postfilialen, Tankstellen und Reparaturwerkstätten bleiben. In der kommenden Woche, in der auch Herbstferien für Schulkinder bevorstehen, werden außerdem die Kindergärten geschlossen sein.

Slowenien registrierte am Freitag 1.963 neue Coronavirus-Fälle, bei einer Positivitätsrate von 27,9 Prozent, zeigten die am Samstag veröffentlichten Zahlen. An einem Tag starben insgesamt 18 Personen mit oder an einer Covid-19-Erkrankung. Derzeit werden 449 Patienten im Krankenhaus behandelt, 63 davon auf Intensivstationen. Aktuell gibt es 13.023 aktive Fälle.