Gesundheitsminister Rudolf Anschober
APA/Georg Hochmuth
„Freitesten“

Anschober will kein Risiko eingehen

Die ÖVP will das „Freitesten“ von K1-Kontaktpersonen nach fünf Tagen Quarantäne erlauben. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) erteilt dem jedoch eine Absage. „Ich bin gerade in Zeiten der massiven Zunahme der Infektionszahlen nicht bereit, ein erhöhtes Risiko für die Bevölkerung einzugehen“, sagte Anschober am Samstag.

ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann forderte, dass Lehrerinnen und Lehrer, die zwar engen Kontakt zu einer CoV-positiven Person hatten, die aber nach fünf Tagen keine Symptome entwickeln, mit einem negativen Test wieder aus der Quarantäne entlassen werden. Auch Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) sprach sich für dieses „Freitesten“ aus.

Eingefordert wird das insbesondere von Unternehmensvertretern. IV-Präsident Georg Knill forderte am Samstag die richtige Balance, um „wirtschaftliche Aktivität auf maximal möglichem Niveau sicherzustellen“. WKÖ-Handelsobmann Rainer Trefelik findet eine zehntägige Quarantäne für Menschen ohne Symptome weder für Menschen noch für die Betriebe zumutbar. „Freitesten“ könne Personalengpässe verhindern. Auch die Gewerkschaft vida begrüßte die Idee am Samstag.

Gesundheitsminister bremst

Anschober hingegen verwies auf Leitlinien von Gesundheitsorganisationen wie des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Österreich habe als erstes Land die Quarantäne von 14 auf zehn Tage verkürzt. „Weitere Erleichterungen überprüfen wir und werden wir umsetzen, sobald sichergestellt ist, dass damit keine Erhöhung des Risikos einhergeht“, so Anschober. Er werde kein erhöhtes Risiko für die Bevölkerung eingehen.

Wien will sieben statt zehn Tage Quarantäne

Die zuständigen Gesundheitsreferenten der Bundesländer können ebenfalls wenig mit dem „Freitesten“ anfangen. Der Wiener Stadtrat Peter Hacker (SPÖ) verwies auf knappe Testkapazitäten und schlug stattdessen vor, die Quarantäne symptomloser K1-Kontaktpersonen von zehn auf sieben Tage zu verkürzen. Damit würde sich die Debatte um das „Freitesten“ erübrigen, sagte Hacker am Samstag in der „Presse“.

Die Vorarlberger Landesrätin Martina Rüscher (ÖVP) hatte das „Freitesten“ schon am Donnerstag als „völlig illusorisch“ bezeichnet. Weil bis zum Ausbruch der Krankheit fünf bis sieben Tage vergehen, würde das aus ihrer Sicht frühestens ab dem achten Tag Sinn ergeben. „Dann würde man das negative Testergebnis am neunten Tag bekommen. Am zehnten Tag endet die Quarantäne ohnehin“, sagte Rüscher in den „Vorarlberger Nachrichten“.

Faßmann unterstreicht „Freitesten“

An Schulen müsse klar sein, wer ansteckend sein könnte. Lehrerinnen und Lehrer als K1-Kontaktpersonen in Quarantäne seien ein Problem, weil sie nicht wissen, ob sie infiziert sind, begründete Faßmann in der Ö1-Reihe „Im Journal zu Gast“ seine Forderung. Sie seien auch ein Problem für Bildungssystem, weil dadurch personelle Engpässe drohen würden. „Daher ist Freitesten eine wichtige Frage“, sagte der Bildungsminister. „Ich hoffe da auf eine baldige Lösung.“

Derzeit seien vielleicht 300 von 123.000 Lehrern positiv getestet und in Quarantäne, beruhigte Faßmann. Wenn die Anzahl von Lehrerinnen und Lehrer in Quarantäne steige, könnten auch Lehramtsstudenten per Sondervertrag einspringen. „Wir haben eine Liste von Bereitwilligen.“

Keine Schulschließungen geplant

Generell stellte Faßmann einen Meinungsumschwung fest. Hieß es vor dem Sommer noch, Schulen gehörten geschlossen, setze man jetzt auf das Recht auf Bildung. „Es gibt keinerlei Absichten, nach den Herbstferien hier zu einem schulischen Schließen zu kommen“, sagte Faßmann. Diesbezüglich wisse er die Regierung hinter sich. Allenfalls wenn sich die Situation dramatisch verschlechtern sollte, müsse er seine Position möglicherweise überdenken, räumte Faßmann ein.

Er verwies darauf, dass derzeit von rund 5.800 Schulen nur rund sieben geschlossen seien. „Schulen sind nicht der Ort der Infektionen“, so Faßmann, das würden auch alle Untersuchungen zeigen. Die Mund-Nasen-Schutz-Maßnahmen würden in den Schulen gut funktionieren. „Ich sehe, die Lage hat sich noch nicht zugespitzt.“ Es gehe darum, mit Hausverstand zu handeln, das gelte auch für das Lüften der Klassen. Die Verkehrsverbünde forderte Faßmann auf, die Takte der Schulbusse zu verkürzen oder zumindest auf die Einhaltung der Maskenpflicht zu achten.

Die Bildungsreferenten der Bundesländer hatten am Freitag mit dem Ministerium vereinbart, die Schulen so lange wie möglich offen zu halten. Vor allem die Pflichtschulen – also Volks- und Mittelschulen sowie die Unterstufen der Gymnasien – sollten auch bei roter Ampel geöffnet bleiben. Und sollten höhere Schulstufen ins Distance-Learning wechseln, sollen Maturaklassen weiter in den Schulen betreut werden.

Das aktuell besonders vom Anstieg der CoV-Infektionen betroffene Bundesland Salzburg überlegt, Oberstufenklassen nach Allerheiligen in den Schichtbetrieb zu nehmen. Die Entscheidung soll Anfang kommender Woche fallen.

„Brennpunktschulen“ starten im Herbst

Für das ab Herbst startende Projekt zur Förderung von „Brennpunktschulen“ will das Bildungsministerium die Teilnehmer selbst aussuchen, kündigte Faßmann an. „Da kann man sich nicht freiwillig melden, da wird man aufgefordert“, sagte Faßmann. Wichtig sei aber, dass die jeweilige Schule mitmachen wolle. Rein statistische Kriterien wie der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund oder der Eltern mit (nur) Pflichtschulausbildung seien für die Auswahl zu wenig.