Infektionsabteilung im Kaiser-Franz-Josef-Spital
APA/Helmut Fohringer
„Es spitzt sich zu“

Warnung vor Engpässen und Verschärfungen

Unmittelbar vor dem Nationalfeiertag setzt es mahnende Worte und Appelle aus der Politik. Von Kanzler und Bundespräsident abwärts wird dazu aufgerufen, die Coronavirus-Regeln einzuhalten. Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) warnte vor einer Überlastung der Spitäler durch die Pandemie. Indessen eilen die Neuinfektionen von Rekord zu Rekord.

Mit 2.782 weiteren mit SARS-CoV-2 Infizierten österreichweit wurde laut den Zahlen von Gesundheits- und Innenministerium ein neuer Rekord für einen Sonntag registriert. Tags zuvor wurde ein Neuanstieg von 3.614 kommuniziert, der bisher höchste vermeldete Wert und ein Plus von über 1.000 im Vergleich zum Freitag.

Angesichts dieser Zahlen warnte Haslauer am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“ vor einer bevorstehenden Überlastung der Spitäler durch die Pandemie. In Salzburg könnte es bereits in einer Woche so weit sein, so Haslauer: „Dann wird Personal umgeschichtet, Betten umgeschichtet, dann müssen Hüftoperationen, die vielleicht schon einmal verschoben wurden, wieder verschoben werden.“ Auch die Nachverfolgung der neuen Infektionen sieht Haslauer wegen der „explosionsartigen“ Infektionsentwicklung „an der Grenze“.

LH Haslauer in der „Pressestunde“

Hoffen auf Gelder vom Bund

Zur Bewältigung der „enormen Mehraufwendungen“ in den Krankenhäusern forderte Haslauer mehr Geld für die Länder – die Bekämpfung der Pandemie sei eine Bundesaufgabe. Haslauer spricht von 1,5 Mrd. Euro Verlust, über die er mit dem Bund verhandeln möchte. „Da stelle ich eine gewisse Zögerlichkeit fest.“

Dass sich die Regierung zuletzt mit bundesweiten Maßnahmen zurückgehalten und auf regional abgestufte Eingriffe gesetzt hat, findet Haslauer verständlich. „Es kann aber sein, wenn die gesamte Entwicklung in Österreich weiter so dahingaloppiert, dass die Bundesregierung wieder zu nationalen Maßnahmen greift.“

Mit Sorge sehe er jedenfalls, dass das Alter der Infizierten wieder ansteige. Ausschlaggebend seien vor allem Kontakte im privaten Bereich: „Das sind nicht nur die jungen Leute, die abfeiern.“ Hier gehe es auch um Seniorengeburtstage und Vereinstreffen.

LH Haslauer in der „Pressestunde“

Schulschließungen möchte Haslauer, „wenn es irgendwie geht“, vermeiden. Allerdings könnten die Salzburger Oberstufenschüler nach den Herbstferien in Schichtunterricht wechseln. Den Vorschlag des Hoteliers Christian Harisch, rasch einen mehrwöchigen „sanften Lockdown“ durchzuführen, um den Wintertourismus zu retten, lehnt Haslauer ab: „Es ist das Recht eines tüchtigen Hoteliers, seine Branche im Mittelpunkt der Welt zu sehen, aber wir müssen auf alle achten.“

Geplänkel um Vorabinformationen

Nichts dagegen hätte Haslauer, wenn die Regierung ihre Verordnungen neben den politischen Büros der ÖVP-Landeshauptleute auch mit jenen der SPÖ koordinieren würde, wie er sagte. Dass das Finanzministerium entsprechende Vorabinformationen nur an die ÖVP-geführten Länder verschickt hatte, war diese Woche auf harsche Kritik der SPÖ gestoßen. Haslauer meinte, man könne die Arbeitsgrundlagen an alle Büros schicken. Dazu brauche es aber ein gewisses Vertrauensverhältnis.

Dass Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) die Kritik der roten Landeshauptleute an der selektiven Informationspolitik am Sonntag im „Kurier“ als „Kleinigkeit“ vom Tisch wischte, empörte indessen die SPÖ. Sie warf dem Kanzler Überheblichkeit und „kleingeistige Politik“ vor.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen
APA/Hans Punz
Der Bundespräsident mahnte zur Einsicht: „Wir alle müssen mit dem Virus leben“

Bundespräsident Alexander Van der Bellen bat indessen in einem medial verbreiteten Schreiben um Verständnis, den Nationalfeiertag nicht wie gewohnt begehen zu können. „Wir alle müssen mit dem Virus leben und Einschränkungen in Kauf nehmen, um unser aller Gesundheit zu schützen“, so der Bundespräsident.

Anschober: „Jetzt geht es um alles“

Kurz und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) riefen in mehreren Zeitungsinterviews dazu auf, die Regeln einzuhalten. „Die Lage ist extrem ernst, die Situation spitzt sich zu“, sagte Kurz im „Kurier“. In anderen Ländern gebe es schon wieder geschlossene Schulen, Geschäfte, Restaurants und Ausgangssperren. Das stehe auch in Österreich bevor, wenn das Wachstum der Infektionen nicht verlangsamt werde. „Im Moment sieht es nicht danach aus, dass das der Fall ist“, zeigte sich Kurz pessimistisch.

Appelle der Staatsspitze: Lage ist ernst

Seit Sonntagmitternacht gelten neue, verschärfte Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus. Unter anderem wird die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes ausgeweitet, die Personenhöchstzahl bei Veranstaltungen wird stark reduziert, und die Abstandsregel gilt wieder. Sowohl Bundespräsident Alexander Van der Bellen als auch die Regierung betonten, dass die Lage ernst sei.

Eine „Wende“ erwartet Kurz erst mit einem Impfstoff, wie er gegenüber der Tageszeitung „Österreich“ sagte. Anschober rechnet mit diesem Anfang 2021. „Wir wollen optimalerweise im Februar oder März mit dem Impfen in Österreich beginnen können“, sagte Anschober in der „Kronen Zeitung“. Eine gewisse „Corona-Müdigkeit“ könne er verstehen, aber: „Jetzt geht es um alles! Die nächsten drei, vier Wochen werden entscheidend für unsere Zukunft sein!“

Einheitliche CoV-Statistik kommt

Außerdem kündigte Anschober eine einheitliche Coronavirus-Statistik an. Derzeit veröffentlichen Innenministerium, Sozialministerium und die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) täglich Zahlen, die wegen unterschiedlicher Erhebungsweisen teils deutlich voneinander abweichen. „Künftig werden zum selben Zeitpunkt dieselben Zahlen veröffentlicht. Hauptquelle bleibt das AGES-Dashboard“, sagte Anschober dazu in der „Presse“.