Die Entscheidung fiel mit den Stimmen von 52 republikanischen Mitgliedern des Senats, die 47 Demokraten und eine Republikanerin stimmten dagegen. Mit Barrett bekommen die Konservativen am Supreme Court die dominierende Mehrheit von sechs der neun Sitze. Das könnte die Entwicklung der US-Gesellschaft auf Jahrzehnte beeinflussen. Die Richter werden auf Lebenszeit ernannt, der Supreme Court hat oft das letzte Wort bei kontroversen Fällen – unter anderem zum Recht auf Abtreibung, zur Gesundheitsversorgung und zur Einwanderungspolitik.
Die Richter für das oberste Gericht werden vom Präsidenten nominiert und vom Senat ernannt. Die Nachbesetzung wurde nötig, nachdem Richterin Ruth Bader Ginsburg 87-jährig an Krebs verstorben war. Ginsburg war eine liberale Frauenrechtlerin und Ikone der Bürgerrechtsbewegung, hoch angesehen und auch in der Bevölkerung beliebt. In dem neunköpfigen Kollegium im US-Höchstgericht war sie eine von vier Linksliberalen.
US-Senat bestätigt Barrett
Der US-amerikanische Senat hat die streng konservative Amy Coney Barrett als Höchstrichterin bestätigt. Nominiert wurde sie von US-Präsident Donald Trump.
Eid und Foto auf Balkon des Weißen Hauses
Gerade einmal eine Stunde nach der Abstimmung im Senat legte Barrett auf der Südwiese des Weißen Hauses den Eid auf die Verfassung ab. Danach ließ sie sich mit Trump auf dem Balkon der Präsidentenresidenz fotografieren. Barrett betonte in einer kurzen Ansprache, ihre politischen Ansichten und privaten Überzeugungen würden keine Rolle bei den Entscheidungen im Supreme Court spielen. Am Dienstag wurde sie schließlich vom Vorsitzenden Richter John Roberts vereidigt. Das Gericht veröffentlichte ein Bild der Zeremonie im kleinen Rahmen.
Liberale beunruhigt
Mit der tief religiösen 48-Jährigen zieht eine Juristin ins oberste Gericht ein, die sich in der Vergangenheit bereit gezeigt hat, mit bisherigen Auslegungen der Verfassung zu brechen. Entscheidend könnte das werden, sollten erneut Verfahren zum Beispiel zur Rechtmäßigkeit von Abtreibungen oder gleichgeschlechtlicher Ehen beim künftigen Supreme Court landen.
„Ich neige dazu, denen zuzustimmen, die sagen, dass eine Richterin der Verfassung verpflichtet ist – und dass es für sie legitimer ist, ihr Verständnis der Verfassung durchzusetzen, statt eine Präzedenzfallentscheidung, die ihr aus ihrer Sicht widerspricht“, schrieb Barrett in einem Artikel im Jahr 2013 – eine Einstellung, die Liberale beunruhigt. Zugleich müssten aber auch Argumente für einen Erhalt der Präzedenzentscheidung berücksichtigt werden, schränkte sie ein.
Demokraten fürchten um Gesundheitsreform
Trump hatte Barrett im September vor dem Weißen Haus als Kandidatin präsentiert. Er wollte den freien Sitz unbedingt noch vor der Präsidentenwahl am 3. November besetzen. Er verwies dabei auch ausdrücklich auf mögliche Gerichtsverfahren rund um die Stimmenauszählung, die beim Supreme Court landen könnten. Die Demokraten um den Präsidentschaftskandidaten Joe Biden forderten hingegen, dass erst der Sieger der Wahl die Ginsburg-Nachfolge regeln sollte. Dieser Ansicht schloss sich am Ende aufseiten der Republikaner nur Senatorin Susan Collins an.
Hannelore Veit über Höchstrichterin Barrett
ORF-Korrespondentin Hannelorse Veit spricht über US-Höchstrichterin Amy Coney Barrett.
Die Demokraten warnten zuletzt vor allem, dass mit Barrett im Obersten Gericht die Gesundheitsreform von Präsident Barack Obama fallen könnte und damit Millionen US-Amerikaner ihre Krankenversicherung verlieren würden. Die Trump-Regierung unternimmt gerade einen weiteren Versuch, die Reform vor dem Obersten Gericht zu kippen, die erste Verhandlung steht in der Woche nach der Präsidentenwahl bevor. Trump sagte erst vergangene Woche, er hoffe, dass das Gericht „Obamacare“ abschaffen werde. Er selbst kündigt schon seit Jahren einen eigenen Plan für das Gesundheitswesen an, hat ihn aber immer noch nicht vorgestellt.
Die Demokraten waren zusätzlich empört, weil die Republikaner im Senat Anfang 2016 Obamas Kandidaten für das Oberste Gericht sogar eine Anhörung verweigert hatten. Sie verwiesen dabei darauf, dass man in einem Wahljahr erst den Willen des Volkes erfahren müsse. Jetzt nahmen sie bei Barrett wieder Abstand von dieser Position.
„Richter machen keine Politik“
„Richter machen keine Politik“, zitierte die Juristin bei ihrer Präsentation im September ihren Mentor, den im Jahr 2016 verstorbenen Verfassungsrichter Antonin Scalia, und versuchte zugleich offenbar Zweifel an ihrer Unabhängigkeit zu zerstreuen. In ihrer Ansprache sagte sie, dass sie zur Philosophie Scalias stehe, dem Wortlaut der Gesetze zu folgen. „Ich liebe die Vereinigten Staaten und ich liebe die Verfassung der Vereinigten Staaten.“ Sie habe aber „keine Illusionen“, dass der Weg vor ihr einfach werde, „weder auf kurze noch auf lange Sicht.“