Polizist betritt ein Wohnhaus
APA/Hans Punz
Coronavirus-Maßnahmen

Debatte über Kontrollen im Privatbereich

Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) hat eine neue Debatte losgetreten, inwieweit Maßnahmen gegen das Coronavirus auch im Privatbereich exekutiert werden könnten. „Für bestimmte Fälle, für bestimmte Zeiten“ forderte er einen „verfassungsrechtlich gangbaren Weg“, um bei Verstößen auch im Privatbereich eingreifen zu können. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) erteilte dem eine Absage. NEOS und FPÖ reagierten empört, auch die SPÖ kritisierte den Vorstoß.

Das Covid-Maßnahmengesetz schließe Kontrollen im privaten Wohnbereich aus, und das sei auch „grundsätzlich richtig“, meinte Anschober am Dienstag im Ö1-„Morgenjournal“. Er glaube, dass „die allermeisten Menschen imstande sind, klaren Empfehlungen Folge zu leisten“.

Der Gesundheitsminister erteilte der Schaffung derartiger rechtlicher Möglichkeiten eine Absage und verwies stattdessen auf die geltende Rechtslage. Sein Job sei es, dieses Gesetz umzusetzen. Anschober appellierte stattdessen einmal mehr an die Verantwortung des Einzelnen, jeder müsse Teil der Lösung sein. Gegen Schützenhöfers Vorstoß sprachen sich auch Innenminister Karl Nehammer und Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (beide ÖVP) aus.

„Partys in Gartenhütten auflösen“

Schützenhöfer hatte im „Kurier“ (Dienstag-Ausgabe) ungewöhnlich offene Kritik am derzeitigen Coronavirus-Management der Regierung geäußert. Bei gesundheitlichen Herausforderungen wie Covid-19 gebe es „Einschränkungen der Freiheit“, sagte er. „Ich will ja nicht in Schlafzimmer hineinschauen, aber wenn bei Privatpartys in einem Keller oder in einer Gartenhütte Exzesse gefeiert werden, muss man das auflösen können.“

Schützenhilfe bekam der Landeshauptmann von der steirischen Wirtschaft. „Während in der Gastronomie und bei gewerblichen Veranstaltungen die coronabedingten Reglementierungen wieder massiv verschärft wurden, blieben private Feiern bis dato davon ausgenommen. Hier braucht es mehr Kontrollmöglichkeiten“, hieß es von Tourismus-Spartenobmann Johann Spreitzhofer und Wirtschaftskammer-Direktor Karl-Heinz Dernoscheg.

Anschober gegen Kontrollen im Privatbereich

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) erteilt dem Vorschlag des steirischen Landeshauptmanns Hermann Schützenhöfer (ÖVP) von Kontrollen im Privatbereich eine Absage.

Die Regierungsspitze hatte bei der Präsentation der neuen Maßnahmen vergangene Woche auf Nachfrage betont, dass in Privatwohnungen nicht kontrolliert werde, weil es keine rechtliche Grundlage dafür gebe, die verfassungskonform wäre, so Bundeskanzler Sebastian Kurz und Innenminister Nehammer (beide ÖVP) am vergangenen Montag. Verfassungsrechtler Heinz Mayer und Bernd-Christian Funk wiesen allerdings beide darauf hin, dass eine solche Regelung prinzipiell schon möglich wäre, solange die Eingriffe verhältnismäßig seien.

FPÖ und NEOS empört, Kritik von SPÖ

Empört reagierten FPÖ und NEOS auf Schützenhöfers Vorstoß. „Die ÖVP will offenbar unter dem Corona-Deckmantel in die Privatwohnungen eindringen. Kurz-Unterstützer Schützenhöfer lebt seine austrofaschistischen Überwachungsfantasien aus“, sagte FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl. „Mit derartigen Vorschlägen ist der ÖVP-Landeshauptmann selbst ein Fall für den Verfassungsschutz, er sollte unter Beobachtung gestellt werden.“ Jetzt werde der „finale Keulenschlag gegen die Grund- und Freiheitsrecht“ vorbereitet.

Der stellvertretende NEOS-Klubobmann Niki Scherak sagte, das ständige Spekulieren mit neuen und strengeren Maßnahmen von ÖVP und Grünen verunsichere die Bevölkerung weiter. „Eine verfassungskonforme Möglichkeit, den privaten Raum einfach so zu kontrollieren, gibt es nicht.“

Abgelehnt wird der Vorstoß auch von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ): Die SPÖ habe hier immer eine klare Position gehabt: „Schnüffeln in privaten Wohnräumen ist für uns ausgeschlossen.“

Anschober: Weit von Lockdown entfernt

Was einen erneuten Lockdown wegen der stark steigenden Infektionszahlen betrifft, gab sich Anschober indes zurückhaltend – man habe im Gesetz eine gute Regelung, die besage, dass für eine solche Maßnahme das Gesundheitssystem vor dem Zusammenbruch stehen müsste. „Da stehen wir weit davon entfernt“, betonte er. Freilich, fügte er an, könne sich das schnell ändern, man betreibe ein tägliches Monitoring. Eine Überlastung würde er erst bei einer Auslastung der Intensivbetten von 60 bis 70 Prozent ausmachen, „da ist noch Luft da“.

Rendi-Wagner lehnt einen zweiten „Lockdown“ nicht grundsätzlich ab, sollte das medizinisch nötig werden, doch sie verlangt von der Regierung eine entsprechende Vorbereitung darauf. Wie sie in einer Pressekonferenz am Dienstag forderte, soll sich die Koalition mit Sozialpartnern, Wirtschaft und Gebietskörperschaften zusammensetzen und einen Plan entwickeln, wie man wirtschaftliche und soziale Folgen möglichst gering halten kann. Von Kurz verlangte Rendi-Wagner, vorzulegen, ab welchen Zahlen er so einen „Lockdown“ überhaupt anpeilt. Für die SPÖ-Vorsitzende ist dabei die Auslastung der Intensivstationen entscheidend.

Kurz: Letzte Maßnahme

Kanzler Kurz sprach am Sonntag von einem zweiten Lockdown als letzter Maßnahme: Sollten die Covid-19-Infektionen weiter ansteigen, will die Regierung mit restriktiveren Maßnahmen gegensteuern. „Je höher die Ansteckungszahlen sind, desto restriktivere Maßnahmen braucht es“, sagte er nach dem Ministerrat am Nationalfeiertag. Es gehe darum, eine Überlastung der Intensivmedizin zu verhindern. „Kein Land der Welt, auch nicht die Republik Österreich, wird zulassen, dass die Intensivmedizin überfordert ist und Menschen nicht mehr behandelt werden können.“ Grundsätzlich gelte aber: „so viel Freiheit wie möglich und so wenige Einschränkungen wie notwendig“.

Schützenhöfer mit Kritik an Regierung

Kritik musste sich Kurz von Schützenhöfer dennoch anhören: In zentralen Punkten wie der Sperrstunde oder der Maskenpflicht hielte er es für besser, wenn man bundeseinheitlich vorgehen würde. Das „Hauptproblem“ sei aber, „dass uns in den letzten Monaten einerseits die Gemeinsamkeit der Regierung abhanden gekommen ist“, befand Schützenhöfer.

„Zwischen der Volkspartei und den Grünen gibt es sehr divergierende Meinungen, wie man vorgeht. Da werden ja Maßnahmen angekündigt, die dann nicht kommen, weil man sich nicht einigen konnte.“ Und man müsse „auch mit Bedauern feststellen, dass die Zusammenarbeit, der Gleichklang, der Schulterschluss zwischen Bund und den Ländern nicht mehr so wirklich funktioniert“. Hinsichtlich seines eigenen Bundesparteichefs betont Schützenhöfer aber: „Der Bundeskanzler bemüht sich sehr.“

Von der Forderung seiner Parteikollegin, Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP), die Quarantänezeit von K1-Kontaktpersonen im Tourismus von zehn auf fünf Tage zu verkürzen, indem man sich „freitesten“ kann, hält Schützenhöfer, der zuletzt selbst in Isolation musste, nicht viel: Studien würden das nicht hergeben.