Krankenbett in einem Spital
ORF.at/Birgit Hajek
Drohende Engpässe

Lage in Spitälern wieder im Fokus

Angesichts der steigenden Zahl der CoV-Patientinnen und -Patienten in Österreichs Spitälern rückt – ähnlich wie schon im Frühjahr – die Frage nach den dort verfügbaren Kapazitäten wieder in den Fokus. In Oberösterreich beginnt man damit, nicht sofort nötige Eingriffe zu verschieben – etwa planbare Operationen bzw. Leistungen. Auch in Wien, Salzburg, Tirol und der Steiermark gibt es entsprechende Überlegungen.

In der Frage, wie viele Betten derzeit in Österreichs Kliniken frei sind, kritisieren Ärzte die Angaben im AGES-Dashboard, wo am Dienstag 10.110 verfügbare Normalbetten angegeben wurden. „Es gibt in Österreich mit Sicherheit nicht 10.000 freie Betten. Das kann man mit 100-prozentiger Sicherheit ausschließen“, so Richard Greil, Leitender Internist am Salzburger AKH.

Greil verwies auf die Vielzahl an Behandlungen, die nicht verschiebbar seien und unbedingt weiterlaufen müssten, etwa Krebstherapien oder die Dialyse- und Schlaganfallversorgung. Es bleibe nur noch „ein gewisser Teil über, und auch dieser Teil an Betten ist nur gewinnbar, wenn andere Leistungen dann nicht erfolgen“, sagte der Salzburger Internist dem Ö1-„Morgenjournal“.

Erscheint „etwas realitätsfern“

Auch die unterschiedlichen Angaben der Bundesländer sorgen für Verwunderung: Tirol gibt (Stand Dienstag) an, dass es 37 verfügbare Normalbetten gebe. Wien hingegen gab 2.400 und Niederösterreich gar 2.600 verfügbare Normalbetten an. „Dort, wo jetzt 2.500 Betten angegeben worden sind, scheint einfach die gesamte Kapazität angegeben worden zu sein, wobei das etwas realitätsfern erscheint“, so Günter Weiss, Direktor des Departments Innere Medizin der MedUni Innsbruck.

Auch das Personal ist wieder Thema: Man könne nicht unbegrenzt Kapazitäten in die Behandlung von CoV-Erkrankten verschieben: „Ein freies Bett nutzt mir noch nicht viel“, so Weiss. Man brauche auch entsprechendes Personal, damit diese Patienten auch behandelt werden könnten. Der Salzburger Internist Greil fordert eine österreichweit einheitliche Zählweise der verfügbaren Normal- und Intensivbetten. Nur so könne man drohende Überlastung erkennen.

Wien im „Umschaltmodus“

In Wien werden aufgrund der steigenden Zahlen schon in den kommenden Tagen „verschiebbare Eingriffe verschoben werden müssen, damit wir Platz haben für Covid-19-Patienten“, wie Gesundheitslandesrat Peter Hacker (SPÖ) am Mittwoch im Ö1-Interview ankündigte. Ein solcher Schritt komme aber nicht überraschend, sondern sei immer klar gewesen – mehr dazu in wien.ORF.at.

Man werde nun also beginnen, in den „Umschaltmodus“ zu gehen, so Hacker. Von einer „kritischen Auslastung“ sei man aber noch weit entfernt. Dass das AGES-Dashboard für Wien derzeit noch 2.400 verfügbare Spitalsbetten ausweise, liege laut Hacker am „Dilemma der österreichischen Statistik“. Es handle sich um die Gesamtzahl der verfügbaren Betten, Intensivbetten für CoV-Erkrankte gebe es maximal 320 (das Vierfache der jetzigen Kapazität im Maximalfall).

Intensivmediziner warnen vor Einschränkungen

Am Mittwoch warnten auch Intensivmediziner vor möglichen Versorgungsproblemen in Spitälern. Bereits im Sommer sei auf die Möglichkeit intensivmedizinischer Kapazitätsgrenzen hingewiesen worden: „Leider bewegen wir uns zunehmend auf eine Situation zu, vor der wir, auch gemeinsam mit anderen Fachgesellschaften, seit dem Sommer konsequent gewarnt haben“, sagte Klaus Markstaller, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI).

„Wie sich in einigen europäischen Ländern wieder deutlich zeigt, bedeuten viele gleichzeitig stattfindende Covid-19-Erkrankungen eine erhebliche Belastung für die Spitäler und insbesondere die Intensivstationen, die bis zur Einschränkung der Versorgungskapazität von Patientinnen und Patienten mit aber auch ohne Covid-19-Infektion gehen kann“, betonte Markstaller.

Andere Voraussetzungen

„Auch ein sehr gutes Gesundheitssystem kann an seine Grenzen geraten“, warnte Bernd Lamprecht, Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde am Linzer Kepler Uniklinikum (KUK). Auf einer CoV-Station brauche man etwa um 50 Prozent mehr Personal als auf einer anderen Station, erläuterte er – das habe vor allem mit der Schutzausrüstung zu tun. Auf Intensivstationen könne sich eine Pflegekraft nicht wie sonst um zwei bis drei Patienten, sondern nur um einen kümmern – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Lage in Spitälern wieder im Fokus

Angesichts der steigenden Zahl der CoV-Patientinnen und -Patienten in Österreichs Spitälern rückt – ähnlich wie schon im Frühjahr – die Frage nach den dort verfügbaren Kapazitäten wieder in den Fokus.

Angesichts der sehr personalintensiven Behandlung befürchtet man, an Kapazitätsgrenzen zu stoßen, wenn sich die Infektionskurve so weiterentwickelt wie zuletzt. Dann wären etwa in Oberösterreich die für CoV-Patienten gedachten Plätze Anfang November aufgebraucht, was einen Totalstopp von aufschiebbaren Eingriffen ohne Notfall bedeuten würde. Hinzu kommt, dass es täglich Hunderte Neuinfektionen im Bundesland gibt und sich diese Zahlen erst zeitverzögert in der Auslastung von Spitals- und Intensivbetten niederschlagen. Bevorstehen dürften in Oberösterreich dem Vernehmen nach weitere Verschärfungen – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Ärztekammer hält wenig von Verschiebung von OPs

Unterdessen hält die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) wenig von der Verschiebung nicht lebensnotwendiger Operationen aufgrund steigender CoV-Fälle. Manche Eingriffe verbesserten die Lebensqualität und würden Arbeitskräfte erhalten, argumentierte Vizepräsident Harald Mayer in einer Pressekonferenz. Was allerdings angesichts der Pandemie drohe, sei ein Personalproblem.

„Wir haben in Österreich ein sehr gutes Gesundheitssystem“, bekräftigte Mayer, im Zusammenhang mit der Pandemie möglicherweise sogar das Beste. Aber „Ich fürchte, wir bekommen zuerst ein Personalproblem, bevor wir ein Maschinenproblem bekommen.“ So könnten hochspezialisierte Intensivmediziner früher fehlen als etwa Beatmungsgeräte. Planoperationen stellten hingegen kein Problem dar.

Steirische Landeskrankenhäuser „teilweise am Limit“

In der Steiermark sind die Kapazitäten in den KAGes-Spitälern „teilweise am Limit“, hieß es am Dienstag. Vorerst können der Regelbetrieb und die Versorgung der Covid-19-Patienten aber aufrechterhalten werden – mehr dazu in steiermark.ORF.at. Unterdessen stoßen die dortigen Gesundheitsbehörden beim Contact-Tracing zusehends an ihre Grenzen: Das Personal dazu fehlt, während die Infektionsfälle steigen. Teils seien die Rückstände kaum noch aufzuholen – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Kritik der Opposition

Die Opposition ortet Unklarheit, was die Verfügbarkeit von Spitalsbetten betrifft. Die Regierung schaffe es nicht einmal, die Datenlage klarzustellen, erklärte SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher, der einen „Blindflug“ der Regierung sieht. Wie viele Betten tatsächlich zur Verfügung stünden, sei nicht nachvollziehbar. Der SPÖ-Politiker sieht sich damit in der Forderung nach einer zentralen Krisenkoordinationsstelle im Gesundheitsministerium bestätigt.

Sein freiheitliches Pendant Gerhard Kaniak fordert ein einheitliches und transparentes Meldeschema für Normal- und Intensivbetten über das gesamte Bundesgebiet. Er betonte, es müssten auch jene etwa 20.000 Betten gezählt werden, die in privaten Spitälern zur Verfügung stünden. NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker meinte, wenn der Regierung der Überblick über Intensivbetten fehle, manövriere sie das Land „mehr blind als sehend durch die Corona-Krise“. Die derzeitige Datensituation sei keine taugliche Basis für die Bekämpfung einer Pandemie.