Die Intensivstation eines Krankenhauses
APA/dpa/Fabian Strauch
Nicht nur Betten

Verfügbares CoV-Personal entscheidend

Wegen der steigenden Zahl von Coronavirus-Patienten und -Patientinnen in Österreichs Krankenhäuser sind zuletzt auch die Normal- und Intensivbetten in den Fokus gerückt. Wie viele sind für den Ernstfall verfügbar? Doch nicht nur die Bettkapazitäten in den Spitälern sind für die kommenden Wochen entscheidend – auch Personal muss verfügbar sein.

Am Mittwoch warnten Intensivmediziner eindringlich vor kommenden Versorungsengpässen. Bereits im Sommer sei auf die Möglichkeit intensivmedizinischer Kapazitätsgrenzen hingewiesen worden, so Experten und Expertinnen der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI). Dass angesichts der Infektionszahlen vereinzelt immer noch von einer entspannten Situation die Rede ist, was die Intensivversorgung betrifft, ist für die Experten aus der Intensivmedizin nicht nachvollziehbar, betonte ÖGARI-Präsident Klaus Markstaller.

In Österreich waren zuletzt die Hospitalisierungsraten und Belegungszahlen auf den Intensivstationen aufgrund von Covid-19-Erkrankungen rasant angestiegen. Selbst in gut ausgestatteten Gesundheitssystemen war der routinemäßige Auslastungsgrad der Intensivressourcen – ohne Pandemie – bewusst sehr hoch, und große Vorhaltekapazitäten wären weder personell noch strukturell ökonomisch vertretbar gewesen, so Markstaller. Wenn viele Patienten und Patientinnen intensivmedizinische Betreuung benötigen, bedeute das daher unabdingbar Versorgungsengpässe.

„Ein Intensivbett hilft nur, wenn es mit ausreichend viel Personal bespielt werden kann. Wenn die Infektionszahlen in ähnlichem Maß weiter steigen wie zuletzt, wird zwangsläufig auch wieder mehr Gesundheitspersonal davon betroffen sein und uns in der Versorgung fehlen“, hatte Markstaller schon im September betont. Am Donnerstag bespricht eine Expertenrunde mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (beide Grüne) das Thema „Spitalskapazitäten“. In den Beratungen wird es wohl auch um weitere Maßnahmen gehen.

Pflegekräfte stoßen an Grenzen

Günter Weiss, Direktor des Departments Innere Medizin der MedUni Innsbruck, sagte am Mittwoch, dass man nicht unbegrenzt Kapazitäten in die Behandlung von CoV-Erkrankten verschieben könne: „Ein freies Bett nutzt mir noch nicht viel“, so Weiss. Man brauche auch entsprechendes Personal, damit diese Patienten und Patientinnen auch behandelt werden könnten. In der ZIB2 sagte Infektiologe Christoph Wenisch vom Kaiser-Franz-Josef-Spital, dass es nicht nur auf die Anzahl der Betten ankomme, sondern auch auf die Qualität der Betreuung. Die Ressourcen stießen langsam an ihre Grenzen, so Wenisch.

Infektiologe Wenisch über die Situation in den Spitälern

Infektiologe Christoph Wenisch aus dem Kaiser-Franz-Josef-Spital in Wien spricht über die Situation in den heimischen Spitälern.

Schon am Dienstag hatte Bernd Lamprecht, Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde am Linzer Kepler Uniklinikum (KUK), vor Engpässen beim Personal gewarnt. „Auch ein sehr gutes Gesundheitssystem kann an seine Grenzen geraten.“ Gefordert sei man vor allem personell. Auf einer Covid-19-Station brauche man etwa um 50 Prozent mehr Personal als auf einer anderen Station, erläuterte er – das habe vor allem mit der Schutzausrüstung zu tun.

Auf Intensivstationen könne sich eine Pflegekraft nicht wie sonst um zwei bis drei Patienten bzw. Patientinnen kümmern, sondern nur um einen. Er appellierte an die Bevölkerung, die Maßnahmen einzuhalten, denn wenn der Trend der Neuinfektionen weiter anhalte, wären in Oberösterreich die für Coronavirus-Patienten und -Patientinnen vorgehaltenen Plätze Anfang November aufgebraucht, was einen Totalstopp elektiver Leistungen bedeuten würde – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Kritik an AGES-Dashboard

In der Frage, wie viele Betten derzeit in Österreichs Kliniken frei sind, kritisieren Ärzte die Angaben im AGES-Dashboard, wo am Dienstag 10.110 verfügbare Normalbetten angegeben wurden. „Es gibt in Österreich mit Sicherheit nicht 10.000 freie Betten. Das kann man mit 100-prozentiger Sicherheit ausschließen“, so Richard Greil, Leitender Internist am Salzburger AKH. Laut Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) gibt es derzeit rund 600 verfügbare Intensivbetten.

Greil verwies auf die Vielzahl an Behandlungen, die nicht verschiebbar seien und unbedingt weiterlaufen müssten, etwa Krebstherapien und die Dialyse- und Schlaganfallversorgung. Es bleibe nur noch „ein gewisser Teil über, und auch dieser Teil an Betten ist nur gewinnbar, wenn andere Leistungen dann nicht erfolgen“, sagte der Salzburger Internist dem Ö1-Morgenjournal.

Auch die unterschiedlichen Angaben der Bundesländer sorgen für Verwunderung: Tirol gibt (Stand: Dienstag) an, dass es 37 verfügbare Normalbetten gebe. Wien hingegen gab 2.400 und Niederösterreich gar 2.600 verfügbare Normalbetten an. „Dort, wo jetzt 2.500 Betten angegeben worden sind, scheint einfach die gesamte Kapazität angegeben worden zu sein, wobei das etwas realitätsfern erscheint“, so Weiss.

Wien im „Umschaltmodus“

In Wien werden aufgrund der steigenden Zahlen schon in den kommenden Tagen „verschiebbare Eingriffe verschoben werden müssen, damit wir Platz haben für Covid-19-Patienten“, wie Gesundheitslandesrat Peter Hacker (SPÖ) am Mittwoch im Ö1-Interview ankündigte. Ein solcher Schritt komme aber nicht überraschend, sondern sei immer klar gewesen – mehr dazu in wien.ORF.at.

Man werde nun also beginnen, in den „Umschaltmodus“ zu gehen, so Hacker. Von einer „kritischen Auslastung“ sei man aber noch weit entfernt. Dass das AGES-Dashboard für Wien derzeit noch 2.400 verfügbare Spitalsbetten ausweise, liege laut Hacker am „Dilemma der österreichischen Statistik“. Es handle sich um die Gesamtzahl der verfügbaren Betten, Intensivbetten für CoV-Erkrankte gebe es maximal 320 (das Vierfache der jetzigen Kapazität im Maximalfall).

Ärztekammer hält wenig von Verschiebung von OPs

Unterdessen hält die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) wenig von der Verschiebung nicht lebensnotwendiger Operationen aufgrund steigender CoV-Fälle. Manche Eingriffe verbesserten die Lebensqualität und würden Arbeitskräfte erhalten, argumentierte Vizepräsident Harald Mayer in einer Pressekonferenz. Was allerdings angesichts der Pandemie drohe, sei ein Personalproblem.

„Wir haben in Österreich ein sehr gutes Gesundheitssystem“, bekräftigte Mayer, im Zusammenhang mit der Pandemie möglicherweise sogar das beste. Aber „Ich fürchte, wir bekommen zuerst ein Personalproblem, bevor wir ein Maschinenproblem bekommen“. So könnten hochspezialisierte Intensivmediziner früher fehlen als etwa Beatmungsgeräte. Planoperationen stellten hingegen kein Problem dar.

Steirische Landeskrankenhäuser „teilweise am Limit“

In der Steiermark sind die Kapazitäten in den Spitälern der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft (KAGes) „teilweise am Limit“, hieß es am Dienstag. Vorerst können der Regelbetrieb und die Versorgung der Covid-19-Patienten aber aufrechterhalten werden – mehr dazu in steiermark.ORF.at. Unterdessen stoßen die dortigen Gesundheitsbehörden beim Contact-Tracing zusehends an ihre Grenzen: Das Personal dazu fehlt, während die Infektionsfälle steigen. Teils seien die Rückstände kaum noch aufzuholen – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Kritik der Opposition

Die Opposition ortet Unklarheit, was die Verfügbarkeit von Spitalsbetten betrifft. Die Regierung schaffe es nicht einmal, die Datenlage klarzustellen, erklärte SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher, der einen „Blindflug“ der Regierung sieht. Wie viele Betten tatsächlich zur Verfügung stünden, sei nicht nachvollziehbar. Der SPÖ-Politiker sieht sich damit in der Forderung nach einer zentralen Krisenkoordinationsstelle im Gesundheitsministerium bestätigt.

Sein freiheitliches Pendant Gerhard Kaniak fordert ein einheitliches und transparentes Meldeschema für Normal- und Intensivbetten über das gesamte Bundesgebiet. Er betonte, es müssten auch jene etwa 20.000 Betten gezählt werden, die in privaten Spitälern zur Verfügung stünden. NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker meinte, wenn der Regierung der Überblick über Intensivbetten fehle, manövriere sie das Land „mehr blind als sehend durch die Corona-Krise“. Die derzeitige Datensituation sei keine taugliche Basis für die Bekämpfung einer Pandemie.