Gerichtsdolmetscher fühlen sich von Justizressort „verraten“

Österreichs Gerichtsdolmetscher protestieren „lautstark“ gegen das Justizministerium. Der Verband der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Gerichtsdolmetscher (ÖVGD) beklagt in einem Papier, das ORF.at vorliegt, dass trotz höheren Budgets keinerlei Verbesserung der Gebührensituation des Gerichtsdolmetscherwesens geplant sei. Der ÖVGD ist empört und fühlt „sich vom Justizministerium verraten und verkauft.“

Speziell richtet sich der Protest an Justizministerin Alma Zadic (Grüne), von der man sich mehr erwartet habe. „Aber leider war diese Hoffnung trügerisch. Viele leere Worte“, heißt es in der Aussendung weiter. Dem Justizministerium stehen im kommenden Budget 65 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung. „Wir erwarten uns eine Erhöhung der Tarife. Wenn das nicht passiert, werden wir eine Arbeitsniederlegung planen“, sagte eine Gerichtsdolmetscherin und stellte einen Streik in den Raum.

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Lage der Gerichtsdolmetscher

Wenn Gerichtsdolmetscher und -dolmetscherinnen für das Gericht oder eine Behörde dolmetschen, werden sie nach den Tarifen im Gebührenanspruchsgesetz 1975 entlohnt. Für die erste halbe Stunde gibt es 24,50 Euro, jede weitere wird mit 12,40 Euro abgegolten. Bei einer schriftlichen Übersetzung – etwa bei wesentlichen Aktenstücken – erhält der Sprachmittler, der auch als Übersetzer tätig ist, 15,20 Euro für je 1.000 Schriftzeichen, ohne Leerzeichen.

Dass der Tarif seit 2007 nicht mal mehr an die Inflationsrate angepasst wurde, kritisiert der Verband schon längere Zeit. Über die Jahre hätte sich bereits eine Erhöhung von 22,6 Prozent angesammelt. Geld spiele für die Zukunft des Berufsstandes eine Rolle. Denn die Zahl der qualifizierten Sprachmittler nahm in den vergangenen 15 Jahren rasant ab.

„Geduld endgültig erschöpft“

2006 zählte man bundesweit 1.400 zertifiziert und beeidete Gerichtsdolmetscher, heute noch etwa mehr als 720, die den per Bundesgesetz geregelten Anforderungen entsprechen. Die Zahl wird in naher Zukunft aber nicht steigen. Der Altersschnitt im ÖVGD, wo 530 Gerichtsdolmetscher Mitglied sind, liegt bei 60 Jahren.

„Es liegt nun an der uns angeblich so wohlgesonnen Justizministerin und letztlich am Gesetzgeber, das Steuer im letzten Moment noch herumzureißen“, so der Gerichtsdolmetscher-Verband. Das müsse aber in „kürzester Zeit“ erfolgen, „denn die lange strapazierte Geduld der (verbleibenden) GerichtsdolmetscherInnen ist nun endgültig erschöpft“.

Die „Wiener Zeitung“ zitierte gestern aus dem Kabinett von Justizministerin Zadic, dass bei den Sachverständigen und Gerichtsdolmetschern eine finanzielle Aufwertung notwendig sei. Mit dem Budget 2021 habe man einen ersten Schritt gesetzt und die Gebühren für psychiatrische Sachverständige erhöht. Man sei zuversichtlich, dass es demnächst auch eine Lösung für die Gerichtsdolmetscher geben werde.