Menschen auf der Straße in Wien
Reuters/Lisi Niesner
„Lockdownähnlich“

Spekulation über nächste CoV-Schritte

Österreich dürfte vor einer deutlichen Verschärfung der CoV-Maßnahmen in den nächsten Tagen stehen. Laut Medienberichten wird in der Regierung über „lockdownähnliche Maßnahmen“ diskutiert, auch eine Ausgangssperre steht im Raum. Die Regierung berät am Nachmittag über die Bettenkapazitäten. Danach ist ein Presseauftritt geplant – ob aber schon am Donnerstag neue Maßnahmen verkündet werden, ist fraglich.

Die Ampel wird am Donnerstag wohl weite Teile Österreichs auf Rot schalten. Neue Maßnahmen könnten vermutlich schon ab kommender Woche in Kraft treten und Einschränkungen des öffentlichen Lebens bringen. Sie werden aber wohl weniger stark ausfallen als im Frühjahr. Dieses in den Medien auch als „Lockdown light“ bezeichnete Szenario soll mit den Maßnahmen anderer Staaten vergleichbar sein – etwa mit jenen, die ab Montag in Deutschland gelten.

Dort müssen Gastronomie sowie Freizeit-, Kultur- und Sporteinrichtungen für vier Wochen schließen, in der Öffentlichkeit dürfen sich nur noch Angehörige zweier Haushalte treffen (maximal zehn Personen). Schulen, Kindergärten (Kitas) und der gesamte Einzelhandel bleiben in Deutschland aber offen.

„OÖN“: Nächtliche Ausgangssperre im Gespräch

Laut den „Oberösterreichischen Nachrichten“ („OÖN“, Onlineausgabe) soll die Bundesregierung für Österreich – anders als in Deutschland – auch eine nächtliche Ausgangssperre erwägen. Die Beschränkung könnte laut „OÖN“ (wie in Tschechien) von 21.00 bis 5.00 Uhr gelten, möglich sei auch eine Variante zwischen 23.00 und 6.00 Uhr, schreibt die Zeitung. Gegenüber der ZIB2 und der APA gab es dazu aus dem Bundeskanzleramt keinen Kommentar. Laut „Standard“ ist in der Regierung auch eine Umstellung der Oberstufen auf Homeschooling in Diskussion.

Bestätigt wurde der APA am Donnerstag von Regierungsseite keines der bisher medial kolportierten Szenarien. Klar dürfte aber sein, dass das Land vor weiteren Verschärfungen steht. Der Grund dafür ist die weiter steigende Zahl der Neuinfektionsrate sowie die immer stärkere Auslastung der Spitals- und Intensivbetten.

Zahl der Intensivpatienten steigt

Innerhalb von vier Wochen stieg die Zahl von 88 auf 224 Patientinnen und Patienten in Intensivbehandlung (Stand Mittwoch), weitere 1.345 CoV-Erkrankte lagen zuletzt auf Normalstationen. Für Donnerstag 13.00 Uhr ist im Bundeskanzleramt zum Thema „Bettenkapazität“ eine Expertenrunde geplant. Im Anschluss sind Pressestatements geplant. Dabei soll es sowohl um die Bettenanzahl als auch um Personal- und Ausrüstungsstand gehen. Ziel dürfte es auch sein, der Bevölkerung den Ernst der Lage zu verdeutlichen und damit die Bereitschaft für neue Maßnahmen zu erhöhen.

Infektiologe Wenisch über die Situation in den Spitälern

Der Wiener Infektiologe Christoph Wenisch über die zunehmend besorgniserregende Situation in den heimischen Spitälern.

Am Treffen teilnehmen werden auf Regierungsseite Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (beide Grüne). An Fachleuten geladen sind die Virologin Elisabeth Puchhammer-Stöckl von der MedUni Wien, Klaus Markstaller, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI), Oswald Wagner, Vizerektor der MedUni Wien, Herwig Ostermann, Geschäftsführer von Gesundheit Österreich, sowie Thomas Hausner, Facharzt für Unfallchirurgie am Wiener Unfallkrankenhaus Lorenz Böhler.

Ampel: Fast ganz Österreich könnte rot werden

Am Abend tagt die Ampelkommission, es könnte zu einer weitgehenden Rotschaltung kommen. In Diskussion steht, dass ganz Österreich bis auf sieben Bezirke in Kärnten auf Rot gestellt wird. Erstmals würden also ganze Bundesländer auf die höchste Warnstufe gestellt. Auch eine generelle Rotschaltung von ganz Österreich stehe im Raum.

Rendi-Wagner: Lockdown in spätestens zehn Tagen

SPÖ-Chefin Pamel Rendi-Wagner rief die Bevölkerung am Donnerstag auf, die CoV-Maßnahmen einzuhalten und soziale Kontakte auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. Von der Regierung forderte sie, „jetzt, jetzt, jetzt zu handeln“ und nicht weitere Zeit ungenutzt verstreichen zu lassen, denn aus heutiger Sicht müsste in spätestens zehn Tagen ein Lockdown kommen.

„Die Situation ist ernst, die Entwicklung dramatisch. Die Zahl der Neuinfektionen steigt schnell, und noch schneller steigt die Zahl der Intensivpatienten“, warnte die frühere Gesundheitsministerin und Medizinerin. Daher sei die Regierung aufgefordert, jetzt zu handeln und nicht „in einem Blindflug in den zweiten Lockdown zu gehen“. Die Regierung ist nach Ansicht der SPÖ-Chefin spät dran, wenn sie erst jetzt mit Fachleuten über die intensivmedizinischen Kapazitäten berate. Auch das Parlament sei bisher in keiner Weise in die Beratungen eingebunden worden, kritisierte Rendi-Wagner.

Debatte über Spitalskapazitäten in Österreich

In Österreich steigen wie in vielen anderen Ländern die CoV-Zahlen. Über die Kapazitäten in den Spitälern ist eine Diskussion entbrannt.

Scharfe FPÖ-Kritik

Scharfe Kritik an den kolportierten Plänen für einen Lockdown übte am Donnerstag die FPÖ. „Seit Monaten warnen die schwarz-grüne Regierung und insbesondere Kanzler Kurz so intensiv vor einer ‚zweiten Welle‘ der Corona-Verbreitung, dass man meinen möchte, diese Welle werde geradezu heraufbeschworen. Ansonsten waren sie aber offenbar völlig untätig“, sagte FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl in einer Aussendung.

„Kurz hat vor drei Tagen den Lockdown als ‚Ultima-Maßnahme‘ bezeichnet. Lange hat er nicht gezögert, um zum Äußersten greifen und die Bevölkerung ein weiteres Mal in gesundheitspolitische Schutzhaft nehmen zu wollen – wohl exakt so lang, wie das Telefonat mit Deutschlands Kanzlerin Merkel gedauert hat“, meinte er mit Blick auf das am Mittwoch von Kurz mit Merkel geführte Gespräch über das weitere Vorgehen.

Mahrer gegen weiteren Lockdown

Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer sprach sich gegen einen neuen Lockdown aus. „Es geht um die richtige Balance aus gesundheitlicher Verantwortung und wirtschaftlicher Vernunft“, sagte Mahrer der APA. Ein weiterer Lockdown wie im Frühjahr würde die Wirtschaft stark schädigen. Mahrer appellierte an die Regierung, nur Maßnahmen umzusetzen, die „der Gesundheit nützen und Arbeitsplätze schützen“. „Die Wirtschaft muss maximal laufen.“ Mahrer lobte die Anti-CoV-Bemühungen der heimischen Betriebe. Sie hätten in den vergangenen Monaten „sehr, sehr viel richtig gemacht“ und dürften jetzt nicht wirtschaftlich bestraft werden.

Sollte in Österreich ein „Quasi-Lockdown“ wie in Deutschland umgesetzt werden, fordert der WKÖ-Präsident eine unbürokratische „maximale Entschädigung“. Diese müsse über die aktuellen CoV-Hilfsmaßnahmen für Unternehmen und Selbstständige hinausgehen. Laut Mahrer wurden die Sozialpartner noch nicht in mögliche CoV-Maßnahmen der Bundesregierung eingeweiht