Logo der Salzburger Festspiele auf einer Fahne
ORF.at/Georg Hummer
Das Werk der Poldi Wojtek

Goldenes Logo, braune Schatten

Die griechische Theatermaske, die rot-weiße Fahne und die Salzburger Festung auf goldenem Grund – diese Illustration ist zum Markenzeichen der Salzburger Festspiele geworden. Das Logo, das nie eines sein wollte, sondern ursprünglich ein Plakat war, steht im Zentrum von Diskussionen. Grund ist nicht so sehr sein Inhalt aus dem Jahr 1928. Sondern die Lebensgeschichte seiner Macherin, Leopoldine „Poldi“ Wojtek, die man nun zeithistorisch durchleuchtet hat. Es ist eine Geschichte zu einer selbstbewussten Frau, die sich von der Moderne abgewandt hat und recht unbefangen in den Nationalsozialismus eingebogen ist. Die aber auch rasch nach 1945 wieder ihren Platz in der Gesellschaft gefunden hat.

Das Jubiläumsjahr 2020 bringt für die Salzburger Festspiele, nicht zuletzt durch die Landesausstellung zur Geschichte dieser Institution, über die sich ja der Prozess österreichischer Identitätsbildung in der Ersten und Zweiten Republik ablesen lässt, eine Reihe von Erkundungen der eigenen Geschichte mit sich. Und diese Erkundungen stellen so manches Narrativ zur Tradition der Festspiele bzw. der heimischen Nachkriegsgesellschaft infrage. Eine der vielen Geschichten, die die Festspiele umgibt, betrifft die Entstehung des mittlerweile ikonischen Logos mit der griechischen Maske, der Salzburger Fahne und der Silhouette der Salzburger Festung im Zentrum.

Hieß es lange Zeit, Max Reinhardt selbst habe aus einem siegreichen Entwurf für das Festspielplakat das Logo abgeleitet, so belegen nun zwei von den Festspielen selbst beauftragte Gutachten die ganze Dimension der Durchsetzung der wojtekschen Arbeit im Rahmen der Festspiele. Außer Streit steht nach den Gutachtern, dass die Inhalte des von Wojtek gestalteten Plakats keinerlei Nähe oder Anklänge an den Nationalsozialismus habe – mehr dazu in salzburg.ORF.at. Im Gegenteil, so belegt es das Gutachten der Kommunikationsdesignerin Anita Kern, stehe die Arbeit in der modernistischen Tradition, die Wojtek in der Klasse von Franz Cicek an der Wiener Kunstgewerbeschule miterlebt und -gelebt habe.

Plakat der Salzburger Festspiele
Archiv der Salzburger Festspiele, Repro: Salzburg Museum
Ein Plakat, das zum Logo wurde: Wojteks Plakat aus dem Jahr 1928 in der Originalform

Eine neugeschriebene Biografie

Das, was die Gutachten, nicht zuletzt die zeithistorisch-biografische Durchleuchtung des Lebens von Wojtek durch den Historiker Oliver Rathkolb belegen, ist die Abkehr einer Künstlerin, die sich im Verbund mit den Expressionisten Anton Faistauer oder Anton Kolig bewegt und auch durch ihre Mitarbeit am Faistauer-Zyklus im damals neu gebauten ersten Salzburger Festspielhaus ausgezeichnet hatte, vom Modernismus hin zu einer nationalsozialistischen Ästhetik.

Gutachten zu Festspiel-Logo

Die Salzburger Festspiele halten an ihrem Festival-Logo fest. Das Design wurde 1928 entwickelt und stammt aus der Feder von Leopoldine Wojtek. Die Malerin gilt als Profiteurin des NS-Regimes. Deshalb wurde im Jubiläumsjahr der Festspiele die NS-Nähe von Wojtek untersucht.

Deutlich wird durch die Neuschreibung der Biografie Wojteks, wie die Künstlerin, aber auch ihr Vater bzw. ihre Schwester, Nutznießer der Politik der Nationalsozialisten wurde, nicht zuletzt über die Arisierung des Hauses der Schauspielerin Helene Taussig in Anif, das zuerst Wotjeks Vater zugeschlagen wurde und das dieser dann 1943 seiner ältesten Tochter überschrieben hatte. Nach dem Krieg gelang Wojtek eine sehr rasche Entnazifizierung und geschmeidige Eingliederung in die Salzburger Gesellschaft, direkt persönlich befördert vom damaligen Landeshauptmann und späteren Bundeskanzler Josef Klaus.

Margarete Lasinger, Anita Kern, Oliver Rathkolb und Helga Rabl-Stadler bei einer Pressekonferenz am 28.10.2020
Georg Hochmuth / APA
Helga Rabl-Stadler (ganz rechts) und Margarete Lasinger (ganz links) präsentierten vergangene Woche die Gutachten von Anita Kern und Oliver Rathkolb zum Logo der Salzburger Festspiele und seiner Erfinderin Leopoldine Wojtek

Wojtek steht mit dieser Biografie nicht alleine da. Namhafte, frühe Proponenten des Nationalsozialimus, man denke an den Heimatforscher und radikalen Antisemiten Kuno Brandauer, wurden sehr rasch nach Kriegsende mit soliden Positionen in der Salzburger Landesverwaltung betraut. Diese mitunter sehr bruchlosen Karrieren macht die Neuschreibung der Biografie Wojetks deutlich. Kurz: Es ist nicht so sehr eine Debatte über das Logo aus dem Jahr 1928, die gerade im Zentrum steht; deutlich wird eher, wie sich Menschen über bestimmte Seilschaften in Machtkreisen in drei politischen Systemen halten konnten – und so auch die Wahrnehmung ihrer eigenen Geschichte über Jahrzehnte bestimmt haben.

Poldi Wojtek im Jahr 1926 während der Arbeit am Gobelin „Adam und Eva“
Universität für Angewandte Kunst, Kunstsammlung und Archiv
Poldi Wojtek während der Arbeit an den Gobelins „Adam und Eva“ in der Werkstatt von Anton Kolig

Fragen zur Lebensgeschichte

Brüchig wurde die Wahrnehmung zur Biografie Wojteks ja durch Veröffentlichungen auf der Plattform Memory Gaps durch die deutsch-österreichische Malerin Konstanze Sailer, die mit ihren Veröffentlichungen 2018 Dokumente ins Spiel brachte, die gängige Narrative zu dieser in Salzburg durch zahlreiche Arbeiten im öffentlichen Raum etablierten Künstlerin infrage stellten. Bekannt war, dass Wojtek Ende der 1920er Jahre mit dem Kunsthistoriker Kajetan Mühlmann liiert war, der nicht nur eine entscheidende Rolle in der Festspielgemeinde und dem zur Festspielgemeinde gehörenden „Österreichischen Propagandabüro“ inne hatte – Mühlmann war auch als Freund von Arthur Seyß-Inquart früh an Aktionen zur Unterwanderung des Ständestaates durch NSDAP-Kreise beteiligt. Mühlmann, der später in der Nazi-Zeit eine zentrale Rolle bei der Enteignung jüdischen Kunsteigentums einnahm, arbeitete Ende der 1920er Jahre im Prinzip unter Reinhardt in der Werbeabteilung der Salzburger Festspiele.

Gelungen war ihm jedenfalls im Rahmen des ausgeschriebenen Plakatwettbewerbs des Aufsichtsrates und Kuratoriums der Salzburger Festspiele seine im Wettbewerb zweitplatzierte Freundin, Poldi Wojtek, zur Gestalterin des Festspielplakats zu machen. Ja, ihr noch zusätzliche Aufträge auf der Grundlage ihres eingereichten Plakatentwurfs für einen Schauspielführer und den offiziellen Festspiel-Führer zuzuschanzen. Die Entwürfe für die beiden Führer sollten schließlich die Grundlage für das Festspiel-Logo bilden, das sich in den kommenden Jahren durchsetzte und erst 1938 von den Nationalsozialisten durch ein schwülstig-heroisches Mozart-Motiv ersetzt wurde. Für das Logo räumte man die Namen aus den Zeilen des rechten oberen Eckes ab und hatte somit ein Sujet in den Farben Gold, Weiß, Rot und Schwarz, das wohl auch den Intentionen von Festspiel-Gründer Reinhardt gefallen haben dürfte.

Bittere Ironie hinter der Geschichte der Etablierung dieses Festspiel-Motivs: Reinhardt, der sich ein Jahr vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten in die USA absetzen konnte, hinterließ in Salzburg ja sein Anwesen Leopoldskron. Für konfiszierte Repräsentationsgebäude in Salzburg ab dem Frühjahr 1938 war just Poldi Wojteks Vater Josef zuständig. Er fungierte als kommissarischer Leiter des Schlosses Leopoldskron.

Illustration von Poldi Wojtek für ein Kinderbuch über den Führer
Public Domain
Abkehr vom Modernismus. 1936 illustriert Wojtek eine Geschichte des „Führers“ für Kinder. In Österreich war dieses Buch vorerst verboten. Nach 1938 werden Autor und Illustratorin dieser Publikation, die zunächst in Berlin erschienen war, genannt.

Vom Modernismus zum „Führer“-Kitsch

Wojtek, die noch Ende der 1920er Jahre öffentliche Gestaltungswerke im Stil der neuen Sachlichkeit realisiert hatte (etwa in Zell am See oder in St. Johann im Pongau), wird, über ihre Verbindung mit Mühlmann ab Mitte der 1930er Jahre, als die Nazis in Österreich noch illegal sind, zur Gestalterin nazistischer Propagandaliteratur. So illustriert sie 1936 das Werk „Eine wahre Geschichte. Worte und Bilder von zwei Deutschen aus dem Auslande“, das als erste Kinderbuchbiografie des „Führers“ gilt. Die von ihr darin angefertigten Bilder sprechen eine ästhetisch komplett neue Sprache. 1938 gestaltet Wojtek schließlich einen Gobelin für ein Linzer Ärztehaus, das neben der nazistischen Ästhetik auch noch ein eingesticktes Hitler-Zitat präsentiert.

Gobelin von Wojtek für Linz
Public Domain
Gobelin mit Hitler-Zitat. Dieselbe Frau arbeitete gut zehn Jahre davor an Werken im Stil der Neuen Sachlichkeit.

Während der NS-Zeit sucht Wojtek den Kontakt zu prominenten Künstlern der Zeit und arbeitet etwa mit Franz von Zülow bei der Bemalung des Eisernen Vorhangs am Wiener Akademietheater zusammen, wenngleich von Zülow bei den Nazis ein nicht immer wohlgelittener Künstler war. Mit von Zülow teilte sie aber ihre Zuwendung zum Bereich der Gebrauchskeramik und arbeitete mit ihm auch für die Gmundner Keramik.

Die Rückkehr einer „Minderbelasteten“

Das Kriegsende erlebt Wojtek in Gmunden. Bald aber will die als „minderbelastet“ Eingestufte nach Salzburg zurückkehren. Das ihr zugeschlagene Haus der 1942 von den Nazis ermordeten Schauspielerin Helene von Taussig in Anif hat sie an deren Erben Marietta und Silvia Artaria zu übergeben. Ihre Nähe zum Nationalsozialismus lange vor 1938 schadeten, wie Rathkolb festhält, „ihrer Karriere nach der Rückkehr aus Gmunden nach Salzburg nicht“. 1943 war Wojtek von Mühlmann, der zum damaligen Zeitpunkt mit Hilde Ziegler drei Kinder hatte, geschieden; eine formelle Mitgliedschaft in der NSDAP konnte Wojtek nie nachgewiesen werden.

Stattdessen fand sie im Salzburger Landeshauptmann Josef Klaus von der ÖVP einen Fürsprecher, der beim Präsidenten des Salzburger Kunstvereins interveniert hatte, um Wojtek das im Salzburger Künstlerhaus leerstehende Reisenbichler-Atelier zu vermitteln. Wojtek wird schließlich im neuen Kulturzentrum in der Residenz unterkommen und mit ihrem neuen Lebensgefährten, dem der KPÖ nahestehenden Maler und Gütersloh-Schüler Karl Schatzer, über Jahre hinweg Mal-, Gestaltungs- und Keramikkurse verwirklichen.

Kontakte „vorbehaltlos ausgenutzt“

Unbestritten sei ihre Parteinähe vor 1938, schreibt Historiker Rathkolb in seinem Gutachten zu Poldi Wojtek: Wojtek habe die Kontakte ihres „umtriebigen“ Ehemanns Mühlmann, die bis in höchste Berliner NS-Kreise reichten, gepflegt und „vorbehaltlos ausgenutzt“. In dieses Bild fällt auch die Nutzung des Hauses der Schauspielerin Helene von Taussig. Die „Arisierung“ der Villa erfolgte per „Kaufvertrag“ vom 1. Oktober 1941, wie „Kurier“-Journalist Thomas Trenkler bereits 2018 in einem Artikel erinnerte: Auch Mühlmann hatte damals einen Teilbetrag auf das Namenskonto „Entjudungserlös Helene Taussig“ eingezahlt.

Kajetan Mühlmann im Jänner 1928
Weltbild / ÖNB-Bildarchiv / picturedesk.com
Motor der NS-Karriere von Wojtek: Kajetan „Kai“ Mühlmann, obwohl ohne Parteibuch, einer der entscheidenden Nazis der ersten Stunde in Österreich vor dem „Anschluss“

Das von 1928 gestaltete Plakat, so halten es die Gutachten fest, sei in keiner Art in irgendeine Nähe zum Nationalsozialismus zu rücken. Die Festspiele wollen mit diesem Logo, auf das man ja nach 1945 wieder zurückgriff, nachdem es von den Nazis abgelehnt worden war, weitermachen. Intendant Markus Hinterhäuser verwies auf zahlreiche künstlerische Interventionen zu diesem Logo. „Ein William Kentridge (der das 100-Jahr-Emblem mit einer Kohlezeichnung gestaltet hat, Anm.) würde seine Zeichnung in den Kontext einer Nazi-Arbeit stellen“, so Hinterhäuser zuletzt in Wien. Man müsse sich der Geschichte stellen, aber damit leben, dass man sie nicht umschreiben oder umdeuten könne.

Zumindest zur Biografie der Plakatgestalterin hat Salzburg ein Stück offenerer Vergangenheitsthematisierung geschafft. Institutionen vom Salzburger Heimatwerk bis hin zum Adventsingen stünde eine entsprechende öffentliche Darstellung der eigenen Personalgeschichte ebenfalls gut zu Gesicht.