Schwer bewaffneter Polizist in Nizza (Frankreich)
Reuters/Eric Gaillard
Mehrere Attacken

Frankreich ruft höchste Terrorwarnung aus

Nach einer Messerattacke mit mindestens drei Toten in Nizza, einem Angriff nahe Avignon und einer Attacke auf einen Wachmann des französischen Konsulats in Saudi-Arabien hat die französische Regierung am Donnerstag die höchste Terrorwarnstufe ausgerufen. Sie wird landesweit gelten. Die Antwort der Regierung auf die Anschläge werde „hart und unerbittlich“ sein, sagte Premierminister Jean Castex vor der Nationalversammlung. Der Täter wurde mittlerweile identifiziert.

Zuvor wurden in der Kirche Notre-Dame de l’Assomption im Zentrum Nizzas drei Menschen getötet, sechs weitere verletzt. Präsident Emmanuel Macron sprach von einem „islamistischen“ Anschlag. Die Pariser Anti-Terror-Staatsanwaltschaft übernahm die Ermittlungen, es geht um den Vorwurf des Mordes in Verbindung mit einem terroristischen Vorhaben. Die Regierung kündigte an, am Freitag in einer Krisensitzung über die Lage zu beraten.

Der mutmaßliche Attentäter von Nizza wurde mittlerweile identifiziert. Es handelt sich nach Angaben der Ermittler um einen 21-jährigen Tunesier. Der Mann sei Ende September über die italienische Insel Lampedusa in die EU gelangt und anschließend nach Frankreich gekommen. Der Festgenommene soll kein Asyl in Frankreich beantragt haben. Nach seiner Ankunft auf Lampedusa hätten ihn die italienischen Behörden zunächst in Coronavirus-Quarantäne genommen und ihn dann aufgefordert, das italienische Staatsgebiet zu verlassen. Berichten zufolge liefen gegen ihn Ermittlungen wegen illegaler Einwanderung.

Tunesien nahm Ermittlungen auf

Die tunesische Staatsanwaltschaft nahm nach Bekanntwerden erster Informationen über die Identität Ermittlungen auf. Für den Fall, dass die Justizbehörden um Zusammenarbeit bitten, stehe man zur Verfügung, so der stellvertretender Staatsanwalt und Gerichtssprecher in Tunis, Mohsen Dali, am Donnerstagabend.

Das tunesische Anti-Terror-Gesetz schreibe die Strafverfolgung jedes Tunesiers vor, der an einer terroristischen Handlung innerhalb oder außerhalb des Landes beteiligt war, sagte Dali. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur TAP bestätigte er zudem, dass der mutmaßliche Angreifer nach ersten Ermittlungskenntnissen ein Tunesier war.

Tunesien verurteile „den terroristischen Vorfall in Nizza“ aufs Schärfste, hieß es nach Angaben der Nachrichtenagentur TAP aus dem Außenministerium. In einer Erklärung habe das nordafrikanische Land auch seine „völlige Ablehnung aller Formen von Terrorismus, Extremismus und Gewalt“ bekräftigt und den Familien der Opfer sein Beileid ausgesprochen.

Bei Festnahme angeschossen

Laut dem Bürgermeister von Nizza, Christian Estrosi, war der Angreifer bei seiner Festnahme angeschossen worden. Er habe „Allahu akbar“ (Dt.: „Gott ist unvergleichlich groß“) gerufen. Die Ermittler haben sich bisher noch nicht zum Ablauf der Tat geäußert.

Mehrere Attacken: Frankreich ruft höchste Terrorwarnung aus

Bei einer Messerattacke in der südfranzösischen Küstenstadt Nizza hat es mindestens drei Tote gegeben. Der Vorfall ereignete sich in der Basilika Notre-Dame.

Bei dem Attentat am Donnerstagvormittag starben Berichten zufolge eine Frau und ein Mann in der Kirche. Ein drittes Opfer habe zunächst in eine Bar fliehen können, sei dann aber seinen Verletzungen erlegen. Mindestens einem Opfer wurde laut Polizei die Kehle durchgeschnitten. Nach Berichten einiger französischer Medien wurde die ermordete Frau geköpft.

In der Innenstadt von Nizza waren zum Zeitpunkt des Angriffs zahlreiche Menschen zum Einkaufen unterwegs, da um Mitternacht in ganz Frankreich ein neuer landesweiter Lockdown in Kraft treten sollte. Die Attacke erfolgte nur kurz nach der brutalen Ermordung des Lehrers Samuel Paty. Laut Bürgermeister Estrosi passt die Art und Weise „ohne Zweifel“ zu der Tat. Die Opfer seien auf „entsetzliche Art“ getötet worden.

Angriffe auch in Avignon und Saudi-Arabien

Offen ist noch, ob auch ein Angriff auf Passanten in der südfranzösischen Stadt Avignon ein islamistisches Motiv hatte. Ein Mann habe in dem Ort Montfavet mehrere Menschen mit einer Pistole bedroht, teilte die Polizei am Donnerstag mit und bestätigte entsprechende Medienberichte. Die Polizei habe den Mann erschossen. Der Hörfunksender Europe 1 meldete, auch in dem Fall habe der Angreifer „Allahu akbar“ gerufen. Andere Medien berichteten, dass der Mann eine Jacke der rechtsextremen Identitären getragen hatte. Man ermittle in alle Richtungen, hieß es seitens der französischen Polizei, laut Kreisen habe sich aber bisher kein islamistisches Motiv gezeigt.

Zur selben Zeit wurde ein Wachmann des französischen Konsulats im saudi-arabischen Dschidda bei einem Messerangriff verletzt. Der einheimische Angreifer sei festgenommen worden, wie die französische Botschaft in dem Land bekanntgab. Der Wachmann sei ins Krankenhaus gebracht worden, er sei aber nicht in Lebensgefahr. Der Mann sei um die 40 Jahre alt und habe den Wächter mit einem „scharfen Werkzeug“ angegriffen, sagte Polizeisprecher Mohammed al-Ghamdi. Die genauen Hintergründe der Tat sind unklar.

Die französische Botschaft in Jeddah (Saudi-Arabien)
APA/AFP/Mohammed Ahmed
In Dschidda wurde ein Wachmann des französischen Konsulats verletzt

Die französische Botschaft in Riad sprach in einer Mitteilung von einer „Messerattacke“. Der verletzte Wachmann sei bei einer Sicherheitsfirma angestellt, erklärte die Botschaft, ohne dessen Staatsangehörigkeit zu nennen. Saudische Sicherheitskräfte hätten den Täter unmittelbar nach dem Angriff überwältigt. Die Botschaft verurteilte die Attacke scharf. Man habe das Vertrauen in saudische Behörden, die französische Gemeinde im Land zu schützen. Franzosen in Saudi-Arabien wurden zugleich zu „höchster Wachsamkeit“ aufgerufen. Ob die Attacken in Verbindung zu Nizza stehen, blieb offen.

Festnahmen vermeldet

Vermeldet wurden zudem mehrere Festnahmen in Frankreich. So wurde in Lyon ein mit einem Messer bewaffneter Mann festgenommen. Zeugen hatten zuvor die Polizei benachrichtigt, wie Polizeikreise am Donnerstag mitteilten. Der Mann sei den Sicherheitsdiensten bekannt, hieß es weiter. Niemand wurde verletzt. Es gab keine Hinweise auf einen Zusammenhang mit der tödlichen Attacke in Nizza.

Die Zeitung „Le Parisien“ berichtete außerdem von einer Festnahme in Sartrouville in der Nähe von Paris. Ein Mann soll seinem Vater anvertraut haben, nach der Attacke in Nizza einen Anschlag verüben zu wollen, und habe ein Messer dabeigehabt, so die Zeitung weiter. Eine offizielle Bestätigung gab es dafür nicht.

Frankreichs Innenminister Gerald Darmanin hatte mehrfach von einer hohen Terrorgefahr im Land gewarnt. Nizza war bereits 2016 von einem Terroranschlag erschüttert worden, dabei starben 86 Menschen.

Polizisten in Nizza (Frankreich)
Reuters/Eric Gaillard
Spezialkräfte sichern die Innenstadt von Nizza. Die Stadt wurde wieder Ziel einer Terrorattacke.

Präsident Macron sagte, das Land werde im Streit mit muslimischen Ländern um seine Werte „nicht klein beigeben“. Zugleich kündigte der Staatschef den Einsatz von 7.000 Anti-Terror-Kräften der Armee an, das sind mehr als doppelt so viele wie bisher. Schulen und Kirchen sollen besser geschützt werden. Macron sieht sich derzeit mit einer Protestwelle in vielen arabischen Ländern konfrontiert. Nach dem Mord an dem Lehrer nahe Paris hatte Macron schärfere Maßnahmen gegen Islamismus in Frankreich angekündigt.

Konflikt mit Türkei

Eine Reihe islamischer Länder – allen voran die Türkei – kritisiert wegen „antimuslimischer Maßnahmen“ seit Wochen die französische Regierung. Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan griff Macron persönlich an und rief zu einem Boykott französischer Waren auf. Es kam zu vielen antifranzösischen Protesten. Erst am Mittwoch eskalierte der Konflikt zwischen der Türkei und Frankreich weiter, nachdem das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ eine Karikatur Erdogans veröffentlicht hatte.

Die Attacke in Nizza verurteile die Türkei: Es gebe nichts, was Gewalt und das Töten von Menschen rechtfertige, teilte das türkische Außenministerium mit. Menschen, die derartig brutale Angriffe an einem solch heiligen Ort verübten, hätten keine religiösen, humanitären oder moralischen Werte. Man stehe solidarisch mit den Menschen in Frankreich gegen Terror und Gewalt, hieß es.

Schockiert zeigten sich die Spitzen zahlreicher anderer Staaten sowie der EU. Auch zahlreiche österreichische Politik kondolierten und stellten sich hinter Frankreich. Der Vatikan teilte ebenfalls mit, der Papst trauere – mehr dazu in religion.ORF.at.