Sitz des US-Kongress
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Trump und Biden

Wahlkrimi auch um US-Kongress

Am Dienstag wird in den USA der Präsident gewählt. Im Mittelpunkt steht freilich das Duell zwischen Donald Trump und Joe Biden. Doch die beiden Kandidaten müssen auch die Wahl zum US-Kongress im Auge behalten. Denn ein Präsident ist nur so mächtig, wie es ihm die beiden Kammern – Repräsentantenhaus und Senat – ermöglichen.

Die Präsidentenwahl überschattet in der öffentlichen Wahrnehmung fast alles, vor allem im Ausland. Doch ohne eine Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses, dem Repräsentantenhaus und dem Senat, kann ein Präsident innenpolitisch nur wenig nachhaltig verändern. Das Parlament hat die Budgethoheit und das Vorschlagsrecht für Gesetze. Der Senat muss zudem bei der Besetzung aller herausragenden Regierungsämter zustimmen – vom Minister bis zum Botschafter. Gleiches gilt für die Ernennung von Bundes- und Verfassungsrichtern.

Am Dienstag wird gleichzeitig mit der Präsidentenwahl auch über die Zusammensetzung des Kongresses abgestimmt. Zur Wahl stehen alle 435 Mandate im Repräsentantenhaus sowie rund ein Drittel der 100 Sitze im Senat. Seit 2018 kontrollieren die Demokraten das Repräsentantenhaus. Die Republikaner haben im Senat die Mehrheit. Trump hofft, den Senat zu verteidigen. Ein Sieg bei der Wahl zur Abgeordnetenkammer scheint für die Republikaner kaum möglich. Die Demokraten wiederum hoffen, den Senat zu erobern. Dort haben die Republikaner nur eine knappe Mehrheit.

Kongress wird direkt gewählt

Die Zahl der Abgeordneten eines Bundesstaats im Repräsentantenhaus richtet sich in etwa nach der Bevölkerungszahl. Im Senat hingegen stehen jedem Staat zwei Sitze für sechs Jahre zu – für das winzige Rhode Island mit einer Million Einwohner und Einwohnerinnen genauso wie für Kalifornien mit 40 Millionen. Nicht alle der 100 Senatoren und Senatorinnen stehen zur gleichen Zeit zur Disposition. Stattdessen steht alle zwei Jahre rund ein Drittel zur Neuwahl. Im November 2020 sind es 35 Senatsposten – davon bekleiden die Demokraten zwölf, die Republikaner stellen 23.

Grafik zur US-Kongresswahl
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Aktuell sitzen für die Republikaner 53 Abgeordnete im Senat, für die Demokraten sind es 45. Offiziell firmieren Bernie Sanders aus Vermont und Angus King aus Maine als Unabhängige, doch die beiden Senatoren stimmen in aller Regel mit den Demokraten und werden ihnen deshalb üblicherweise zugeschlagen. Das Repräsentantenhaus wird alle zwei Jahre komplett neu gewählt. Ein Präsident, dessen Partei beide Kammern kontrolliert, kann viele seiner politischen Prioritäten umsetzen. Führt im Repräsentantenhaus eine andere Partei als im Senat, dann werden Entscheidungen verschleppt und blockiert.

Die Abgeordneten im Repräsentantenhaus sowie des Senats werden direkt von ihren Wählern und Wählerinnen gewählt, was im Gegensatz zu den Wahlleuten bei der Präsidentschaftswahl steht. Die US-Wähler und -Wählerinnen können nur indirekt darüber abstimmen, wer der nächste Präsident wird. Ihre Stimme entscheidet über die Zusammensetzung des Wahlkollegiums („Electoral College“), das dann den Präsidenten wählt. Die Wahlleute stimmen 41 Tage nach der Präsidentenwahl ab. Sie richten sich dabei nach dem Ergebnis in ihrem Bundesstaat. Um Präsident zu werden, muss ein Kandidat mindestens die Stimmen von 270 Wahlleuten gewinnen. Das offizielle Ergebnis wird dann erst am 6. Jänner im Kongress bekanntgegeben.

Ohne Senat kaum Möglichkeiten

2018 hatten die Demokraten die Mehrheit im Repräsentantenhaus erobert. Die Niederlage fügte Präsident Trump einen Dämpfer für seine politischen Vorhaben zu. Die Sprecherin des Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, durchkreuzte seitdem immer wieder die Pläne von Trump und Republikanern. Auch Barack Obama verlor nach zwei Jahren im Weißen Haus die Mehrheit bei den Abgeordneten dort. Durch das Haushaltsrecht kann der Kongress vielen Vorhaben des Präsidenten die Finanzierung entziehen. Seit 2014 ist der Senat in republikanischer Hand.

Grafik zu den US-Kongressmehrheiten seit 1981
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Hinweis

ORF.at berichtet rund um die Uhr über alle Ergebnisse und Ereignisse bei der US-Wahl. Die Auszählung und den Tag nach der Entscheidung begleitet ein Liveticker mit Experten- und Korrespondentenstimmen. Per Livestream sind am Dienstag ab 22.00 Uhr auch die ORF-Sondersendungen zu sehen – mehr dazu in tv.ORF.at.

In Medien wird bereits darüber spekuliert, was passiert, wenn Trump die Wahl gewinnen, aber den Senat verlieren sollte. Tritt dieser Fall ein, hätte der Präsident sogar Probleme, ein neues Kabinett zu ernennen. Denn jeder Minister muss mit einfacher Mehrheit von der Kammer bestätigt werden. Kommt es zu einem 50:50-Patt im Senat, entscheidet die Stimme des Vizepräsidenten. Einem Gesetzesvorhaben muss ohnehin jede der beiden Kammern zustimmen.

Neben Präsidentenamt, Repräsentantenhaus und Senat stehen am Dienstag aber auch einige Volksabstimmungen an. In Colorado etwa wird über die Wiedereinführung von grauen Wölfen in der freien Wildbahn abgestimmt, in Mississippi über die Zulassung von Marihuana als Arzneimittel und das Design der neuen Flagge des Bundesstaates.