Leere Straßen im Zentrum von Innsbruck bei Nacht
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Coronavirus

Ab Dienstag drastische Einschnitte

Die Regierung hat am Samstag schärfere Maßnahmen gegen das Coronavirus vorgestellt. Ab Dienstag, 0.00 Uhr, gelten in Österreich zwischen 20.00 und 6.00 Uhr nächtliche Ausgangsbeschränkungen. Die meisten Veranstaltungen werden abgesagt, Restaurants dürfen keine Gäste mehr bewirten, die meisten Freizeiteinrichtungen müssen vorerst schließen. Für Treffen im privaten Rahmen gibt es strenge Einschränkungen.

„Ab Dienstag, 3. November, 0.00 Uhr, bis Ende November wird es zu einem zweiten Lockdown in Österreich kommen“ , sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). „Nicht mehr möglich sein werden“ der Sport- und Freizeitbereich, die Hotellerie und die Gastronomie, so der Kanzler. Die Gastronomie darf nur noch Abhol- und Lieferdienste anbieten, Hotels ist die Aufnahme von Touristen untersagt. Alle Theater, Opern- und Konzerthäuser sowie auch Museen müssen bis zum 30. November schließen.

Für die betroffenen Unternehmen wird es ein Hilfspaket geben, kündigte Kurz an. Die betroffenen Branchen werden 80 Prozent des Umsatzes des Vorjahreszeitraums überwiesen bekommen, wenn sie keine Beschäftigten kündigen. Zudem werde die Kurzarbeit ausgeweitet, sagte der Kanzler. Anders als im Frühjahr bleiben Geschäfte geöffnet, auch Dienstleister wie Friseure und Physiotherapeuten dürfen weiterarbeiten.

Distance-Learning für Oberstufe und Uni

Für den Schulbereich wird es differenzierte Maßnahmen geben. Kindergarten, Volksschulen und Unterstufen bleiben vorerst offen, in der Oberstufe und an den Universitäten wird nach den Herbstferien auf Distance-Learning umgestellt.

Pressekonferenz der Regierung zu neuen CoV-Schritten

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) haben am Samstag schärfere Maßnahmen gegen das Coronavirus vorgestellt.

Viele Parlamentsparteien und die Landeshauptleute hätten heftig darauf gedrungen, die Schulen diesmal während des Lockdowns offenzuhalten, sagte Kurz. „Wir werden daher versuchen, die Schulen offenzuhalten vorerst, müssen das aber in der nächsten Zeit evaluieren, um zu sehen, wie das Infektionsgeschehen dort ist.“ In absehbarer Zeit werde man wissen, „ob sich das ausgeht“, sagte er mit Blick auf die im Vergleich zum Frühjahr stärkere Öffnung von Schulen und Wirtschaft.

Gartenpartys werden untersagt

Veranstaltungen werden ab Dienstag mit Ausnahme des Profisports verboten. Auch Theater, Museen und Freizeiteinrichtungen wie Schwimmbäder und Fitnessstudios müssen schließen.

Private Treffen werden ebenfalls eingeschränkt. Nur noch zwei Haushalte dürfen einander treffen. Der unmittelbare Wohnbereich soll von den Maßnahmen nicht betroffen sein, Garagen-, Garten- und Scheunenpartys werden aber untersagt. Geburtstagsfeiern und Jubiläumsfeiern im öffentlichen Raum sind untersagt.

Die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen sind auf zehn Tage befristet. Laut Gesetz müssen sie alle zehn Tage vom Nationalrat besprochen und verlängert werden, so Kurz. Nach 20.00 Uhr gilt de facto ein Besuchsverbot in den Wohnungen von Freunden und Bekannten. „Man darf den eigenen Haushalt nicht mehr verlassen, um andere Menschen zu besuchen“, sagte Kurz. Ausgenommen davon sind Paare, die nicht an derselben Adresse gemeldet sind.

Warnung vor medizinischen Engpässen

Notwendig gemacht werden diese „harten“ Schritte, wie Kurz sie nannte, wegen der zuletzt stark gestiegenen Coronavirus-Zahlen. Seit Monaten verzeichne Österreich ein stetiges Wachstum, in der vergangenen Woche „fast schon ein explosionsartiges“, so der Kanzler. Die meisten Infizierten hätten zwar einen milden Verlauf, ein gewisser Prozentsatz brauche aber sogar intensivmedizinische Betreuung.

„Wenn wir jetzt nicht handeln, wird es zu einer Überlastung der intensivmedizinischen Versorgung kommen“, warnte der Kanzler. Die Eingriffe „in unser gesellschaftliches Leben“ seien „dramatisch“, sagte der Kanzler, der „zweite Lockdown“ sei der Regierung nicht leicht gefallen, angesichts der Lage sei er aber notwendig.

Wöchentliche Tests in Pflegeheimen

Besuche in Krankenhäusern, Kuranstalten und in Alters- und Pflegeheimen werden zum Schutz der Kranken, Senioren, Pflegebedürftigen und des Personals limitiert. Bis inklusive 17. November sind Besuche nur mehr alle zwei Tage erlaubt, wobei pro Tag maximal ein Besucher zugelassen wird. Insgesamt können in den kommenden zwei Wochen Patienten, Senioren bzw. Pflegebedürftige in Spitälern und Heimen maximal zwei verschiedene Besucher empfangen.

Die entsprechenden Maßnahmen wurden von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) bei der gemeinsamen Pressekonferenz der Regierung verkündet. Sämtliche Besucher müssen entweder ein negatives Testergebnis vorweisen oder adäquaten Atemschutz – eine FFP2-Maske – tragen. Der Mindestabstand ist einzuhalten. Ausgenommen davon sind die Palliativ– und Hospizbegleitung sowie die Seelsorge zu kritischen Lebensereignissen. Für externe, nicht medizinische Dienstleister gilt ein Betretungsverbot in Alten- und Pflegeheimen.

Mitarbeiter in den jeweiligen Einrichtungen müssen – abhängig von der Verfügbarkeit – jede Woche ein negatives PCR- oder Antigen-Testergebnis vorlegen. Alternativ kann durchgehend während der Berufsausübung eine FFP2-Maske getragen werden.

Freizeitsport stark eingeschränkt

Während der Spitzensport, wenn auch ohne Zuschauer, weiterlaufen darf, wird der Amateursport stillstehen. Damit werden unter anderem die Fußballligen von der Regionalliga abwärts gestoppt. Auch der Hallenbereich ist für alle Hobbysportler tabu, Freiluftsportstätten wie Golf- und Tennisplätze dürfen jedoch offen bleiben. Erlaubt sind aber nur noch individuelle Sportaktivitäten, bei denen man nicht mit anderen in Kontakt kommt.

Auswirkungen auf die Wirtschaft

Die neuen Maßnahmen werden wieder heftige wirtschaftliche Folgen haben. Der kleine Hoffnungsschimmer ist, dass die vergangenen drei Monate, also die Zeit nach den ersten Beschränkungen, so schlecht nicht waren.

„Nützen wir die Zeit, um in Bewegung zu bleiben. Das ist gut und gesund für Herz und Hirn“, sagte Vizekanzler und Sportminister Werner Kogler (Grüne) bei der Pressekonferenz der Regierung. „Die Sportstätten im Freien sind für den Einzelsport weiter geöffnet“, versicherte er. Sportarten mit Körperkontakt sind also fortan untersagt. Anders als im ersten Lockdown werden aber auch Parkanlagen offen bleiben.

„Erste Öffnungsschritte“ im Dezember möglich

Sollte das Maßnahmenpaket wirken und die Bevölkerung mitmachen, ging Kurz davon aus, dass im Dezember „erste Öffnungsschritte“ gesetzt werden können, „um zu einem halbwegs normalen Leben zurückzukehren“. Bei einem „ähnlichen Erfolg, wie wir ihn im ersten Lockdown hatten“, könne man dann beispielsweise wieder an Skifahren – wenn auch mit Abstrichen – denken.

Pressekonferenz zur CoV-Verordnung
APA/Hans Punz
Die Regierung rechnet mit einer Trendumkehr in frühestens ein bis zwei Wochen

Essenziell sei es, „dass wir mit dem Paket gut durch den November kommen“, um einen „deutlichen Abfall“ der Infektionszahlen zu erreichen, sagte der Kanzler. Mit einer Trendumkehr rechne er „frühestens in sieben bis 14 Tagen“.

Sollte dieses Ziel nicht erreicht werden, „sind wir mit einer schwierigen Situation konfrontiert“, räumte Kurz ein. Ein Nachschärfen der Maßnahmen, deren Wirksamkeit wöchentlich evaluiert werden soll, sei dann möglich. Dabei dürfte ein Schließen der Kindergärten und Pflichtschulen bzw. ein Umstellen auf Distance-Learning angedacht sein.

Opposition pocht auf ausführliche Begründung

Auf Zustimmung, aber auch Kritik stießen die verschärften bundesweiten Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus in den Ländern. Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) kritisierte die Kommunikation, Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) warb um Verständnis.

Die Maßnahmen werden am Sonntag im Parlament beschlossen. Der Hauptausschuss des Nationalrats tritt um 17.00 Uhr zusammen. Die Opposition beharrt unterdessen auf ausführlichen Begründungen der Maßnahmen durch die Regierung. Man wolle bei jeder Verordnung, die dem Hauptausschuss am Sonntag vorgelegt wird, Erläuterungen zur Wirkung erhalten, sagten die Klubchefs zur APA.

Was die Opposition will, sind ausführliche Begründungen in den dem Hauptausschuss vorgelegten Verordnungsentwürfen. Etwa, warum ausgerechnet Kulturbetriebe und andere Einrichtungen geschlossen werden sollen. Zuvor von SPÖ und NEOS gestellte Forderungen habe die Regierung zur Kenntnis genommen und eine Prüfung in Aussicht gestellt, sagte SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner.

Sicher nicht zustimmen will im Hauptausschuss jedenfalls die FPÖ. „Ich habe den Eindruck gehabt, es war eine lästige Pflichtübung“, resümierte Klubobmann Herbert Kickl nach dem Gespräch mit der Regierung. Erbost zeigten sich die Fraktionen über den Umgang mit dem Parlament. „Eine einzige Farce und Respektlosigkeit gegenüber den Parlamentsfraktionen“ sah NEOS-Obfrau Beate Meinl-Reisinger in der Videokonferenz mit Bundeskanzler Kurz und Vizekanzler Kogler. Bei manchen Fragen sei man auf einen späteren Zeitpunkt vertröstet worden, berichtete sie.