Restaurants dürfen den ganzen November über keine Gäste bewirten, Hotels (außer Geschäftsreisenden) keine Touristen aufnehmen, Kultureinrichtungen wie Kinos, Theater und Museen müssen schließen, Veranstaltungen werden abgesagt: Die ab Dienstag geltenden Regeln gegen die Pandemie treffen die Wirtschaft generell, manche Branchen aber besonders schwer.
Die Regierung kündigte am Samstag bei der Bekanntgabe der neuen Maßnahmen finanzielle Hilfen für Unternehmen an. Betriebe, die im neuen Lockdown schließen müssen, erhalten einen Ersatz für ihren Umsatzausfall. Es gibt 80 Prozent der Erlöse aus dem November des Vorjahres, wenn sie ihre Beschäftigten behalten. Die Auszahlung soll rasch – noch im November – erfolgen, versprach die Regierung. Herangezogen werden dafür Daten der Finanzverwaltung, die Berechnung erfolgt automatisiert. Unternehmer beantragen den Umsatzersatz über FinanzOnline.
Umsatzersatz und Fixkostenzuschuss
Zur Verfügung stehen die Hilfen laut Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) für alle Unternehmensformen, für alle Körperschaftssteuern, Vereine, Theater und Museen ebenso wie für Non-Profit-Organisationen. Der maximale Auszahlungsbetrag pro Unternehmen beläuft sich EU-Regeln folgend auf höchstens 800.000 Euro. Bestimmte CoV-Hilfen müssen gegengerechnet werden. Auch eine Kombination von Umsatzersatz und Fixkostenzuschuss ist für betroffene Unternehmen möglich.
Das Finanzministerium rechnet mit Kosten von mehr als einer Milliarde Euro. Gedeckt werden diese aus dem CoV-Fonds. Für Unternehmen, die nicht direkt vom zweiten Lockdown betroffen sind, verweist die Regierung auf Hilfen aus dem Fixkostenzuschuss. Die zweite Version dieser Hilfe ist allerdings bisher noch nicht gestartet, Wien und Brüssel müssen sich erst einigen.
Schock in Gastronomie und Kultur
Nicht nur die Gastronomie wird vom zweiten Lockdown erneut hart getroffen – auch viele Kunst- und Kulturschaffende sind schockiert.
Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) pocht in seinem Streit mit der EU-Kommission weiterhin darauf, dass Entschädigungen nach Regeln einer Naturkatastrophe möglich sein müssten. Ist die Sache durch, soll der Fixkostenzuschuss zwei rückwirkend ab 16. September fließen, hieß es am Samstag.
Wirtschaft fordert Planbarkeit
Gesundheit sei das höchste Gut, betonten Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) und Industriellenvereinigung (IV). Beide Organisationen unterstützen den Lockdown daher. Allerdings forderten WKÖ-Präsident Harald Mahrer und IV-Chef Georg Knill bessere Planbarkeit für die Wirtschaft. „Wir erwarten uns von der Bundesregierung auch mittelfristig einen klaren Plan für den weiteren Umgang mit der Pandemie“, sagte Mahrer.
Barbara Battisti (ORF) zu den wirtschaftlichen Folgen
Barbara Battisti aus der ZIB-Wirtschaftsredaktion über die wirtschaftlichen Auswirkungen des zweiten Lockdowns und die angekündigten Hilfen der Bundesregierung.
Den angekündigten 80-prozentigen Umsatzausfallsersatz für November bezeichnete Mahrer als „notwendig“. „Ebenso dringend erforderlich ist, dass jetzt endlich unverzüglich der Fixkostenzuschuss in der Phase zwei für alle wirtschaftlich von der Krise betroffenen Unternehmen zur Verfügung steht“, forderte Mahrer. „Der Fixkostenzuschuss zwei muss rasch kommen. Auf den warten wir seit September“, sagte auch die Präsidentin der Hoteliervereinigung (ÖHV), Michaela Reitterer. Der Zuschuss entscheide „über Leben und Tod“.
Der Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbunds (ÖGB), Wolfgang Katzian, begrüßte einzelne Punkte des wirtschaftlichen Begleitpakets zum Lockdown, hat aber noch Forderungen offen. In erster Linie pochte er im Gespräch mit der APA auf einen Rechtsanspruch auf die Sonderbetreuungszeit. Zudem wünscht er sich eine Gutscheinregel. Arbeitnehmer sollen beispielsweise 1.000 Euro für Handel und Gastronomie noch einlösbar im Dezember bekommen: „Dann freut sich auch das Christkindl.“ Erfreut zeigte sich Katzian darüber, dass die Entschädigungen daran gebunden werden sollen, dass niemand gekündigt wird.
Handelsverband warnt
Der neue Lockdown wird auch die Lage im Handel verschärfen, warnte der Handelsverband. Der Handel erfahre ohne Gastronomie einen Frequenz- und Umsatzrückgang. Der Verband bedauert, dass Händler nicht auch von der Umsatzersatzregelung erfasst sind. Der Handel hat angesichts exponentiell steigender Infektionszahlen vollstes Verständnis für die neuen Maßnahmen.
„Um die Wirtschaft zu retten, braucht es jetzt den Lockdown“, argumentierte Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP). „Nur ein harter Schnitt bringt neues Wachstum.“ Man wolle alles tun, um die Betriebe bestmöglich über die schwierige Zeit zu bringen und Jobs zu sichern.
WIFO: Lockdown bremst das Wachstum über Winter
Vom vierten Quartal bis ins Frühjahr hinein werde die Wirtschaft durch den zweiten Lockdown gedämpft, analysiert das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO). Im Gesamtjahr wird der BIP-Rückgang laut dem WIFO-Konjunkturexperten Josef Baumgartner „wohl um einiges negativer sein als sieben Prozent und kommendes Jahr die Erholung wohl auch schwächer ausfallen als bisher erwartet“, sagte Baumgartner im APA-Gespräch.
Das genaue Ausmaß des Dämpfers hänge auch davon ab, wie schnell die Regierung Maßnahmen verkünde, die einer Unsicherheit der Betriebe entgegenwirkt, und wie die zusätzlichen Hilfen, etwa die Ausweitung des Fixkostenzuschusses und des Härtefallfonds oder eine Verlängerung der Kurzarbeit, tatsächlich bei den Betroffenen ankommen, so der Konjunkturexperte zur neuen Mittelfristprognose des WIFO.
Wenig profitieren könne durch Kurzarbeit der stark exponierte Tourismus, der als Saisonbranche Arbeitskräfte erst kurzfristig aufnehmen werde, wenn Hoffnung auf Urlaubsgäste bestehe, so Baumgartner. In der Gastronomie dagegen könne Kurzarbeit einiges abfangen, fraglich sei, ob die Betreiber glauben, dass sie künftig frühere Umsatzniveaus erreichen werden und so viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brauchen.
Lockdown dürfte kürzer sein als „Risikoszenario“
Auch wenn der Lockdown nun kürzer sein dürfte als im „Risikoszenario“ des WIFO befürchtet, werde der Tourismussektor bis in den Februar und März hinein zu leiden haben. Schon im „Hauptszenario“, das keine weiteren restriktiven Maßnahmen unterstellt, rechne sein Institut für kommenden Winter mit einem Viertel weniger Gästenächtigungen.
Bei einer achtwöchigen Sperre, wie es im pessimistischen „Risikoszenario“ angenommen ist, werden fast ein Totalausfall (minus 95 Prozent) von November bis zum Ende der Winterschulferien und ein gradueller Anstieg der Auslastung auf zwei Drittel bis Februar unterstellt, weil auch nach der Rücknahme des Lockdowns für ein bis zwei Monate von einer Verunsicherung der Gäste und damit schwächeren Buchungen ausgegangen wird. Die am Samstag von der Regierung vorgestellten Maßnahmen mit einem vierwöchigen Lockdown sind aber weniger restriktiv als im „Risikoszenario“ des WIFO unterstellt, wodurch die Hoffnung auf ein Weihnachtsgeschäft noch lebt.
Für die Gesamtwirtschaft geht die „Hauptvariante“, die auf der Herbstprognose von Anfang Oktober aufsetzt, für 2020 weiter von knapp sieben Prozent BIP-Einbruch aus und für 2021 von einer deutlichen Erholung mit 4,4 Prozent Anstieg. Das Vorkrisenniveau der Wirtschaftsleistung würde diesem Szenario zufolge frühestens 2022 wieder erreicht.
Experte erwartet Zwischenvariante
Das „Risikoszenario“, das deutlich striktere Lockdown-Schritte als die jetzt verhängten unterstellt (unter anderem einen achtwöchigen Lockdown in Tourismus und Gastronomie bis inklusive Weihnachtsferien), sieht das BIP heuer um 9,3 Prozent schrumpfen und 2021 auf diesem niedrigeren Niveau fast stagnieren (plus 0,4 Prozent). Baumgartner betont aber, dass dieses Szenario auf Basis von Annahmen schon am 22. Oktober fertiggestellt wurde: „Es ist also keine Abschätzung der Auswirkungen der am 31. Oktober von der Regierung vorgestellten Maßnahmen.“
Mit den neuen Lockdown-Maßnahmen ist eine Entwicklung zwischen diesen beiden Varianten zu erwarten – ob sie näher an der Obergrenze der Hauptvariante oder an der Untergrenze des „Risikoszenarios“ liegen wird, hänge hauptsächlich von der Wirkung der Maßnahmen auf das Infektionsgeschehen ab und damit von der Frage, ob es ab Anfang Dezember wieder zu einer Lockerung kommen kann, sagt Baumgartner.