Experte: Anschlag hat „besondere Dimension“

Zumindest ein schwer bewaffneter Terrorist hat in der Wiener Innenstadt Menschen getötet – ein tiefer Einschnitt in das Sicherheitsgefühl der Menschen. Dass Österreich aber immer eine „Insel der Seligen“ bleiben würde, war unwahrscheinlich.

Man habe oft das Gefühl gehabt, dass gewisse Dinge in anderen großen Städten passieren, aber nicht in Wien, so der Terrorismusexperte Thomas Riegler heute Früh zu ORF.at. „Daher ist die Tragweite groß, ähnlich wie bei dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt 2016.“ In vielen anderen Fällen seien Einzeltäter – etwa selbst radikalisierte – mit Messern oder Macheten bewaffnet gewesen. „Dass da jemand mit Langwaffen in der Innenstadt jemanden erschießt, hat eine besondere Dimension“, so Riegler.

In Österreich kämen prinzipiell verschiedene Faktoren zusammen: Das Land sei unter jenen Staaten, aus denen viele Menschen freiwillig in den Dschihad gezogen seien – und später womöglich zurückgekehrt seien. Es gebe hierzulande eine dschihadistische Szene, mit Querverbindungen etwa nach Bosnien – auch wenn man derzeit nicht sagen könne, ob es hier einen Zusammenhang mit den Geschehnissen der letzten Nacht gebe.

Auch der illegale Waffenhandel sei sehr aktiv, etwa über die Balkan-Route. Es gebe „Dekowaffen“ wie deaktivierte Kalaschnikows, die man im Ausland erwerben und mit etwas Wissen wieder aktivieren könne, sagt Riegler.

Terrorexperte Stockhammer über mögliche Hintergründe

Terrorexperte Nicolas Stockhammer von der Universität Wien spricht über mögliche Hintergründe des Anschlags.

Auf Videos war zu sehen, wie zumindest einer der Täter ein Sturmgewehr verwendete, wahrscheinlich eine Kalaschnikow. Diese gelten in der „Full Auto“-Version als Kriegsmaterial und fallen laut österreichischem Waffengesetz in die Kategorie A (verbotene Waffen), der Terrorist muss sie sich also illegal beschafft haben.

„Die Seitenstettengasse ist ein neuralgischer Punkt der Wiener Sicherheitsarchitektur“, so Riegler. Bereits im Jahr 1981 hatte ein palästinensisches Terrorkommando die dortige Synagoge überfallen. Zwei Menschen starben damals. Seither steht sie unter ständigem Polizeischutz. „Es ist bemerkenswert, dass es dort fast 40 Jahre später erneut zu einem Anschlag gekommen ist.“

Experte Stockhammer: Wien relativ „leichtes Ziel“

Der Terrorismusexperte Nicolas Stockhammer sieht zwei Gründe dafür, warum Wien zum Schauplatz eines Terroranschlags wurde: Wien sei einerseits ein relativ „leichtes Ziel“, anderseits habe es als Sitz internationaler Organisationen „Attraktivität als terroristisches Ziel“, so Stockhammer.

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